Hass statt Beileid: Robin Williams und die 71 Rosinen
Der am Montag verstorbene Schauspieler hat vor Jahren Witze über Religion gemacht. Diese führen jetzt zu bösen Kommentaren.
BERLIN taz | Während sich Fans und Prominente wie Steven Spielberg, Pink und sogar Barack Obama bestürzt über den Tod des Schauspielers und Komödianten äußerten und im Netz öffentlich trauerten, kamen aus einer anderen Ecke Hasstiraden gegen Robin Williams.
Grund dafür war ein Auftritt am Broadway im Jahr 2002, in dem Williams Witze über den Dschihad und islamische Vorstellungen vom Paradies gemacht hatte. Er hatte die Verheißung von 71 Jungfrauen, die im Paradies Märtyrer empfangen, verhöhnt, diese als einen Übersetzerfehler bezeichnet und sich gefragt, ob es sich dabei nicht eigentlich um 71 kristallklare Rosinen handle.
Empfohlener externer Inhalt
Mit diesen zwölf Jahre alten Scherzen brachte Williams einige Muslime gegen sich auf. Unter dem Youtube-Video, in dem der besagte Ausschnitt aus seiner Live-Performance zu sehen ist, häuften sich nach dem Bekanntwerden seines Todes Kommentare, die den Schauspieler verteufelten: „Brenne im tiefen Höllenfeuer, jetzt siehst du die Wahrheit.“, „R.I. Hell“, „Fahr zur Hölle, amerikanisches Schwein! Robin Williams ist ein Bastard und Feind Gottes!!“.
Auch bei Twitter mischten sich Hass-Tweets unter die Beileidsbekundungen: „An diejenigen von euch, die #Robbin Williams RIP wünschen: Passt auf, was er über den Islam gesagt hat. Möge Allah ihn brennen lassen“, schrieb beispielsweise ein User namens Abdullah. Der Nutzer Othma Nation äußerte sich außerdem antisemitisch: „Brenne in der Hölle, du zionistischer Unterstützer von Kindermördern!“
Unter einen Nachruf auf Williams im Nachrichtenportal Zeit Online schmiss ein Kommentator mit ähnlich hetzerischen Kommentaren wie: „Du bist ein dummer Judenhuldiger und Ami-Bückling. Du bist der deutschlandhassende Antigermane, Jesus-Leugner und freiwilliger Scherge der Judeninquisition“, um sich.
„Ehrenjude“
Williams selbst, Sohn christlicher Eltern, hatte sich laut Times Of Israel als „Ehrenjuden“ bezeichnet. Beim Jahresbankett der USC Survivors of the Shoah Visual History Foundation hatte er die Rolle des Entertainers übernommen. Jüdische und israelische Zeitungen lobten in ihren Nachrufen Williams Nachahmung des jiddischen Akzents. Häufig habe er bei seinen Sketchen eine ältere jüdische Dame oder einen Rabbi gemimt.
Dabei hatte er sich auch über jüdische Klischees lustig gemacht. „Natürlich war Jesus ein Jude. 30 Jahre alt, Single, wohnt zu Hause bei seinen Eltern, come on.“ Über derartige Witze waren aber eher konservative Christen als Juden erbost. Die schwulenfeindliche Westboro Baptist Church kommentierte Williams' Suizid mit den Worten: „Offensichtlich hasst Gott Robin Williams und er ist in der Hölle“.
Wer weiß, ob Williams, anstatt in der Hölle zu schmoren, nicht doch gerade dabei ist, das Rätsel, ob im Paradies nun 71 Jungfrauen oder doch Rosinen warten, zu lösen. Der Post-Mortem-Shitstorm zeigt jedenfalls, dass pietätlose Kommentare ein religionsübergreifendes Phänomen sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis