piwik no script img

Hartz-IV vor BundessozialgerichtMehr als der Rückkaufwert

Wegen zweier Monaten Hartz-IV-Bezug soll eine Frau ihre Lebensversicherung vorzeitig kündigen. Die Frau wehrt sich – mit einem Teilerfolg.

Bei der Hartz-IV-Berechnung zählt mehr als nur der Rückkaufwert einer Lebensversicherung. Bild: dpa

KASSEL/SCHLESWIG dpa | Die Anrechnung bestimmter Lebensversicherungen als Vermögen bei Hartz-IV-Empfängern bleibt vorerst ungeklärt. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel verwies am Donnerstag einen entsprechenden Streit an das Landessozialgericht Schleswig-Holstein (LSG) zurück. Im konkreten Fall hatte das zuständige Jobcenter einer Frau aus Nordfriesland Hartz IV nicht bewilligt, weil sie eine Lebensversicherung im Rückkaufwert von 6500 Euro hatte.

Das LSG hatte entschieden, dass der Verlust von 16,7 Prozent bei der Auflösung der Versicherung zumutbar sei. Dem folgte das BSG nicht: Statt nur auf den Rückkaufwert zu achten, müssten auch die Laufzeit des Vertrages, die Ablaufleistung oder die Kündigungsfrist berücksichtigt werden, urteilten die Richter. Das LSG muss nun neu verhandeln.

Der BSG-Senat ließ in der Verhandlung offen, ob es überhaupt möglich ist, einen bestimmten Prozentsatz an vertretbarem Verlust festzusetzen. Der Streitfall betrifft nur Verträge, die nicht bereits bis zum Rentenalter festgelegt sind.

Zudem fehle es im LSG-Urteil an Feststellungen wegen einer möglichen besonderen Härte, urteilten die höchsten deutschen Sozialrichter. Denn die Frau war nur für zwei Monate auf Hartz IV angewiesen, danach hatte sie einen Job.

„Die Zurückverweisung ist ein Erfolg. Was dann wird, ist die spannende Frage“, sagte der Anwalt der Frau. Er betonte, er habe sich einen festen Wert gewünscht. „Ein Sechstel ist eine Menge, und das fließt nur der Bank zu.“

Der Vertreter des Kreises in Nordfriesland hatte dagegen argumentiert, einen unwirtschaftlichen Rückkaufwert könne es nicht geben, denn alles habe genau den Preis, den ein anderer für etwas zu bezahlen bereit sei.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • RL
    Richterin Ling Woo

    "denn alles habe genau den Preis, den ein anderer für etwas zu bezahlen bereit sei" ist so wie der Grundsatz "Geld hat man zu haben", es existiert, aber als singuläre Begründung wohl kaum ausreichend.

  • G
    Gast

    "..., denn alles habe genau den Preis, den ein anderer für etwas zu bezahlen bereit sei."

     

    - Womit wir wieder bei der Vollkommenheit des freien Marktes wären, in den der Staat mit Hartz IV nur insoweit ein ganz klein wenig zugunsten der Arbeitgeber eingegriffen hat, als Arbeit dadurch billig wie Dreck geworden ist. Und genauso werden die Menschen im Hartz IV-Bezug dann auch behandelt.