: Hase und Igel?
Gespräch mit Ulrich Haas, Berater der heute in Bonn gegründeten Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada)
taz: Herr Haas, wie vollzieht sich der Übergang von der Anti-Doping-Kommission, die es seit 1991 gibt, zur heute ins Leben gerufenen Nada?
Ulrich Haas: Alles soll größer, professioneller und effektiver werden. Wir hatten in der ADK bisher nur einen Mitarbeiter, der hauptamtlich arbeitete. Nun werden es fünf sein.
Welche Funktion wird der Vorstand der Nada übernehmen?
Das muss man sich wie ein Kompetenz- und Kontrollzentrum vorstellen. Über den ehrenamtlich arbeitenden Vorstand wird das Know-how eingeholt, das man sich mit bezahlten Stellen nicht leisten kann. Andere Nationen arbeiten mit einem Stab von 20 festen Leuten. Aber dafür fehlt hierzulande das Geld.
Welche Aufgaben kommen in der Nada hinzu?
Die Nada wird neben den 4.000 jährlichen Trainingskontrollen in Zukunft auch 3.700 Wettkampfkontrollen durchführen, die bis dato von der Sportverbänden übernommen wurden. Damit sind eine Menge von organisatorischen und rechtlichen Fragen verbunden. Vor allem: Wie kann man das Ganze gerichtsfest machen?
Dafür sitzen ja gleich drei Juristen im Vorstand. Wohin führt der Weg? Womöglich zu einem nationalen Sportschiedsgericht?
Streitigkeiten zwischen Verbänden und Athleten nehmen ständig zu. Aus der Sicht beider Parteien besteht eine Notwendigkeit für schnelle Streitlösung. Andere Länder wie Norwegen, Australien und die USA haben das schon geregelt. Außerdem müssen die nationalen Agenturen untereinander eng zusammenarbeiten, auch mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).
Wie wird die Zusammenarbeit aussehen?
Das ist wie im Verhältnis von Bund und Ländern. Beide haben eigenständige Kompetenzen. Die Wada hat die Aufgabe, Probleme auf weltweitem Niveau zu lösen. Bei Kontrollen wird die Wada dort tätig werden, wo national nicht genug getan wird beziehungsweise ergänzend zu den nationalen Agenturen. Es muss aber idealerweise immer einen Platzhalter vor Ort geben, denn der weiß am besten, wo sich seine Sportler aufhalten. Eine Hauptkompetenz hat die Wada in der Festschreibung eines Welt-Anti-Doping-Codes. Aber auch hier versuchen wir, unseren Standard weltweit zu exportieren.
Ist es den Sportverbänden recht, dass die Nada Kontrollen zentralisiert?
Durchaus. Die meisten Verbände haben erkannt, dass sie die Aufgaben um das Doping, das heißt Rechtslage, Aufklärung, Prävention, Medizin und Analytik, gar nicht allein leisten können und man eine zentrale Anlaufstelle mit weit reichenden Kompetenzen braucht.
Wie steht es um die Finanzen der Nada?
Die Finanzierung ist mittelfristig gesichert. 6,6 Millionen Stiftungskapital stehen zur Verfügung. Der Bund steuert 5,1 Millionen bei. Die Länder geben eine Million, die Stadt Bonn 383.000. Außerdem beteiligen sich die Telekom und die Deutsche Bank mit 50.000 Euro pro Jahr.
Anti-Doping-Kämpfer müssen sich stets die Fabel von Hase und Igel vorlesen lassen. Gefällt Ihnen die Geschichte?
Ich habe Vorbehalte gegen diesen Vergleich. Denn es gibt ja keine spezielle Dopingforschung von Medizinern oder Pharmakologen. Es handelt sich eigentlich immer um Medikamentenmissbrauch. Es wäre zu teuer und würde zu lange dauern, Forschung allein zu Dopingzwecken einzusetzen. Also gucken sich beide Parteien, Jäger und Gejagte, auf dem Markt um, welche Medikamente man missbrauchen kann. Es ist kein Hase-und-Igel-Spiel, denn alle wissen das gleichzeitig. Beim Nachweis kann es natürlich zum Rückstand kommen. Aber auch da gibt es vergleichsweise wenige Substanzen, die nicht nachgewiesen werden können. Es hat sich gezeigt, dass sich Doper nicht auf diesen Vorsprung verlassen sollten.
Von den im letzten Jahr durchgeführten 7.831 Dopingtests waren nur 0,6 Prozent positiv. Was sagt diese Quote aus?
Man wird nicht von dieser Zahl ableiten können, dass vergleichsweise wenig gedopt wird oder viel. Man muss diffenzieren. Bei Wettkämpfen fallen überproportional viele Sportler aus der zweiten und dritten Ebene auf, die aus Unachtsamkeit da hineintappen, während Spitzenathleten, die in das System der Trainingskontrollen eingebunden sind, sehr wohl um die Gefahr wissen.
Solch eine Kontrolle ist Jan Ullrich zum Verhängnis geworden. Danach sagte er, es handle sich bei der Einnahme von Amphetaminen in einer Reha-Phase nicht um Doping.
Das ist ein typisches Verhaltensmuster. Wenn sie eine positive Probe bei einem Sportler haben, dann versucht er, das irgendwie zu erklären. Doping ist die Einnahme einer verbotenen Substanz, und das war bei Ullrich der Fall. Die Aussage, es sei kein Dopingfall, ist schlicht und einfach falsch. Das ist Verniedlichung, Verschleierung und Verkennung des Regelwerks.
INTERVIEW: MARKUS VÖLKER
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