: He Got Hair Down To His Knee
John Lennon als Musiker ■ Wohlfeil ist es, eine Legende anzupissen. Schwieriger schon, die Gründe darzulegen: Es gibt keine. Außer vielleicht, Ende der Achtziger, jene Fraktion der „Ökos“ an unserer Schule. Die Ökos spielten Bass oder Klavier, flogen zum Wandern nach Island, obwohl Fliegen eigentlich scheiße ist, kamen aber – rain or shine – mit dem Fahrrad zur Schule. Wo sie in Mathematik über Bachs Fugen räsonierten und in Religion mit Eugen Drewermann reüssierten. Diese nachdenklichen Kirchentagsgesichter trugen, aus Protest gegen Konsumzwang und Markenfetischismus, ihre Jeans verkehrt herum, mit der Naht nach außen. Und obwohl sie aus bestem Elternhaus kamen, „knackten“ sie auf kargen Matratzen – weicher Widerstand, schizophren wie der ihres unantastbaren Idols. So erlebte ich John Lennon nicht als Lichtgestalt, sondern als Schirmherr subventionierter Pubertäten. Wenn die schlichte Schönheit seiner Kompositionen hinter solch irrealen Aversionen verblasst, dann fällt die Suche nach Flecken auf seiner flügelweißen Weste natürlich leichter. Wie ein Erbsen zählender Schneekönig freut man sich dann zu lesen, dass John Lennon 6.795 Dollar zahlen musste – weil er sich für „Come Together“ bei Chuck Berry bedient hatte. Ein epochaler Komponist war er ja bekanntlich nur im symbiotischen Verbund mit McCartney. Auch wenn`s kein Indikator ist, hatte er seinen ersten Solo-Nummer-1-Hit with a little help from ausgerechnet Elton John; den zweiten Hit schwemmte, nach seinem Tod, eine Welle der Betroffenheit an die Spitzen der Charts. Da steht er noch immer und lächelt wie eine archaische Plastik. Und wer ihn anpissen will, macht sich dabei nass. ARNO FRANK
ARNO FRANK platzt aus allen Nähten, obwohl er sie innen trägt
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