Heftige Kritik an Frankreichs Politik: Diplomaten rügen Sarkozys Diplomatie
Amtierende und ehemalige französische Botschafter fällen ein vernichtendes Urteil über die Politik Nicolas Sarkozys. Sie sei "amateurhaft" und "impulsiv".
PARIS taz | Eine vernichtende Analyse der französischen Außenpolitik unter Präsident Nicolas Sarkozy liefert in Le Monde eine Gruppe von Diplomaten. "Marly" nennt sich dieses anonyme Kollektiv nach dem geheimen Treffpunkt in einem Pariser Café, das laut Redaktion "sowohl aus aktiven wie pensionierten Diplomaten unterschiedlicher politischer Ausrichtung" besteht.
Ihr Urteil ist vernichtend für Sarkozys Bestreben, Frankreich mehr Gehör und Einfluss in der Welt zu verschaffen: "Europa ist ohnmächtig, Afrika entgleitet uns, der Mittelmeerraum schmollt mit uns, China hat uns gebändigt, und Washington ignoriert uns." Nicht besser stehe es um die Handelspolitik, der die diplomatischen Prioritäten untergeordnet wurden: Statt die angekündigten Verkaufserfolge zu verzeichnen, würden die Rafale-Flugzeuge und Atomreaktoren zu Ladenhütern.
Das wäre nicht so gekommen, wenn man auf die Diplomaten gehört hätte. Das Vorgehen der Staatsführung sei laut "Marly" "amateurhaft", "impulsiv" und von "kurzfristigen Medienüberlegungen bestimmt". Für die Profis aus dem Ministerium am Quai d'Orsay aber gilt: "In der Diplomatie improvisiert man nicht." Statt auf seine Botschafter zu hören, lasse Sarkozy sich von ominösen Beratern inspirieren.
Frankreichs Außenpolitik werde so von ehrgeizigen Expolizeipräfekten (wie Claude Guéant, Sarkozys rechte Hand) oder Ghostwritern entworfen und von privaten Interessen beeinflusst. Dagegen seien Warnungen aus Tunis oder Kairo im Elysée überhört worden, als Sarkozy Ben Ali und Mubarak zu den "südlichen Eckpfeilern der Mittelmeerunion" erklärte.
Auch die Medien sind der Ansicht, dass Frankreich in Tunesien und Ägypten nicht zuletzt wegen Fauxpas der Außenministerin Michèle Alliot-Marie vor einem diplomatischen "Scherbenhaufen" stehe. Die Außenministerin hatte sich mit Urlaubsflügen auf Kosten eines mit dem Ben-Ali-Clan liierten Geschäftsmanns und mehr noch mit ihrem Angebot zur polizeilichen Kooperation bei der Aufrechterhaltung der Ordnung kurz vor dem Sturz des tunesischen Herrschers in den Augen der tunesischen Demokraten unmöglich gemacht hatte.
Der neue Botschafter in Tunis, Boris Boillon, machte sich unbeliebt, als er die Fragen tunesischer Journalisten salopp als "debil" bezeichnete. Der 42-jährige Boillon ist kein klassischer Diplomat des Quai d'Orsay. Bevor er Botschafter in Bagdad und jetzt Tunis wurde, glänzte er als Nordafrika-Berater von Präsident Sarkozy mit der Einschätzung: "Gaddafi hat Selbstkritik geübt, er ist kein Terrorist mehr."
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