Haustier allein zu Haus: Das Jaulen der Coronahunde
Corona-Einsamkeit hat die Tierliebe bei so manchen BerlinerInnen geweckt. Aber was passiert mit Wuffi, wenn das Leben plötzlich wieder losgeht?
I st Ihnen das auch schon aufgefallen? In den Nachbarwohnungen jault es immer lauter. In den letzten Monaten mehrten sich die Leute, die ihre Corona/Tinder-Einsamkeit mit kleinen Hunden lindern wollten. Tierheime wundern sich, dass ihnen der letzte Köter aus den Händen gerissen wurde, der sonst einsam hinter Gittern schmachten musste.
Sie etablierten bereits härtere Kontrollmaßnahmen über die Tauglichkeit der neuen BesitzerInnen, damit ihnen nach der Pandemie nicht wieder ein Schneesturm an ungewollten Hunden um die Ohren fliegt, wie sonst nur in den Sommerferien oder kurz nach Weihnachten. Kleine Hunde gingen natürlich am besten.
Ich erzürne mich gerne mal über kleingezüchtete Hunde. Miniversionen mit Atemnot und Gelenkproblemen, damit wir uns den Wolf in die Tasche stecken können. Damit er kompatibel für die 34-qm-Singlewohnung ist. Man konnte sie gut erkennen, die Leute, deren ewige liebevolle Beharrlichkeit allzu plötzlich in nervöse Ungeduld umschlug, wenn sie für einen Spaziergang auf einmal dreimal so lange brauchten, weil ihr neuer Hund an jeder Hausecke, Baum und Zaun „seine E-Mails checken wollte“.
Wie ein Kleinkind, das gerade laufen lernt, betrachteten sie ihren Pinscher, Terrier, Welsh Corgi, Cavapoo und ihren Chavalier King Charles Spaniel, sogar ein paar Dackel waren dabei, vielleicht ein ähnliches Phänomen, wie es Leute wieder drollig finden, ihre Kinder Annegret oder Georg zu nennen.
Göttliche Einsamkeit oder Isolationshaft?
Ich bin ja gerne mal allein. Aber etwas, was von Eremiten als göttlich beschrieben wird, kann in Isolationshaft schnell dämonisch werden und sich zu Zwangsgedanken und Panikattacken ausformen, vor allem wenn man ein Herdentier ist. Ob der Mensch ein Rudeltier ist oder nicht, darüber kann man streiten.
Aber Hunde sind es auf jeden Fall und so ziemlich immer. Und wenn nun Herrchen oder Frauchen wieder vermehrt draußen mit ihren Menschenfreunden herumtollen darf, nehmen sie ihre Hunde, von denen sie eben noch Wärme und Unterhaltung erwarteten, eben nicht unbedingt mit.
Ich sitze also zu Hause und höre mir Choräle an. Die Kommandier-Choräle der ungeübten Hundebesitzer und Jaul-Choräle von Hunden, die zu lange in den Wohnungen eingesperrt sind, weil ihre Herrchen und Frauchen vielleicht doch die Zeit überschätzten, die sie für den Hund haben. Choräle können göttlich oder dämonisch wirken.
Hunde sind nun mal Energiebündel, das geht in beide Richtungen. An den Veränderungen des Jaulens bei uns im Haus (und im Nebenhaus) kann man das Ablesen. Diese Choräle hier klingen immer dämonischer. Die erste Euphorie der neuen Liebe kann auch in die Psychose führen, wenn man die Bedingungen dafür nicht selbst kontrollieren kann. Haustiere können hier gar nichts kontrollieren, sie sind den Bedürfnissen ihrer Besitzer gnadenlos ausgeliefert. Und nun finden sich viele in Isolationshaft wider.
Bloß keine Impfung für das Herrchen
Auf den Straßen kann ich beobachten, wie die angeleinten Hunde nun mit Schrecken beäugen, wenn Herrchen sich beim Gassigehen plötzlich in der Schlange beim Hausarzt anstellt, um AstraZeneca zu erheischen. Ich habe das Drama schon mehrmals beobachten können, wie die Tiere dann verzweifelt versuchen, ihren Menschen da wegzuziehen. Damit auch er an sie durch seinen eingeschränkten Bewegungs- und Aktivitätsradius gekettet bleiben wird.
Aber was soll ich sagen, sie haben keine Kraft, sie sind ja keine Wölfe mehr, die die Menschen zurück in ihre Wohnungen oder auf den Pfad des Spaziergangs ziehen können. Wie wir vor 8.000 Jahren versuchen die Hunde nun uns zu domestizieren. Über die Pandemie hinaus. Vergebens. Und so jaulen und seufzen sie allein daheim.
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