Hass gegen Roma: Martin Korol ganz privat
Die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft hat Martin Korol mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. Der hatte die Kritik an seinen Tiraden gegen Roma versucht, durch seine Marottenhaftigkeit zu entschärfen.
Einstimmig hat die Bürgerschafts-SPD Martin Korol am Montag mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. Sie folgte damit einem Antrag, den der Vorstand am Freitag vorgestellt hatte.
Als Grund für den Ausschluss nannte der Fraktionsvorsitzende Björn Tschöpe die schwerwiegenden pauschalen Verächtlichmachungen der Volksgruppe der Roma, Diskriminierungen anderer MigrantInnen sowie frauenfeindliche Wertungen, die der Mitte Februar ins Parlament nachgerückte Pensionär im Laufe der Legislaturperiode online publiziert hatte. Mit diesen Texten, auf die zuerst die taz.bremen hingewiesen hatte, habe Martin Korol verdeutlicht, dass "das für eine sinnvolle Arbeit der Fraktion erforderliche Mindestmaß an prinzipieller politischer Übereinstimmung fehlt", so Tschöpe. Eine Zusammenarbeit mit Korol sei daher der Fraktion nicht zumutbar.
Tatsächlich hatte Korol versucht, seine Schmähschriften als Veröffentlichung „marottenhafter und bizarrer Privatansichten“ zu bagatellisieren. Ihre Publikation wäre nach dem „Grundsatz ’erst denken und dann schreiben‘ besser unterblieben wäre“, schreibt er, er sei einem „Drang zur Selbstdarstellung“ gefolgt, aber rassistisch sei er nicht, sondern ein überzeugter Sozialdemokrat – wenn auch vielleicht ein „kulturkonservativer“.
In dem Antragsentwurf der SPD-Fraktion werden noch einmal die Sätze von der – inzwischen gelöschten – Internetseite von Korol aufgelistet: Die Roma und Sinti würden „sozial und intellektuell noch im Mittelalter leben“, hieß es da. In einem anderen Text hieß es, Abgeordneter dürfe nur sein, „wer einen deutschen Bildungsabschluss“ habe. Zum Thema Gleichheit der Geschlechter hatte Korol geäußert, mit dem Patriarchat gehe „dieser Gesellschaft die Mitte verloren“, eine Herrschaft der Frauen sei aber nicht besser, was sich im „Wahn der sog. Selbstverwirklichung der Frau“ zeige, „in der Lust an der Entfremdung auf dem fremdbestimmten Arbeitsplatz in einer Firma und im Massenmord der Abtreibungen“. Korol habe sich inhaltlich nicht von solchen Äußerungen distanziert, es sei daher „der SPD Bürgerschaftsfraktion nicht zumutbar, für den Rest der Legislaturperiode in der Unsicherheit zu arbeiten, ob Martin Korol nicht entsprechend seiner veröffentlichten Texte auch als Abgeordneter agieren und damit im ständigen Widerspruch zu den Initiativen der gesamten Fraktion stehen wird“.
Formal weist Korol darauf hin, dass er in seiner Zeit als Abgeordneter keinerlei Anlass zu einer solchen Befürchtung gegeben habe. Er habe gelernt, dass er seine „teilweise marottenhaften und mitunter auch bizarren Privatansichten“, die er selbst als „kulturkritische Reflektieren eines älteren Mannes“ versteht, privat halten müsse – es seien keine angemessenen öffentlichen Äußerungen eines SPD-Abgeordneten und er wolle auch für seine privaten Werte „keinen öffentlichen allgemeinen Geltungsanspruch“ erheben. Der Satz zu den deutschen Bildungsabschlüssen sei „idiotisch“ gewesen, dafür entschuldige er sich bei Betroffenen.
Vehement wehrt sich der frühere Lehrer Korol gegen den Vorwurf „rassistischer Veröffentlichungen“. Jene „archaischen Vergemeinschaftungen“ bei den Roma in Bulgarien, die er in seiner Zeit dort als Lehrer näher kennengelernt habe, seien Ergebnis von „Verelendung, Verfolgung und Drangsalierungen“, keineswegs Eigenschaften einer Rasse. Die kulturellen Probleme, die sich beim Versuch der Integration von Roma-Flüchtlingen stellen, seien „mit wohlmeinenden Aussagen, hinter denen kein zusätzlicher Ressourceneinsatz steht“ nicht zu bewältigen. „Auch hier lohnt der Kampf um jedes Kind“, heißt es in seinem Text. Aber dieser sei nicht von Bremen aus zu führen, schränkt er diese großherzige Anwandlung indes gleich ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt