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Hatte die Ehre

Der Ingolstädter Verleger Wilhelm Reissmüller war ein Nazi – und bis vor wenigen Tagen noch Ehrenbürger von Ingolstadt. Besuch in einer Stadt, die sich mit ihrer Vergangenheit schwertut

Wilhelm Reissmüller (hinten links) als Oberleutnant im Nordkaukasus, um 1941 Foto: akg-images/picture alliance

Aus Ingolstadt Dominik Baur

Am Ende hatte Wilhelm Reissmüller noch genau einen Fürsprecher. Als es am Dienstag der vergangenen Woche in der Sitzung des Stadtrats unter Tagesordnungspunkt 7 um die Aberkennung von Reissmüllers Ehrenbürgerwürde wegen seiner zeitlebens vertuschten Nazi-Vergangenheit ging, sprang nur noch Altbürgermeister Sepp Mißlbeck dem 1993 verstorbenen Verleger des Donaukuriers zur Seite: Man dürfe Reissmüller nicht posthum an den Pranger stellen. Der Mann werde von einer jungen Generation, die ihn gar nicht gekannt habe, posthum verurteilt. Dabei habe er sich doch nach dem Krieg verdient gemacht: Man denke an die Spendenaktion „Vorweihnacht der guten Herzen“. Oder an sein Engagement für „Essen auf Rädern“, und die Lebenshilfe. Der Stadtrat von der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) plädierte dafür, die Entscheidung zu vertagen, bis in ein paar Jahren ein beim Institut für Zeitgeschichte in Auftrag gegebenes Gutachten über Reissmüllers Vergangenheit vorliege.

Doch damit kam der Ex-Bürgermeister nicht durch: „Ist es möglich, Taten mit anderen Taten aufzuwiegen?“, fragte der Sozialdemokrat Manfred Schuhmann im Plenum, der als einziger schon dabei war, als der Stadtrat 1976 die Ehrenbürgerwürde für Reissmüller beschlossen hatte. Schuhmann stimmte damals dagegen. CSU-Frau Stephanie Kürten kritisierte, dann könne man ja gleich Hitlers Verbrechen mit dem Bau der Autobahnen relativieren. Und Schuhmanns Parteifreund Hans-Joachim Werner sagte: „Wir können doch nicht einem aktiven Nationalsozialisten, der nicht nur ein Mitläufer war, die Ehrenwürde belassen.“

Mit einer Gegenstimme votierten die Stadtverordneten am späten Nachmittag schließlich für den Antrag der Fraktionen von Grünen, Linken, SPD, UWG und ÖDP. Man entzog Reissmüller posthum seine Ehrenbürgerwürde – und ging hernach zu Tagesordnungspunkt 8 über: „Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 617 ‚Unterhaunstadt – Südlich Hochweg‘“. Dass der Stadtrat zu einer Einigung kam, die dann auch noch so eindeutig ausfiel, war für viele durchaus eine Überraschung. Vor allem deshalb, weil die Fraktionen von CSU, Freien Wählern, FDP und AfD, die gemeinsam eine Mehrheit der Sitze haben, im Vorfeld zunächst gegen den Antrag waren und besagtes Gutachten abwarten wollten.

Nicht, dass die Faktenlage uneindeutig wäre: Spätestens seit der aus Ingolstadt stammende Journalist Thomas Schuler die Promotionsakte und die Studienkarte Reissmüllers im Archiv der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität gefunden und im vergangenen Herbst in der Aufsatzsammlung „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer (Band 17)“ veröffentlicht hatte, gab es keine Zweifel daran, dass Reissmüller nicht nur über seine NS-Mitgliedschaft gelogen hatte. Er war zudem ein höchst engagierter Nazi, der nach dem Krieg wohl nie zu einer Lizenz für den Donau­kurier gelangt wäre, wenn die amerikanischen Besatzer seine Vergangenheit näher unter die Lupe genommen hätten.

