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Hausbesetzungen jetzt strafbarVertreibung aus dem Paradies

Die Niederlande sind nicht mehr das Hausbesetzer-Paradies Europas. Mit den Stimmen der Rechtspopulisten wurde das lange umstittene "Anti-Kraker-Gesetz" beschlossen.

Hausbesetzer: Sie hatten ein Protest-Camp gegen die Gesetzes-Verschärfung gestartet. Bild: dpa

AMSTERDAM taz | Häuser besetzen, auf Holländisch "kraaken", ist in den Niederlanden zukünftig verboten. Das hat am Donnerstagabend das Unterhaus in Den Haag beschlossen. Nun muss die Erste Kammer zustimmen. Die Initiatoren des neuen Anti-Kraak-Gesetzes, die regierenden Christdemokraten (CDA), die ChristenUnie (Calvinisten) und die oppositionelle liberale Partei VVD, hatten für das Votum die Stimmen der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) des umstrittenen Rechtspopulisten Geert Wilders nötig. Unmittelbar nach der Abstimmung brach auf der Publikumstribüne ein Tumult los. Die Parlamentssitzung wurde kurz unterbrochen.

Eine Gruppe Kraaker hatte im Sitzungssaal auf der Zuschauertribüne Platz genommen, einige Hundert standen draußen auf einem Platz versammelt. Als das generelle Kraak-Verbot angenommen war, protestierten die Kraaker lautstark. Die Vorsitzende schloss die Sitzung kurz. Die Kraaker verließen ohne Umstände den Raum.

Nach dem neuen Gesetz, das zum 1. Januar 2010 in Kraft treten soll, soll das "Kraaken" von Wohnungen und Geschäftsgebäuden viel härter angepackt werden. Hausbesetzungen sind dann strafbar und können mit einem Jahr Gefängnis belegt werden. Wenden Besetzer Gewalt an, kann sich die Haft auf zwei Jahre erhöhen. Maximal zwei Jahre und acht Monate Haft drohen Besetzern, die als Gruppe agieren und dabei Gewalt ausüben.

Bislang sind Hausbesetzungen in den Niederlanden legal, wenn Gebäude mindestens ein Jahr leer stehen. Bei einer ordentlichen Hausbesetzung bringt man Stuhl, Tisch und Matratze mit und meldet sich bei der Polizei. Hauseigentümer können das Objekt räumen lassen, indem sie gegenüber einem Richter Nutzungspläne nachweisen.

Die Rechtspopulisten von Geert Wilders stimmten der Neuregelung erst zu, als die ursprünglich angedachte Strafe von vier Monaten Gefängnis für Hausbesetzungen deutlich erhöht wurde. Die Betroffenen wollen sich jedoch nicht abschrecken lassen. "Kraaken geht weiter", riefen die Hausbesetzer von der Parlamentstribüne. Später kam es zu Festnahmen. Das Kraak-Verbot ist umstritten. Wohnungsnot, lange Wartezeiten für Sozialwohnungen und Leerstand von Gewerbe- und Bürogebäuden sind ein großes Problem in den Niederlanden.

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18 Kommentare

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  • M
    maks

    Dass so ein gesetz kommt wundert mich nicht, trotzdem schade. Das Strafmaß ist, wie andere bereits angedeutet haben, skandalös, und legt auch den Verdacht einer politischen Motivation des Urteils nahe, kommen doch die meisten Hausbesetzer - zumindest in Deutschland - aus dem linksautonomen, antikapitalistischen Spektrum. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass man für das Wohnen in einem leeren Haus u.U. genau so lange ins Gefängnis muss, wie für viel schwerwiegendere Raub-oder Betrugsdelikte oder gar gefährliche Körperverletzung. Das sollten sich diejenigen, die das Gesetz hier beklatschen, mal überlegen. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?

     

    Ich finde Hausbesetzungen legitim, wenn auch nicht um jeden preis. Wem nützen schon leerstehende häuser außer spekulanten? Mit welchem Recht bzw. durch welche produktiven Leistungen abgesehen von Sanierungen machen solche Leute Gewinn? was haben sie dazu beigetragen, dass dieses oder jenes Haus jetzt für ein vielfaches seines vorherigen wertes weggeht, nur weil dieses oder jenes viertel jetzt angesagt ist? Sie sind genauso Nutznießer wie Hausbesetzer, mit dem Unterschied, dass es ersteren immerhin so schlecht nicht gehen kann, wenn sie es sich leisten können, Häuser leer stehen zu lassen ohne selbst drin zu wohnen.

