Heike Holdinghausen über den Umgang mit Wildtieren: Bitte mal stören
Wie halten wir es mit der Natur? Über nicht weniger verhandeln die Gerichte in dem Fall der Wittgensteiner Wisente. Ob in Nordrhein-Westfalen in Zukunft weiter Wildrinder durch Buchenwälder stampfen dürfen, geht also nicht nur Waldbauern und Tierfreunde im Rothaargebirge etwas an.
Hinter dem lokalen Streit über die Riesenrinder wartet die viel größere Frage danach, wie wir mit natürlichen Ressourcen umgehen wollen, wenn wir auf fossile verzichten. Beschließen wir ernsthaft, Kohle und Öl nicht mehr zu nutzen, wird der Druck auf die erneuerbaren Rohstoffe unweigerlich zunehmen: Auf die Wälder, die vor allem Holz liefern müssen und auf fruchtbare Böden, auf denen Nahrungsmittel, Energie- und Industrierohstoffe wachsen; Flüsse werden wir vor allem als Energiespender betrachten und die Landschaft als Ressource, in die wir Windräder stellen können.
Schon jetzt zieht die Natur in der Regel den Kürzeren, wenn zwischen einer intensiven und extensiven Nutzung entschieden werden muss. Wenn „Ökospinner“ in Behörden oder Verbänden einmal Ernst machen und ein Bau- oder Industrievorhaben mit dem Argument des Naturschutzes verhindern wollen, reagiert die Öffentlichkeit auf den Schutz von Mopsfledermäusen und Rotbauchunken spöttisch bis fassungslos. Dass ökonomische Interessen von Menschen wirklich einmal hinter ökologische eingeordnet werden, ist für den größten Teil der Bevölkerung noch immer äußerst befremdlich. Arten einen „Preis“ zu geben und in Cent und Euro zu berechnen, welche Dienstleistungen sie für unsere Volkswirtschaft erbringen, hat bislang auch nicht viel gebracht.
In einer künftigen Bioökonomie wird für Natur, die sich nicht in Strategiepapiere der Agrarindustrie fassen lässt, eher noch weniger Platz sein als heute. Der Schutz der Wisente ist also ein Gradmesser dafür, ob wir Störungen unserer ökonomischen Interessen zulassen – oder nicht.
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