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Hat der Staatsanwalt Rachegelüste?

■ Trotz Auflösung der Politischen Abteilung führt ein ehemaliger P-Staatsanwalt einen Prozeß weiter

Moabit. Obwohl die berüchtigte Politische Abteilung der Staatsanwaltschaft aufgelöst worden ist, sind sie manchmal noch in alter Manier tätig - die ehemaligen P-Staatsanwälte. In einem Berufungsprozeß wollte der mittlerweile versetzte Staatsanwalt Rolfsmeyer gestern eine bereits verhängte Geldstrafe für die Angeklagte Kornelia G. auf sieben Monate Bewährungsstrafe erhöhen. Die 35jährige hatte vor zweieinhalb Jahren auf einer Veranstaltung Polizeipräsident Georg Schertz mit Farbeiern beworfen und war wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 5.100 DM verurteilt worden.

Obwohl Schertz kein Interesse an einer härteren Bestrafung gezeigt hatte, genügte Rolfsmeyer (damals P-Staatsanwalt) die Strafe offenbar nicht. Merkwürdigerweise vertrat gestern Rolfsmeyer die Staatsanwaltschaft erneut; eigentlich sei ein anderer Staatsanwalt vorgesehen gewesen, berichtete Kornelia G.s Anwalt Christian Ströbele. Seinen Informationen zufolge habe dieser aber kein Interesse an einer Strafverschärfung gehabt. Ohne Rolfsmeyer wäre es gestern zu keinem erneuten Prozeß gekommen, so Ströbele.

Schertz hatte schon damals seine Anzeige wegen Sachbeschädigung zurückgezogen, weil seine Frau den bespritzten Anzug, das Beweismittel, weggeworfen hatte. Bei den Eierwürfen wurden nicht nur Schertz‘ Haar, sondern auch sein Dienstwagen und die Uniform eines Polizisten bunt. Kornelia G. äußerte sich gestern nicht zu den Vorwürfen.

Die 15. Strafkammer, die für besonders scharfe Strafen bekannt ist, folgte überraschenderweise dem Antrag von Rolfsmeyer nicht. Die Geldstrafe der ersten Instanz wurde sogar um 600 DM gemindert. Die Verfahrenskosten muß sich Kornelia G. aber mit der Gerichtskasse teilen.

Dirk Wildt

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