: Hausverbote auf dem Schuldenberg
Die Kulturbrauerei an der Schönhauser Allee ist in Not geraten. Mehrere hundertausend Mark Schulden haben sich in den vergangenen Jahren aufgehäuft. Doch die Sanierung, die die neue Geschäftsführung anstrebt, führt zu neuen Konflikten
von UWE RADA
Zehn Jahre lang war Joachim Sommermeier die gute Seele der Kulturbrauerei. Und ihr Geschäftsführer. Bis er im Sommer dieses Jahres gekündigt wurde. Nun hat Sommermeier, die gute Seele, sogar Hausverbot in der ehemaligen Schultheissbrauerei an der Schönhauser Allee.
„Wir haben Sorge um unseren Aktenbestand“, sagt Heinz Köster. Seit zehn Jahren leitet Köster die Stiftung Industrie- und Alltagskultur in der Kulturbrauerei. Und er ist einer der Gesellschafter der gemeinnützigen GmbH Kulturbrauerei, die das off-kulturelle Zentrum des Prenzlauer Bergs betreibt. Die Sorge, die Heinz Köster umtreibt, ist auch die Sorge der anderen Gesellschafter. Gisela Höhne vom Verein Sonnenuhr sagt: „Ab einem bestimmten Punkt hat die Geschäftsführung den Überblick verloren“. In Zahlen ausgedrückt: die Kulturbrauei hat nach neuesten Angaben Verbindlichkeiten in Höhe von „mehreren hunderttausend Mark“.
Es ist die altbekannte Gratwanderung zwischen Projektkultur und Betriebswirtschaft, die Joachim Sommermeier zum Fallstrick wurde. Stefan Weiß, der Prokurist der Kulturbrauerei, berichtet von „unerklärlichen Vorgängen“, die man bei der Prüfung der Bücher seit Beginn des Jahres entdeckt habe. „Da wurde Geld für Veranstaltungen und Arbeitsverträge ausgegeben, ohne dass es dafür eine Deckung gegeben hätte“.
Auch das „Russische Kammertheater“ ist so ein Fall. 4,85 Mark pro Quadratmeter und zwei Mark Betriebskosten zahlten die Betreiber des Theaters an die Kulturbrauerei. Die allerdings muss an den Eigentümer des Geländes, die Treuhand Liegenschafts Gesellschaft (TLG), fünf Mark Miete und 5,80 Mark Betriebskosten entrichten. „Diese Summe“, sagt Stefan Weiß, „war nicht einmal den Betreibern des Kammertheaters bewusst“.
Nun gibt es auch das Russische Kammertheater nicht mehr. Zumindest nicht mehr zu den alten Konditionen. Mit der Misswirtschaft soll nun Schluss sein. Das sagt Karin Baumert, seit 1. November die Nachfolgerin von Joachim Sommermeier. Die ehemalige Baustadträtin von Mitte ist keine gute Seele, sondern sieht sich selbst als Saniererin, spricht von Wirtschaftsplänen und Verflechtungen, die entzerrt werden sollen. Mit Baumert, sagen die Gesellschafter der Kulturbrauerei, wollen wir wieder auf eine wirtschaftliche Grundlage kommen und die Arbeit der Kulturbrauerei nach außen hin transparenter machen.
Nach außen hin bekannt ist das Kesselhaus, das Herzstück der Brauerei und jener Veranstaltungsraum, der am meisten Gewinn macht. Noch unter der Ära Sommermeier hat sich das Kesselhaus als eigene GmbH ausgegründet. Es war der verzweifelte Versuch von Sommermeier, Geld in die leeren Kassen zu bekommen. Aber es war auch ein Beispiel für die Kultur der guten Seelen. Der Vertrag mit der neuen Kesselhaus GmbH ging eher auf Kosten der Kulturbrauerei, als dass er zu deren Sanierung beigetragen hätte. Mehr noch: Joachim Sommermeier war selbst an der neuen GmbH beteiligt, als deren Gesellschafter.
Mittlerweile sind die Verträge mit dem Kesselhaus gekündigt. „Wir wollen den Raum wieder in die Kulturbrauerei zurückholen“, sagt Baumert und weiß sich damit einig mit den Gesellschaftern. Doch die Betreiber des Kesselhauses sind da anderer Meinung. Auch sie haben inzwischen ein Hausverbot ausgesprochen – gegen die neue Geschäftsführerin. Nun wird der Streit ums Kesselhaus wohl ein Fall für die Gerichte. Und die Sanierung der Projektkultur eine Sache der Betriebswirtschaft. Die Zahl der festangestellten Mitarbeiter ist inzwischen von acht auf fünf reduziert worden. Und auch die Azubis, die bislang von der Kulturbrauerei finanziert wurden, aber vorwiegend für das Kesselhaus gearbeitet haben, sollen wieder andere Aufgaben bekommen. Immerhin: Die neue Geschäftsführerin ist sich der Unterstützung der Gesellschafter sicher. „Wir haben uns schließlich nicht zum Spaß von Joachim Sommermeier getrennt“, sagt Gisela Höhne.
Gestern nun erklärte eine weitere Berliner Kulturinstitution, als Gesellschafter in die Kulturbrauerei einziehen zu wollen – die LiteraturWerkstatt Berlin, die aus ihrem angestammten Domizil am Majakowskiring in Pankow ausziehen muss. „Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt der Leiter von Berlins wohl bekanntester Literaturinstitution, Thomas Wohlfahrt. „Aber seitdem wir sehen, wie die neue Geschäftsführung die Sanierung in Angriff nimmt, haben wir uns nun entschossen, noch in diesem Monat den Gesellschaftervertrag zu unterschreiben.“ Mit der LiteraturWerkstatt werde damit auch schon das Sommerfest der Literatur in der Kulturbrauerei stattfinden.
Bis es soweit ist, stehen allerdings erst noch einige Verhandlungen an, zum Beispiel mit der TLG über die Ratenzahlung der aufgelaufenen Betriebskosten. Die Seele der Kulturbrauerei wird wohl noch für eine Weile eng mit deren Buchhaltung verbunden sein.
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