Hausverbot beim Bremer Jugendamt: Wer schreit, kriegt unrecht
Ein Bremer Rechtsanwalt, der Mitarbeiter des Jugendamtes für befangen hält, bekam Hausverbot. Nun entscheidet ein Gericht, ob das rechtens war.
Jetzt stand Sürig vor Gericht: Er selbst klagte gegen ein bereits im Februar gegen ihn verhängtes Hausverbot im Jugendamt. Das Verwaltungsgericht hat zu entscheiden, ob die Auseinandersetzung, die Sürig am 9. Februar mit Mitarbeitern des Jugendamtes hatte, den Dienstbetrieb der Behörde so nachhaltig gestört hat, dass dieses Hausverbot, das für ihn zumindest teilweise einem Berufsverbot gleichkam, rechtmäßig war.
An jenem Tag sollte bei einer Mandantin Sürigs erneut das Alter geschätzt werden. In Bremen geschieht das durch zwei Mitarbeiter des Jugendamtes: Sie sprechen mit der betreffenden Person, versuchen Daten abzugleichen und durch das Gespräch zu einer Einschätzung darüber zu kommen, ob die Person volljährig ist oder nicht. Sürigs Mandantin, eine junge Somalierin, war zunächst als minderjährig eingeschätzt worden. Dann jedoch tauchten Daten der Polizei in Rosenheim auf, die ein älteres Geburtsdatum vermerkt hatte.
Dass im Laufe eines Asylverfahrens unterschiedliche Daten auftauchen, ist keine Seltenheit. So kann es während einer Flucht aus verschiedenen Gründen opportun sein, sich etwas älter zu machen. Auch Verständigungsschwierigkeiten bei der Einreise können dazu führen, dass nicht das korrekte Geburtsdatum vermerkt wird. „Bei so vielen Flüchtlingen, die 2015 nach Deutschland kamen, waren viele Polizeistationen überfordert mit der Registrierung“, sagt Jan Sürig.
Er hält es für ausgeschlossen, dass in jedem Fall ein Dolmetscher dabei war. Insofern besitzen die polizeilich gespeicherten Daten für ihn wenig Aussagekraft: „Dass polizeiliche Daten gespeichert sind, heißt zunächst einmal nur das: Da sind Daten gespeichert“, stellt er klar. „Es handelt sich dabei keineswegs um polizeiliche Ermittlungsergebnisse“.
Dass die Daten in Bremen zumindest zeitweise als ausschlaggebendes Kriterium für die Alterseinschätzung verwendet wurden, hat die taz bereits im Februar berichtet. Die Chiffre dafür lautete „K54 sticht“. K54 ist das Polizeikommissariat, das für den Datenabgleich mit anderen Polizeibehörden in Deutschland und im Schengen-Raum zuständig ist.
„K 54 sticht“ bedeutet: Die Daten, die das K54 dem Jugendamt übermittelt, entscheiden über die Alterseinschätzung. Die Begutachtung durch die Jugendamtsmitarbeiter wäre dann nur noch eine Formalie. Dass dieses Prinzip auch an jenem Tag im Februar angewandt werden sollte, ist für Sürig klar:
„Ich nahm Einsicht in die Akte, obenauf lagen lose Blätter mit dem Mailverkehr zwischen der Rechtsabteilung der Behörde und dem Jugendamt.“ Darin: Eine Art „Bastelanleitung“, wie Sürig es nennt, für die Mitarbeiterin im Jugendamt zur wasserdichten Volljährigkeitserklärung seiner Mandantin.
Was dann geschah, darüber gehen die Aussagen auseinander. Sürig sagt, er habe Beweise sichern wollen. Die Jugendamtsmitarbeiter sagen, er wollte die Akte mitnehmen. Fest steht nur: Es wurde laut.
Das Jugendamt argumentiert vor Gericht: Sürigs aggressives Auftreten habe die Kollegen und Klienten im Jugendamt verängstigt. Zum Schutz der Mitarbeiter und damit das Amt seiner Arbeit ordnungsgemäß nachgehen könne, sei ein Hausverbot nötig gewesen.
Ob die „K 54 sticht“-Regel immer noch angewandt wird, ist unklar: Während die Behördenvertreterin Susanne Heyn und einige Mitarbeiter des Jugendamtes die Existenz der Regel bestreiten, sagt zumindest ein Zeuge vor Gericht, er wisse, dass es sie gegeben habe, sie werde aber nicht mehr angewandt.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über das Hausverbot steht noch aus. Der Fall von Sürigs somalischer Mandantin hingegen ist längst geklärt: Obwohl das Bremer Jugendamt sie wie erwartet für volljährig erklärt hatte, ist sie nach weiteren Prozessen inzwischen endgültig als minderjährig eingeschätzt worden.
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