Haushaltsplan von CDU und SPD: Straßen sanieren, Kultur rasieren
Der Aufschrei über den Haushaltsentwurf ist bisher klein geblieben. Mehr Geld gibt es für Infrastruktur und Polizei, weniger für Kultur und Bildung.
Mit 43,8 Milliarden Euro für 2026 und 44,6 Milliarden für 2027 steht dabei so viel Geld zur Verfügung wie nie zuvor. Noch 2020 waren es mehr als 10 Milliarden weniger.
Dass der Haufen anwächst, vor allem auch im Vergleich zu noch im März kolportierten deutlich niedrigeren Eckwerten, hat gleich mehrere Ursachen: Zum einen fiel die jüngste Steuerschätzung besser aus als erwartet, zum anderen bekommt Berlin mehr Bundesmittel: etwa aus dem Investitionssondervermögen sowie unerwartete Kompensationen für Maßnahmen des Bundes, die zu Einnahmeverlusten der Länder führen. Hinzu kommt die Möglichkeit, trotz Schuldenbremse neue Kredite aufzunehmen.
Dass es dennoch zu Einsparungen quer durch die Ressorts kommt, liegt vor allem daran, dass ein Großteil der zusätzlichen Gelder in steigende Personalkosten fließt. So hatten etwa die 16.000 Beschäftigten der BVG im Frühjahr eine Erhöhung ihrer Einkommen um 430 Euro monatlich herausgehandelt. Ein Großteil der 100 Millionen Euro, die die Verkehrsbetriebe mehr erhalten sollen, wird in die Gehälter fließen. Weniger Geld bleibt dann etwa für die Planung von Neubauvorhaben übrig.
Ein „chaotisches Verfahren“
Im Vergleich zu der Kürzungsorgie des letzten Haushalts geht es diesmal eher moderat zu. Verlierer gibt es dennoch genügend. Zu Wort gemeldet hat sich bisher etwa die Verbraucherzentrale, die circa ein Drittel ihrer Mittel und die Stellen von 40 Prozent des Personals gefährdet sieht. Auch der Tierschutz sei elementar gefährdet, warnt die Linksfraktion. Bislang aber ist das Konzert der Entrüsteten noch nicht so vielstimmig, was vielleicht auch an der Sommerpause liegt.
Einer, der sich schon zu Wort meldet, ist André Schulze, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Gegenüber der taz spricht er von einem „chaotischen Verfahren“ seit der ersten Ankündigung zum Haushalt im März. Verhältnismäßig gut schnitten jetzt die Ressorts ab, die „am lautesten gemeckert“ hätten. Schulze sagt: „Eine gemeinsame Vision fehlt dem Haushalt völlig.“
Berlin nutze seine Möglichkeiten, aus dem Sondervermögen des Bundes zu investieren, vor allem dazu, Straßen und Brücken zu bauen, etwas Geld fließe zudem in Krankenhäuser. Was dagegen fehlt: Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr, in Wissenschaft, Kultur sowie den Jugend- und Bildungsbereich, wie Schulze kritisiert.
Schwächung des Parlaments?
Im Bildungsbereich hat sich bereits kurz nach Bekanntwerden des Haushaltsentwurfs Protest formiert – aber nicht nur in der Opposition, sondern auch in der SPD-Fraktion. Die spricht in einer Pressemitteilung von einem „Angriff auf außerschulische Bildung“. Kern der Kritik ist, was sich zunächst nach einer Formalie anhört: Im aktuellen Entwurf habe Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) nicht mehr einzelne zu fördernde Projekte benannt, sondern sogenannte „Themen-Töpfe“ gebildet, in denen die Förderungen für verschiedene Projekte zusammengefasst sind.
Die SPD-Fraktion sieht darin eine Schwächung des Parlaments zugunsten der Senatsbildungsverwaltung. Denn Haushalte werden vom Parlament verabschiedet. Doch nun, so fürchtet die SPD-Fraktion, könnte die Bildungssenatorin künftig im Alleingang die Förderung von Projekten streichen, wenn sie ihr politisch nicht in den Kram passen.
Tatsächlich hatte die Bildungssenatorin im Zusammenhang mit dem wohl wegen seiner Homosexualität gemobbten Grundschullehrer Oziel Inácio-Stech von einem „Dickicht“ gesprochen, das es etwa an Beschwerdestrukturen gebe – und damit angekündigt, aufzuräumen. Auch betont die Senatorin gerne, dass ihr das „Lesen, Schreiben, Rechnen“ wichtig ist. Was dabei herunterfällt, sind laut der bildungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion etwa die politische, queere oder kulturelle Bildung, die Sprachförderung für Geflüchtete oder die Antisemitismusprävention. Viele Zuwendungen in dem Bereich würden „komplett gestrichen“, so Franziska Brychcy.
„Die Politik der CDU setzt sich fort: Die Schwächsten haben keine Lobby, während Politik für die Gymnasien gemacht wird“, sagt Brychcy weiter. Fatal sei, dass trotz steigender Schüler:innenzahlen im Jahr 2026 zunächst 60 Millionen Euro weniger für die Bildung eingeplant sind, bevor der Etat dann 2027 wieder leicht steigt. Vor allem stört sie aber der „soziale Kahlschlag“ gegen all die Projekte, die der CDU nicht in den Kram passen. „Das ist vor allem absurd, weil es hier oft um kleine Fördersummen geht. Das wäre vermeidbar gewesen“, so Brychcy.
Abgeordnetenhaus entscheidet
Dieses Muster setzt sich auch in der Kultur fort. Die ist ohnehin ein großer Verlierer, wie schon beim Haushalt 2025. Nach 130 Millionen Euro in diesem Jahr soll der Etat um weitere 90 Millionen reduziert werden. Zwar werden auch hier Tarifsteigerungen finanziert, gleichzeitig aber sinken die Etats der großen Bühnen um etwa 3 Prozent. Am härtesten trifft es allerdings die Freie Szene: zusammengestutzt wird etwa das Arbeitsraumprogramm für Künstler:innen.
Laut Senat verfolgt der Haushaltsentwurf das Ziel, „durch klare Prioritätensetzung die Handlungsfähigkeit des Landes auch unter engen finanziellen Spielräumen zu gewährleisten und Berlin zukunftsfest aufzustellen“.
Auf Anfrage der taz nennt ein Sprecher der Finanzverwaltung als erste Priorität den Bereich Innere Sicherheit mit Investitionen in Bodycams, Videoüberwachung und Sanierung von Polizeiwachen. Daneben liege der Schwerpunkt auf einer „umfassenden Sanierung von Straßen und Brücken“. In Stein gemeißelt sind diese Pläne noch nicht: Erst kurz vor Weihnachten soll das Abgeordnetenhaus den Plan verabschieden. Und Ende des kommenden Jahres könnte ein neuer Senat mit einem Nachtragshaushalt die Pläne bereits wieder umwerfen.
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