Schuler hatte belegt, dass Reissmüller nicht nur bereits seit 1933 dem NS-Studentenbund angehörte, sondern auch der SA und der SS. Er war Mitgründer und Chefredakteur der nationalsozialistischen Münchner Studentenzeitung und engagierte sich im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Ab 1936 leitete er für seinen Schwiegervater Ludwig Liebl, der Hitler einen persönlichen Freund nannte, dessen Verlag, der den Donauboten, eine lokale NS-Hetzschrift, herausbrachte. Die taz berichtete.

Dass sich der Stadtrat nun doch eindeutig positionierte, könnte damit zusammenhängen, dass die Debatte über die Causa Reissmüller erstmals nicht hinter verschlossenen Türen stattfand. Schuler hatte durch die Regierung von Oberbayern prüfen lassen, ob die fortwährende nicht­öffentliche Beratung des Themenkomplexes rechtens sei. Und so bewirkte er, dass sich das Stadtratsplenum mit der Sache zu befassen hatte, in aller Öffentlichkeit. Die Sitzung wurde sogar im Internet gestreamt. „Dieser öffentliche Druck war natürlich total wichtig und zielführend“, meint nun auch Stadträtin Agnes Krumwiede von den Grünen. „Jetzt konnte sich eigentlich niemand mehr die Blöße geben und die Fakten ignorieren.“ Irgendwie seien denn auch am Ende alle Stadträte einfach erleichtert gewesen, glaubt Krummwiede.

Das gilt wohl erst recht für die Opfer Reissmüllers. „Die Aberkennung ist auch eine Anerkennung für die vielen Menschen, die es schon immer gewusst oder geahnt haben, dass er gelogen hat“, hatte Krumwiede in der Stadtratssitzung gesagt. „Leuten, denen das Leben hinterher so schwer gemacht wurde, dass man sie wirklich als Geschädigte bezeichnen kann.“

Leute wie Gerhard Reichert. Er war einer von denen, die der Verleger in den Siebzigern und Achtzigern vor Gericht gezerrt hat, weil sie auf seine NS-Mitgliedschaft hingewiesen hatten. Die Schülerunion der CSU diffamierte Reichert damals in ihrer Zeitschrift als „Lügenbaron von Ingolstadt“. Auch Gerd Bauz, der eine Broschüre verantwortete, in der dargelegt wurde, wie Reissmüller die Vergangenheit seiner Zeitung schönte, landete vor Gericht. Und als Reichert in einer Schülerzeitung über Reissmüllers Vergangenheit schrieb, erwirkte dieser sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen dessen Lehrer.

Aber dann waren da auch die anderen, die, die Reissmüller nicht bekämpft hat – sondern totgeschwiegen. Was bei einem Zeitungsmonopolisten mitunter genauso schlimm sein kann. Und damit wäre man schon mitten drin im Esszimmer von Barbara und Michael Schölß, wo das Ehepaar sechs Tage nach der Stadtratsentscheidung Kaffee reicht. Es ist erstaunlich, was in das kleine Zimmer neben dem Esstisch noch so alles passt: ein Klavier, ein Schreibtisch, sich stapelnde Bücher und jede Menge Bilder.

Er habe sich über die Entscheidung gefreut, sagt Michael Schölß. „Ich habe mir gedacht, wenn das der Vater noch erlebt hätte.“ Der Vater, das war Alois Schölß, Jahrgang 1905, ein vielseitiger Maler. Er war ein guter Zeichner, Porträtist und Landschaftsmaler, stark vom Bauhaus inspiriert. Schölß hatte eine intensive expressionistische Phase und war Begründer einer eigenen Farblehre, er wurde mit Johannes Itten verglichen und mit Piet Mondrian. Schölß gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Ingolstädter Kunstszene seiner Zeit. Und doch war er – unsichtbar.

