Hausangestellte in Katar: Private Sklavenhaltung
17-Stunden-Tage sind normal. Amnesty International berichtet von katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen Hausangestellter in Katar.
BERLIN taz | Weibliche Hausangestellte aus dem Ausland werden in Katar oft auf schlimmste Weise ausgebeutet. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) an diesem Mittwoch veröffentlicht. Von AI interviewte Hausangestellte, die meisten aus südostasiatischen Ländern, berichten über extreme Arbeitszeiten, schlechtere Bezahlung als versprochen, ungenügendes Essen und vor allem: vollkommene Rechtlosigkeit.
Genaue Angaben über die Zahl der aktuell in Katar arbeitenden Ausländerinnen gibt es nicht. Bei der letzten Volkszählung 2010 waren rund 84.000 Ausländerinnen bei katarischen Familien beschäftigt. In aller Regel werden sie über katarische Rekrutierungsfirmen und deren Büros in den Anwerbeländern nach Katar gebracht.
Laut Gesetzeslage in Katar brauchen arbeitswillige AusländerInnen einen „Sponsor“ – bei Hausangestellten ist das in der Regel derjenige, bei dem sie auch arbeiten. Und: Ohne ausdrückliche Einwilligung des Sponsors dürfen die Frauen in Katar weder den Arbeitgeber wechseln noch das Land verlassen.
In der Regel unterzeichnen die Frauen in den Anwerbeländern einen Vertrag: Meist wird ihnen ein Monatslohn von rund 400 US-Dollar bei acht Stunden täglicher Arbeitszeit, freier Kost und Logis und einem freien Wochentag zugesichert. Entweder schon beim Besteigen des Flugzeuges oder aber bei der Ankunft in Katar gibt es dann jedoch plötzlich einen neuen Vertrag, mitunter nur auf Arabisch – und der sieht dann eine weit niedrigere Bezahlung und weitaus mehr Arbeitsstunden vor.
Viele der von AI befragten Frauen arbeiten für Familien mit vielen Kindern, müssen sich gleichzeitig um die Kinder kümmern, kochen, waschen und putzen und kommen auf Arbeitstage von vier Uhr morgens bis 22 Uhr abends oder später.
Gefahr der Deportation
Schon im Flugzeug werden ihnen ihre Handys abgenommen, nach der Ankunft ihre Pässe. Viele dürfen das Haus nicht verlassen und haben keinerlei Möglichkeit, rechtlich gegen ihre Arbeitgeber vorzugehen – zumal die katarischen Arbeitsschutzgesetze für ausländische Arbeitskräfte im „Sponsoren“-System grundsätzlich nicht gelten. Versuchen sie es dennoch, laufen sie Gefahr, sofort deportiert zu werden. AI ist kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem sich eine Hausangestellte erfolgreich über schlechte Arbeitsbedingungen oder ausbleibende Bezahlung beschwert hat.
Auch gewalttätigen und sexuellen Übergriffen sind Hausangestellte immer wieder ausgesetzt. Was von den Vereinten Nationen seit Jahren als globales Problem von Hausangestellten erkannt ist, hat in Katar aufgrund der Rechtlosigkeit und der Isolation der Hausangestellten noch eine besondere Schärfe. Dazu kommt: Hausangestellte werden auch gesellschaftlich und öffentlich diskriminiert – eine Anzeige wegen Vergewaltigung könnte ihnen selbst eine Verurteilung wegen einer unehelichen Beziehung einbringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich