Haushaltsberatungen in der Ampel: Bundesregierung hält am Zeitplan fest
Finanzminister Lindner zeigt sich offen dafür, auch später zu einem Haushaltsentwurf zu kommen. Sozialverbände kritisieren seine Sparpläne scharf.
Lindner sprach sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk gegen Kürzungen im Wehretat aus. Die Bundesregierung werde das 2-Prozent-Ziel der Nato dauerhaft erfüllen, dafür müsse man in den kommenden Jahren sogar mehr investieren als bislang, sagte der Finanzminister. Lindner bekräftigte stattdessen seine Forderung nach Umschichtungen bei den Sozialausgaben, unter anderem beim Bürgergeld.
Mehrere Sozialverbände erklärten, dass sie die Sparpläne aus dem Finanzministerium mit großer Sorge betrachteten. Eine Umfrage unter sechs großen Wohlfahrtsorganisationen ergab, dass sie bei weiteren Kürzungen „den sozialen Frieden in Deutschland gefährdet“ sähen, insbesondere mit Blick auf den Stand der sozialen Arbeit im Land. Demnach mussten in den vergangenen beiden Jahren knapp zwei Drittel der Einrichtungen und Organisationen der freien Wohlfahrtspflege aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihre Angebote einschränken oder ganz einstellen.
Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Michael Groß, sagte, die Umfrage sei bezeichnend. „Die Sparpolitik des Finanzministers ist eine ernste Bedrohung für die soziale Infrastruktur in unserem Land.“ Groß, der gleichzeitig Vorsitzender des Bundesverbands der Arbeiterwohlfahrt ist, forderte die Regierung dazu auf, dass sie „statt auf Kosten der Menschen zu sparen in den Zusammenhalt investieren“ müsse.
Wie wird das Milliardenloch gestopft?
Ähnlich äußerte sich Rüdiger Schuch, Präsident der Diakonie in Deutschland. „Die Gestaltung des Bundeshaushalts wirkt sich auf das Vertrauen der Menschen in die Demokratie aus.“ Weitere Kürzungen bei sozialpolitischen Leistungen im Bundeshaushalt 2025 seien demokratiegefährdend und nicht akzeptabel, sagte er.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Hoffmann sagte zu den Forderungen der Sozialverbände, dass die soziale Ausgewogenheit des Haushalts dem Kanzler „ein großes Anliegen“ sei. Zu den erneut von Lindner vorgetragenen Kürzungsvorschlägen bei den Sozialausgaben wollte sie sich jedoch nicht äußern.
Das Bundeskabinett soll nach den Wünschen von Scholz am 3. Juli den Etat-Entwurf für 2025 auf den Weg bringen. CDU-Haushaltsexperte Christian Haase schätzte zuletzt, dass der Regierung dabei zwischen 35 und 40 Milliarden Euro in ihren Planungen fehlen. Darunter fallen bis zu 25 Milliarden Euro an Ausgabenwünschen aus den Ressorts für Arbeit, Verteidigung, Entwicklung und Äußeres, die der Finanzminister nicht bewilligen wollte. Hinzu kämen laut den Berechnungen aus der CDU Steuermindereinnahmen wegen der stagnierenden Wirtschaftsleistung.
Laut den bisherigen Planungen soll der Haushalt 2025 etwa 450 Milliarden Euro umfassen. Scholz hatte zuletzt mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck am Sonntag bis in die Nacht beraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen