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Heckelmann abschieben!

■ In der aktuellen Stunde kritisierten SPD und Opposition die Abschiebehaft in Einzelfällen als unverhältnismäßig

Die Situation in der Berliner Abschiebehaft ist zwischen CDU auf der einen sowie SPD und Opposition auf der anderen Seite weiterhin ein kontroverses Thema. Der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Eckhardt Barthel, kritisierte gestern in der Sitzung des Abgeordnetenhauses, daß in Einzelfällen die Abschiebehaft unverhältnismäßig sei. So sitze ein Libanese in Haft, weil er sich angeblich nicht um die nötigen Ausweispapiere für seine Ausreise bemüht habe. Tatsächlich sei dieser aber bei der libanesischen Botschaft gewesen, die für eine Weiterbearbeitung von Anträgen auf einen Besuch ihres Landsmannes wartet. Dieser dürfe die Abschiebehaftanstalt in der Kruppstraße aber nicht verlassen.

Die Grünen beanstandeten, daß Innensenator Heckelmann (CDU) Ausländer „vorsorglich in Abschiebehaft“ nehme. „Das sieht das deutsche Ausländerrecht nicht vor“, meinte Albert Eckert. In Berlin würden abgelehnte Asylbewerber zu schnell, zu häufig und zu oft in Gewahrsam genommen. Wer kein Bleiberecht habe, gehöre noch lange nicht in den Knast. Daß der Innensenator seine Verantwortung an die Justizsenatorin abgeben wollte, zeige seine Unfähigkeit, Probleme zu lösen. Solch ein Senator gehöre abgelöst und „nach Mykonos“ abgeschoben.

Heckelmann rechtfertigte dagegen die Zustände in der Abschiebehaftanstalt Kruppstraße und widersprach SPD wie Opposition. Es brauche niemand in die Abschiebehaft genommen werden, wenn er seiner „bundesrepublikanischen Pflicht“ genüge und ausreise. Die Unterbringung sei nicht menschenunwürdig.

Um die Kritik an den Verhältnissen in der Kruppstraße abzuwehren, bemühte der Senator einen Bericht einer Menschenrechtskommission von vor zwei Jahren – doch damals hatten die Bundesregierung und die SPD noch nicht das neue Asylrecht beschlossen. Die Zahl der Abschiebungen hat sich allein in Berlin von 1992 bis 1993 auf 3.175 Fälle mehr als verdoppelt. Zumindest indirekt räumte der Senator Mißstände ein – denn trotz der Bewertung der Kommission von 1992 habe es in der Kruppstraße erhebliche Verbesserungen gegeben. Was Heckelmann nicht sagte: Anlaß war ein mehrtägiger Hungerstreik im Sommer dieses Jahres.

Heckelmann läßt zur Zeit in den McNair Barracks 30 weitere Plätze herrichten, um die Abschiebehaftanstalt Kruppstraße zu entlasten. Sieben Ausländer sind derzeit im Gefängnis Moabit untergebracht. Wie Heckelmann berichtete, klage einer der Betroffenen seinen Platz in der Kruppstraße ein.

Die PDS nutzte ihre Redezeit eher für generelle Aussagen zum Asylrecht: „Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord“, sagte Karin Dörre, ausländerpolitische Sprecherin der Fraktion. Ihre Partei lehne es grundsätzlich ab, Asylbewerber einzusperren. Dirk Wildt

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