So zumindest fühlte er sich, und das hatte, davon war er überzeugt, mit der Familie Liebl-Reiss­müller zu tun. Vor allem an zwei Begebenheiten, von denen sein Vater immer wieder erzählte, erinnert sich der Sohn. Die erste trug sich noch in den 30er Jahren zu. Da kam der väterlichen Erzählung nach Ludwig Liebl auf den damals aufstrebenden Künstler Schölß zu: Er wollte ihm Aufträge geben, als Mäzen des jungen Malers in Erscheinung treten. Was für eine Art von Kunst dem überzeugten Nazi vorschwebte, ahnte Schölß wohl. Er lehnte ab. Nie, so sagte er später seinen Kindern, hätte er „für den“ gearbeitet. Was er genau zu Liebl sagte, weiß sein Sohn nicht. Dass er sich damit bei Liebl jedenfalls nicht beliebt machte, darf man vermuten. „Er hat oft gesagt“, erzählt jetzt sein Sohn, „dass das für ihn sehr karrierestörend war.“

Die andere Sache hatte bereits direkt mit Liebls Schwiegersohn Wilhelm Reissmüller zu tun. In den 50ern soll der sich angeschickt haben, Vorsitzender des Kunstvereins zu werden. Schölß, damals Schriftführer, und ein paar Gleichgesinnte sagten: Dann treten wir aus. Reissmüller bekam den Vorsitz nicht. Der Künstler Schölß fand daraufhin in der einzigen Zeitung der Stadt nicht mehr statt. Während über die Arbeit der anderen geschrieben wurde, war er praktisch von der Bildfläche verschwunden. „Es hat ihn irre getroffen, dass er nirgends erwähnt, nicht anerkannt wurde“, erinnert sich Schwiegertochter Barbara Schölß.

Würde los

Unehrenbürger Eigentlich gibt es in Ingolstadt nur lebende Ehrenbürger – so wie den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, dem die Würde 2022 zuteil wurde. Denn die Ehrenbürgerwürde erlischt automatisch mit dem Tod des Geehrten. Somit ist ihre posthume Aberkennung ein lediglich symbolischer, aber deshalb nicht weniger wichtiger Akt. Wilhelm Reissmüller ist nicht der erste Ingolstädter, dem die Ehrenbürgerwürde aberkannt wurde. 2022 wurde nach langwierigen internen Debatten auch vier anderen Nazis die Ehre entzogen: Adolf Hitler, Reissmüllers Schwiegervater Ludwig Liebl und den Kommunalpolitikern Josef Listl und Georg Friedrich Schott.

Problemstraßen Grüne, SPD und Linke fordern indes auch, mindestens drei Straßen in Ingolstadt umzubenennen oder zumindest mit Hinweistafeln unter den Straßenschildern zu versehen: So gibt es hier neben einer Hindenburgstraße auch zwei Straßen, die nach den Jagdfliegern Werner Mölders und Ernst Udet, beides Nazis, benannt sind.

In den 70ern kam der Künstler dann einmal heim und erzählte der Familie: „Stellt euch vor, diese Liste gibt es tatsächlich, und da steh ich drauf.“ Gemeint war eine schwarze Liste des Donaukuriers, auf der die unliebsamen Ingolstädter standen – die, über die nicht berichtet werden sollte. Ein Teilnehmer eines seiner Malkurse an der VHS habe es ihm bestätigt, der war Redakteur beim Donaukurier.

„Jeder wusste, dass der Reissmüller schwarze Listen führt“, sagt auch Grünen-Politikerin Krumwiede. Sicher, nachweisen habe man es ihm nicht können. „Aber ich bin überzeugt, dass da was dran ist.“

Natürlich ist es heikel, Schölß als Opfer Reissmüllers zu bezeichnen. Niemand wechselte die Straßenseite, wenn er den Künstler sah, er war ein weithin geschätztes Mitglied der Gesellschaft, lehrte Jahrzehnte an der Volkshochschule. Die Familie geriet nicht in finanzielle Nöte. Schölß bekam auch Aufträge – etwa für die Gestaltung von Schulgebäuden oder auch einer Aussegnungshalle. Nie aber bekam er Aufträge von der Stadt Ingolstadt. Wenn es öffentliche Aufträge waren, dann kamen sie aus dem Landkreis. Aufträge der Stadt bekamen immer nur die Kollegen.

