Hassposts gegen Linken-Abgeordnete: „Das wurde gezielt losgetreten“
Die Berliner Linken-Abgeordnete Anne Helm erlebt einen Shitstorm von Rechten. Ausgelöst wurde er von einem Facebook-Post der AfD-Landesvorsitzenden Storch.
taz: Frau Helm, Drohungen von Rechten sind für Sie nichts Neues – was ist beim aktuellen Shitstorm anders?
Anne Helm: Anders ist, dass diesmal ziemlich eindeutig ist, wo das herkommt.
Woher denn?
Auslöser war ein Facebook-Post der Berliner AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch vom Montag. Ich habe daraufhin so viele Nachrichten in so kurzer Zeit bekommen, dass ich mir schon dachte, dass da jemand gezielt etwas losgetreten hat, um solch einen Shitstorm auszulösen.
Was wird denn geschrieben?
Etwa, dass jemand, der einen Massenmord gefeiert habe, jetzt das Volk vertreten solle. Und abfällige Kommentare über meinen Körper.
30, war von 2011 bis 2016 Neuköllner Bezirksverordnete, bis 2014 als Piratin. Anfang 2016 ging sie zur Linkspartei, seit der Wahl am 18. September ist sie Mitglied des Abgeordnetenhauses.
Das bezieht sich auf Ihre Aktion in Dresden vor zweieinhalb Jahren, als Sie mit nacktem Oberkörper dem britischen Piloten Arthur Harris für die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg dankten. Aber was ist denn der Hintergrund für den aktuellen Shitstorm?
Der hängt wohl damit zusammen, dass ich jetzt Abgeordnete im Berliner Landesparlament bin. Und dass ich am Montag die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen für den Bereich Frauen und Gleichstellung vorgetragen habe. Jedenfalls beziehen sich darauf auch viele der aktuellen Drohungen gegen mich.
Welchen Inhalt haben die denn?
Viele gehen eindeutig in Richtung Sexismus oder gegen mich als Feministin, oft auch mit Rassismus vermischt: „Die gehört mal richtig schön kulturbereichert“, oder „Titten-Anne kämpft gegen Sexismus“.
Wie reagieren Sie darauf?
Ich mache meine Arbeit weiter. Es fällt mir leicht, mich davon nicht einschüchtern zu lassen.
Wollen Sie Anzeigen erstatten?
Wo es um Morddrohungen geht oder etwas klar rassistisch oder sexistisch ist, werde ich juristisch dagegen vorgehen. Das ist mühsam, da man dafür tatsächlich alles durchgehen muss. Aber es ist uns als Linke und auch der Koalition insgesamt ein politisches Anliegen, gegen so etwas vorzugehen.
Leser*innenkommentare
Kapiert
Wer Massenmördern dankt, gehört nicht in ein politisches Amt. Das kann man auch ganz ohne Beleidigungen klarstellen.
Ansgar Reb
Man muss in einem Staat auch provozieren dürfen. Wir brauchen sogar mehr Provokateure ohne Mimosigkeit. Ja, Bomber Harris mag geschmacklos sein, aber so what, was tangiert mich das?
Jetzt kriegen wir die schlechteste der Welten. Mimosige provozierte, und von ihnen provozierte Mimosen.
Nicolai P.
Wie lässt sich eigentlich „Thanks Bomber Harris“ mit dem Credo der Linken vereinbaren, dass militärische Interventionen grundsätzlich abzulehnen sind? Ist sie nicht irgendwie wieder in der falschen Partei?
Wurstprofessor
Ich habe mich geopfert und das recherchiert: egal, wie man nun zu diesen Bomber Harris-Sprüchen stehen mag, abfällige Kommentare über Frau Helms Körper sind absolut nicht angebracht - oder wie man neuerdings wohl sagt, "postfaktisch".
Co-Bold
Die Piraten mit ihrer damaligen Aktion endgültig in der Bedeutungslosigkeit versenkt und dann die Partei gewechselt. Chapeau! Karriere-Politiker ohne Rückgrat gibt es in allen Parteien schon genug!
Wusste ich noch gar nicht, dass die Linke sie aufgenommen hat und ich muss sagen, dass ich ehrlich enttäuscht bin. -.-
V. Ohneland
@Co-Bold Ja, klar, denn wenn man einmal in der "falschen" Partei war, sollte man danach selbstverständlich lebenslang politisch abstinent bleiben. Zudem ja das Berliner Abgeordnetehaus bekannt dafür ist, ein Top-Sprungbrett für PolitikerInnen zu sein.
Co-Bold
Sie war meiner Ansicht nach in der richtigen Partei, hat diese aber entscheidend mit zugrunde gerichtet. Sie ist mMn durch Bekanntwerden der "Bomber Harris"-Aktion und der Rückgratlosigkeit, auf Ihrem (vor der Aktion) aussichtsreichen Listenplatz für die Europa-Wahl zu beharren, hauptverantwortlich für das desaströse Abschneiden der Piraten (1 Sitz statt 3-4 wie zuvor prognostiziert).
Selbstverständlich ist aber auch der Parteivorstand mitschuldig, der dies zugelassen hat.
Dass sie es nun in einer anderen Partei versucht, kann ich ihr nicht verdenken. Der Mensch greift nunmal danach, was sich ihm bietet. Deshalb ging meine Kritik auch hauptsächlich an die Linke.
V. Ohneland
Ja, kann ich soweit nachvollziehen, die Aktion fand ich auch alles andere als gelungen.
Aber Ihr voriger Kommentar ärgert mich: Wie sollen Menschen in unserem Staat denn Politik machen, wenn den in der Politik Aktiven beständig der pauschale Vorwurf gemacht wird, sie seien nur auf Karriere aus etc.? Ich würde mir mehr sachliche Auseinandersetzungen wünschen und weniger generelle Polemik jenen gegenüber, die nicht meckernd daneben stehen, sondern zumindest versuchen, Politik zu gestalten. Die sind doch schon genug gestraft, dass sie das in so seltsamen Gebilden wie Parteien tun müssen ;)
Co-Bold
Ja, OK. Sie stören sich an Zeile 3, Posting 1... Da war ich etwas zu generalisierend , geb ich zu ;-)
Politiker sein ist kein Zuckerschlecken. Und ein großer Teil versucht tatsächlich sein Bestes. Es gibt nur leider auch viele Gegenbeispiele, gehäuft anzutreffen in einer sogenannten "bayrschen Schwesterpartei" und bei sonstigen Blauen.