     

    Viele Bewohner_innen von besetzten oder ehemals besetzten Häusern finden in dieser (meist mehr oder weniger gemeinschaftlichen) Lebensform einen Halt, den sie so in unserer Gesellschaft nicht finden und auch in einer normalen Mietwohnung bzw. einem normalen Mietshaus nicht finden können. Besetzte Häuser sind mehr als eine billige Wohnalternative, sie sind sozialer Rückzugsraum für Menschen, die nicht in dieses System passen bzw. das ihnen nicht passt. Solche Rückzugsräume immer mehr zu beschneiden ist zynisch. statt das bedürfnis einiger menschen nach kollektiveren lebensformen anzuerkennen und ihm, wo möglich, entgegenzukommen, werden bald die letzten orte plattgemacht, an denen - zugegeben sehr utopische - ideen für ein anderes zusammen-leben-und-arbeiten entstehen können.

     

    @ Gerda

     

    "Wer weiß, was sich da ohne Meldung für Leute einnisten würden, von Kinder anfixenden Dealern über aufdringliche Sexualspinner und Kranke bis hin zu Al-Quaida-Agenten."

     

    Dem Rest von deinem Kommentar (politische Farbspiele, Sozialbindung von Eigentum) stimme ich zu, aber ich glaube, deine vorstellung von besetzten häusern als hort moralischer verwahrlosung wurde ein wenig zu sehr von einseitiger und sensationalistischer medienberichterstattung geprägt. Ich kenne viele Bewohner ehemals besetzter Häuser (Berlin, jetzt mit Übernahmevertrag) und muss zugeben, dass mir von denen dort, wie überall anders auch, viele Menschen nicht gerade sympathisch sind. Auch dort gibts nicht nur Friede-Freude-Eierkuchen, auch dort gibts Arschlöcher. Auch dort werden die eigenen hehren Ziele nicht immer ernst genommen.

     

    Aber die zitierte Stelle ist ja sowas von vorurteilsbeladen, dass einem übel werden kann.

     

    Ich bin mir sicher, dass von den von dir genannten Extremen keines in einem ("linken") besetzten Haus gedultet würde. Was "Kranke" (AIDS???) in der Aufzählung zu suchen haben, erschließt sich mir allerdings nicht so ganz. Gehören Kranke nicht gerade zu den Menschen, die erhöhten Anspruch auf Schutz durch die Gesellschaft haben?

     

    Drogendealer, Sexualverbrecher, Al-Quaida, AIDS. Das sind die gesellschaftlichen Themen, die den meisten Menschen die meiste Angst machen - und Reporterherzen höher schlagen lassen. Angst als staatliche und wirtschaftliche Erziehungsfunktion: So lange wir AL Quaida & Co als Gegner haben, scheint es nicht nötig, sich mit grundlegenden gesellschaftlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen.

  • AV
    Alexander Voronin

    Von Flint

     

    "Die Politik unserer Nachbarn war wirklich beispielhaft für Europa, und dies in vielerlei Hinsicht!"

     

    Ja deshalb wird die PVV auch die nächsten Jahre hasuhoch gewinne, weil "Die Politik unserer Nachbarn wirklich beispielhaft für Europa war, und dies in vielerlei Hinsicht!"

     

    Nein diese Politik war nicht "beispielhaft", die war einfach nur dumm. Genau wie in Deutschland wurden die Probleme mit den Anhängern einer gewissen Religion, die sich nicht integrieren wollen, einfach verschwiegen. Was ja auch in Deutschland passiert! Und auch in Deutschland wird dieses Problem der Politik um die Ohren fliegen. In ganz Europa, ob in Schweden, Norwegen, Dänemark, in Frankreich und in England und auch in Deutschland gibt es nur Problem mit Anhängern des "Propheten" Mo!!!

     

    Alle anderen Ausländer und Migranten leben mit und neben uns, ohne jegliche Probleme!!