Marieluise Fleißer, die bekannte Ingolstädter Schriftstellerin und eine Freundin der Familie, habe sich dann mal bei der Stadt für den Schwiegervater eingesetzt, vielleicht auch bei Reissmüller persönlich, erzählt Barbara Schölß. Doch ohne Erfolg. Und ihr Mann ergänzt: Der frühere Oberbürgermeister Peter Schnell habe ihm später erzählt, wie das lief zwischen Stadt und Verleger: „Die haben bei der Stadt schon sehr vorsichtig agieren müssen, weil sonst die Zeitung sich sofort eingeklinkt hätte.“

1980 erschien dann zum ersten Mal etwas zu Alois Schölß im Donaukurier. Ein Bild, und ein paar Zeilen dazu. Es war eine Meldung zu seinem 75. Geburtstag.

Dass die Debatte erstmals öffentlich geführt wurde, erhöhte den Druck auf die Stadverordneten, sich zu positionieren

Vieles in den Erzählungen der Nachgeborenen bleibt im Vagen, beruht auf nicht überprüfbaren Behauptungen. Für manches hätte es auch andere Erklärungen geben können als die, dass Reissmüller seinen Einfluss gegen Schölß gelten machte: zum Beispiel die, dass Kollegen sich schlicht emsiger ins Geschäft brachten oder einfach nur mehr dem Geschmack der damaligen städtischen Entscheidungsträger entsprachen. Auch der Prophet, der im eigenen Land nichts gilt, ist nicht umsonst sprichwörtlich.

Die Schriftstellerin Fleißer war lange Zeit selbst eine solche Prophetin in Ingolstadt. Erst spät, als sie im übrigen Land berühmt geworden war, hofierte man sie auch in der Heimat. Ohnehin gibt es kein Recht auf Berichterstattung über die eigene Person, und die subjektive Wahrnehmung von Betroffenen gebietet immer auch gewisses Maß an Skepsis. Und doch: Die Gesamterzählung passt ergibt ein Bild.

Es ist das Bild einer von einem Mann kontrollierten Stadt, den sie dort oft nur den „lieben Gott“ nannten, ob nun spöttisch oder ehrfürchtig gemeint. Ein Mann, der sich – befragt für eine Studie Münchner Kommunikationswissenschaftler – beispielsweise selbst damit brüstete, den CSU-Mann Josef Listl ins Amt des Oberbürgermeisters gehievt zu haben. Einen Politiker übrigens, der auch schon als NSDAP-Mitglied Oberbürgermeister war.

Für eine Studie nach den „zehn wichtigsten Personen“ der Stadt befragt, nannten einem Spiegel-Artikel von 1978 zufolge 60 repräsentativ ausgewählte Ingolstädter ausnahmslos Reissmüller an erster Stelle, den „ungekrönten König“ der Stadt. Einer habe kommentiert: „Wenn Sie nach den zehn einflussreichsten Leuten fragen, müssen Sie zehnmal Reissmüller schreiben.“ Ehemalige Redakteure des Donaukuriers, heißt es dann noch, hätten bestätigt: „Wenn in Ingolstadt eine Person der Öffentlichkeit von Reissmüller nicht mehr unterstützt wird, muss sie verschwinden.“

Reissmüller mag nicht bei allen Ingolstädtern beliebt gewesen sein, aber bei den meisten zumindest, so scheint es, gefürchtet. „Es war die Aura der Macht, die ihn umgeben hat“, sagt Agnes Krumwiede. Die Politikerin ist auch Pianistin und erinnert sich an eines ihrer ersten Konzerte, das sie – damals noch Kind – gegeben hat. „Da hieß es plötzlich: Der Reissmüller ist da. Das ist der wichtigste Mann in Ingolstadt. Und ich weiß noch, dass ich solche Angst hatte.“

Die Künstlerkarriere von Michael Schölß’ Vater wurde wohl von Reissmüller verhindert. Nun widmen er und seine Frau dem Vater eine Ausstellung Foto: Dominik Baur

