Hartz IV-Empfänger: Beschattung von Arbeitslosen gestoppt
Das Bundesarbeitsministerium streicht den Diensthinweis der Arbeitsagentur zur "Observationen". Der Datenschutzbeauftragte und Arbeitslosen-Initiativen hatten protestiert.
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hat die verdeckte Beobachtung mutmaßlicher Hartz-IV-Betrüger gestoppt. Eine umstrittene Dienstanweisung wurde gestrichen. Das Ministerium und die Bundesagentur für Arbeit (BA) seien sich einig, "dass Observationen im Auftrag der BA nicht stattfinden", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung am Donnerstag.
Verdachtsfälle sollten künftig "im persönlichen Gespräch" mit den Betroffenen recherchiert werden, erklärten die Behörden. Zuvor hatten Arbeitsloseniniativen und Datenschützer eine neue Dienstanweisung gerügt, die ab 20. Mai galt. Danach wurde den Sozialfahndern der Jobcenter erlaubt, bei "besonders schwerwiegendem Leistungsmissbrauch", wenn eine anderweitige Aufklärung nicht möglich sei, zu observieren.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hatte moniert, einige Passagen in den neuen Dienstanweisungen "bedürften der Überarbeitung", so Sprecher Dietmar Müller. Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosenforums, hatte schon vor Tagen die umstrittenen Dienstanweisungen gerügt. Aber erst nach einer Veröffentlichung in der Bild-Zeitung über das "Beschatten von Hartz-IV-Betrügern" und bundesweiten Protesten sah sich das Ministerium zum Handeln gezwungen.
Behrsing bemängelte aber auch die neue Richtlinie, nach der Sozialfahnder aus den Außendiensten der Jobcenter "ohne Wissen des Betroffenen" "Dritte" befragen dürfen, "wenn eine Sachverhaltsklärung sonst nicht möglich wäre". Behrsing erklärte, nach dem Stoppen der Observationen müsse nun noch das "Aushorchen von Nachbarn und Kindern" aus den Handlungsempfehlungen gestrichen werden. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz wolle auch über diese Passage und andere Punkte mit der Bundesarbeitsagentur sprechen, sagte Müller am Donnerstag. Zu dieser Passage äußerte sich das Bundesarbeitsministerium nicht.
Leistungsempfänger wurden bereits seit der Sozialhilfereform im Jahre 2005 bei "sehr schweren Verdachtsmomenten" auf Leistungsmissbrauch beobachtet, erklärte BA-Sprecherin Ilona Mirtschin. In der Praxis finden Observationen von Hartz-IV-Empfängern allerdings selten statt, die Sozialfahnder machen sehr viel häufiger Wohnungsbesuche. Diana Appelhoff, Sprecherin der BA-Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen, sagte am Donnerstag auf Anfrage, sie kenne keinen einzigen Fall von Observation. Olaf Möller, Sprecher der BA-Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, erklärte der taz, Sozialfahnder der Jobcenter dürften bei den Nachbarn von Leistungsempfängern nicht nachforschen, ohne dass die Betroffenen dies wüssten.
Behrsing berichtete von Fällen, in denen etwa Anwälten von Hartz-IV-Empfängern Akten übergeben wurden, worin Observationen und Nachforschungen durch Außendienst-Mitarbeiter der Jobcenter dokumentiert waren. "In einem Fall war ein ganzes Dossier über die Bewohner eines Mietshauses angefertigt worden", schilderte Behrsing.
Behrsing bemängelte auch, dass es Jobcentern gestattet ist, bei Bedarf "Dritte", also auch private Sicherheitsdienste, mit der Ermittlung zu beauftragen. "Wenn ich mir vorstelle, dass dann private Sicherheitsdienste Leute in die Ermittlung schicken, die am Abend zuvor noch als Türsteher vor der Disco standen, dann wird mir anders."
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