     

    Holland wacht eben früher auf als Deutschland und Dänemark ist schon seit zehn jahren aufgewacht!

     

    Die deutschen Politiker schlafen weiter....

     

    Und das scheint Leuten wie Dir zu gefallen.

     

    Mir nicht!

  • T
    T.F.

    Schade, hoffentlich wird es in zweiter Instanz gekippt... oder von der nächsten Regierung wieder abgeschafft.

  • HS
    Herrn Schmilz

    Auf die Möglichkeit, gesetzgeberische Massnahmen zu ergreifen gegen Spekulantentum und Ökonomismus in der städtischen Wohnungswirtschaft als Möglichkeit die Sozialbindung des Eigentums zu verstärken kommt derzeit wohl kaum eine Regierung ... Bedauerlich.

    Dabei ist doch jede Fläche grundsätzlich falsch bewirtschaftet, die nach dem vormaligen Niederländer Modell (nach Ablauf von zwölf Monaten Leerstand) besetzbar war.

    Das ist wie beim Rechtsüberholen auf unseren Autobahnen.

    In Deutschland herrscht Rechtsfahrgebot (§2 Abs1 StVO).

    Wer unfallfrei rechts überholt werden kann, hat also schon was falsch gemacht.

  • V
    vic

    Der Sinn einer Hausbesetzung ist, eine leerstehende Immobilie temporär zu nutzen. Der Sinn dieses Urteils jedoch, erschließt sich mir nicht.

    Vorher wird marode Bausubstanz staatlich gegen Wohnsitzlose verteidigt, als dass man die "Kraaker" eine Zeitlang drin leben lässt.

    Aus der trockenen Furzmulde lässt sich leicht gegen nasse Mitmenschen agieren.

  • E
    Elvenpath

    An "die regierenden Christdemokraten (CDA) und die ChristenUnie (Calvinisten)":

     

    Die Bibel fordert uns auf: „Seid gastfrei untereinander ohne Murren“ (1. Petr. 4,9)

     

    Jesus hätte mit Freude ein leerstehendes Gebäude einem Bedürftigen zur Verfügung gestellt.

     

     

    So long...

  • D
    DiversityAndEquality

    "Gerda" schrieb:

     

    "Also keine Farbzuordnung, bitte. DAS SIND NUR VORURTEILE."

     

    Einen Absatz später:

     

    "Wer weiß, was sich da ohne Meldung für Leute einnisten würden, von Kinder anfixenden Dealern über aufdringliche Sexualspinner und Kranke bis hin zu Al-Quaida-Agenten."

     

    Wer hat da "Vorurteile"???

     

    PS: Wie wär's mit Kameraüberwachung leerstehender Gebäude, um uns vor der Terrorgefahr durch "Al Quaida" (was soll das sein? Hat mir bis jetzt noch niemand so genau erklären können. Fazit: Allenfalls ein Kampfbegriff zur Etablierung des totalen Überwachungs- und Kontrollstaates!) zu schützen?

  • T
    treba

    für leute wie jürgen purschke gibts von anderen nen fisch, ich bin aber vegetarier, deshalb ists ne möhre:

     

    |//

    |_|

    |_|

    |_|

    V

     

    wir sollten mal versuchen, trolle wie ihn nur noch so zu füttern. vielleicht sind vegetarische trolle weniger aufdringlich.

     

    @topic: die niederlande gleichen sich leider wieder mehr ihren nachbarn an. bin gespannt, wie lange sie noch als das zweitdemokratischte land der welt bezeichnet werden.

  • G
    Gerda

    Seinerzeit war es Momper (SPD), der besetzte Häuser in Berlin räumen ließ, woran die rot-grüne Koalition und seine Karriere zerplatzten. Also keine Farbzuordnung bitte, das sind nur Vorurteile.

     

    Einfach so besetzen geht meiner Meinung nach nicht. Wer weiß, was sich da ohne Meldung für Leute einnisten würden, von Kinder anfixenden Dealern über aufdringliche Sexualspinner und Kranke bis hin zu Al-Quaida-Agenten.

     

    Aber Leerstehenlassen geht schon gar nicht, wegen Sozialbindung von Eigentum.