Die Angst ist heute Vergangenheit, doch der Umgang mit der Vergangenheit fällt den Ingolstädtern noch immer schwer. Sie habe den Eindruck, erzählt Krumwiede, viele dächten nun: „Gut, jetzt haben wir die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Damit ist das Thema gelaufen.“ Doch eigentlich müsse doch jetzt gerade die öffentliche Diskussion beginnen. Sehr verstörend habe sie gefunden, dass sie beispielsweise von der CSU kein einziges inhaltliches Wort in der Stadtratssitzung gehört habe. Es sei noch immer so, dass man von einigen als eine Art Nestbeschmutzer wahrgenommen werde, wenn man Fragen zur Vergangenheit stelle, wenn man etwa wissen wolle, wie das nun eigentlich mit dem Herrn Reissmüller gewesen sei.

Wenn man Leuten wie Krumwiede zuhört, fühlt man sich ein bisschen an Anna Rosmus aus Passau erinnert, deren Geschichte Michael Verhoeven in „Das schreckliche Mädchen“ verfilmt hat. Rosmus hatte für einen Schülerwettbewerb zur NS-Vergangenheit ihrer Heimatstadt recherchiert und sich im Anschluss massiven Anfeindungen ausgesetzt gesehen. Nur: Das war vor über 40 Jahren.

Thomas Schuler wiederum muss an das Buch „Opa war kein Nazi“ denken, eine Studie über den Nationalsozialismus im Familiengedächtnis. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis: In sehr vielen Familien ist man der Meinung, die Nazis seien andere gewesen, in der eigenen Familie gebe es allenfalls Mitläufer. Schuler sieht eine Parallele zum NS-Gedenken auf kommunaler Ebene. Dort finde „ein Mix aus Gedenken und Verdrängen“ statt. Jüdische Opfer des Nationalsozialismus würden zwar geehrt und ihre Nachfahren gerne eingeladen. Die Verbrechen der Nazis aber würden überregionalen beziehungsweise ortsfremden Nazis zugeschrieben, während die Einheimischen entschuldigt und fragwürdige Persilscheine in den Entnazifizierungsverfahren als reine Wahrheit gehandelt würden.

Jüdische Opfer des Nationalsozialismus würden zwar geehrt, sagt der Journalist Thomas Schuler. Aber die einheimischen Nazis zugleich entschuldigt

Dieser Wahrnehmung etwas entgegenzustellen, darum geht es Schuler bei seinen Recherchen zur NS-Vergangenheit Ingolstadts. „Die Ehrenbürgerschaft und die Aberkennung sind mir egal“, sagt der Journalist. „Aber sie sind das Mittel, um die Verdrängung und Verdrehung zu zeigen und die Geschichte zu korrigieren beziehungsweise die Wahrnehmung der Geschichte.“

Michael Schölß wohnt mit seiner Frau noch in dem Haus, in dem auch sein Vater vor über 100 Jahren aufgewachsen ist. Ein großzügiges Anwesen im Norden der Stadt, alles ist schön eingewachsen, es hat etwas Verwunschenes. Schölß führt kurz rüber in das Atelier, das sein Vater in den 50er Jahren in den Garten hat bauen lassen. Hier bereitet die Familie gerade die Werke für eine Ausstellung vor, die am Samstag im schwäbischen Gempfing eröffnet – mit Bildern von Alois Schölß, aber auch von Michael und Barbara Schölß, ihren Töchtern, dem Neffen. Fast alle in der Familie sind Künstler. Es ist eine Ausstellung zum 120. Geburtstag von Alois Schölß: „Antworten auf Alois“.

Michael Schölß zeigt auf eine Zigarettenschachtel, die auf einem Tisch des Ateliers liegt. Beim Sichten der Kunstwerke des Vaters haben sie sie gefunden: Mokri ohne Filter, eine der Marken, die er rauchte. Auf diese Schachtel hat Alois Schölß ein Ovid-Zitat notiert: „Wer gut verborgen war, hat gut gelebt.“ Der Sohn lacht.

Alois Schölß starb 1986. Er liegt auf dem Ingolstädter Westfriedhof begraben. Wie Marielui­se Fleißer. Und Wilhelm Reissmüller.

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