     

    Da könnten sich die Bürokraten doch mal was ausdenken, wie z.B. Enteignung von Wohnraum bei Missbrauch, worunter längeres Leerstehenlassen ebenso fallen könnte wie Versäumnisse der Renovierung, vorsätzliche Wuchermieten oder Entmietungsterror.

  • N
    nelson

    @Jürgen Purschke:

    wie lange wollen sie hier noch ihr unwesen treiben?

    erregst auf deinen heimischen foren wohl keine aufmerksamkeit mehr?

    @topic: schade.

  • KK
    Klaus Keller

    Gemeinwohlverpflichtung von Eigentum ade´ oder wie ist das zu deuten. Sehr schade.

     

    Ich bin mir nicht sicher das dies jeden pragmatisch denkenden Komunalpolitiker freut, oder genauer die Personen die im sozialen Bereich tätig sind.

     

    Die Städte und Gemeinden haben kein Geld und eine Handhabe weniger Wohnungseigentümer(genauer Spekulaten)unter Druck zu setzen Ihre Wohnungen zu angemessenen Preisen zu vermieten.

     

    Die Duldung erst nach 12 Monaten Leerstand eine Besetzung zu dulden war guter kompromis.

     

    klaus keller hanau

  • R
    R.Koch

    Ich finde so ein Gesetz in Ordnung wenn die Rahmenbedingungen stimmen, d.h. es muß vermieden werden, daß Wohnraum nur zu Spekulationszwecken leer steht.

    Es darf einfach nicht sein, daß sich jemand einfach eine ihm nicht gehörende Wohnung "unter den Nagel reißt" bloß weil es ihm so passt.

    Ich bin selbst Wohnungseigentümer, und war früher Hausbesetzer.

  • MQ
    Michael Q

    "Mit Hilfe der Stimmen der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit (PVV) des Islamgegners Geert Wilders setzte die Regierungskoalition aus Christ- und Sozialdemokraten ein Gesetz durch, dass Hausbesetzern Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren und acht Monaten androht."

     

    Das soll doch gleich wieder suggerieren. "Die böse PVV, schaut was die mit den lieben alternativen, guten Hausbesetzern macht"

     

    Genauso gut hätte die Überschrift heißen können "Mit Hilfe der Stimmen Sozialdemokraten........."

    Aber Sozialdemokraten tun ja so etwas nicht

  • T
    Tommy

    @ Jürgen Purschke: ganz genau, warum sollten leerstehende Häuser auch von Menschen genutzt werden dürfen - völlig absurd ! Wenn ganze Stadtteile leerstehen und zerfallen, aber viele Menschen keine Obdacht besitzten ist das noch lange kein Grund diesen "Assis" ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Häuser den Spekulanten, nicht den Menschen !!!!

  • H
    hermit

    super die holländer - auch in vielen anderen belangen ....

  • J
    Jonas

    Die niederländische Integrationspolitik zum Beispiel ist allerdings nicht ganz so toll, wie ihr Ruf. Über lange Zeit wurden Migrationshintergründe bei Verbrechen blos nicht erfasst/publik gemacht. Aber die Grundausrichtung der politik war wirklich sehr aufgeschlossen, das stimmt.

     

    Populistische Parteien sind aber mit Sicherheit für kein Land erstrebenswert, siehe Die Linke. Viel heiße Luft, aber 0 Programm. Solche Parteien sind blos auf Profilierung aus und sollten sie wirklich mal an die Macht kommen, werden das bittere Jahre für das Land.

  • F
    Flint

    Genau eben nicht! Es ist bedauerlich, daß sich unsere Niederländischen Nachbarn für solch eine Regierung entschieden haben...

    Die Politik unserer Nachbarn war wirklich beispielhaft für Europa, und dies in vielerlei Hinsicht!

    Schade, daß nun solch ernüchternde, einen deutlichen Rückschritt bemerkbar machende Gesetze erlassen werden...

  • JP
    Jürgen Purschke

    Peinlich, dass man so lange gebraucht hat, bis man Rechtsstaatlichkeit in den NL durchsetzen konnte, es zeigt sich, dass Parteien wie die PVV dringend notwendig in Europa sind, ich hoffe wir bekommen bald auch eine deutsche PVV.