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Hartz IV-Bezieher in sozialen NetzwerkenDer Arbeitsagentur gefällt das

Schnüffeln Jobcenter in Facebook herum? Die Arbeitsagentur sagt, das passiert nicht, fragt aber den Datenschutzbeauftragten, ob's doch ginge.

Noch schaut die Arbeitsagentur nicht durch's virtuelle Guckloch. Bild: imago / Steinach

KÖLN taz | Bei Beratungs- und Kontrollbesuchen in Jobcentern lässt der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, nun auch prüfen, ob über Facebook oder anderen sozialen Netzwerken „Kunden“ hinterhergeschnüffelt wird.

„Wir haben diesen Punkt in den Prüfkatalog aufgenommen“, sagte eine Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten der taz. Auf die Idee gebracht haben die Schaar-Behörde die Arbeitsvermittler selbst. „Geschäftsführer und behördliche Datenschutzbeauftragte von Jobcentern der Arbeitsagentur haben die Frage an uns herangetragen, ob sie in sozialen Netzwerken recherchieren dürfen“, sagte die Sprecherin.

„Soziale Netzwerke sind in aller Regel keine Informationsquellen für Jobcenter“, heißt es in einer Stellungnahme Schaars. Nur „in absoluten Ausnahmefällen“ dürften Jobcenter Daten in sozialen Netzwerken von Hartz-IV- oder Sozialleistungsbeziehern erheben. Dann müssten jedoch bereits erste konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen.

In jedem Fall müsste der Betroffene von einer Datenerhebung informiert werden. „Jobcenter-Mitarbeiter dürfen sich aber keinesfalls zur gezielten Recherche in soziale Netzwerke einloggen oder sich gar unter falscher Flagge mit den Betroffenen ‚befreunden’, um so an deren Daten zu gelangen“, so Schaar. Bereits Recherchen mittels Suchmaschinen hält der Datenschutz-Beauftragte für nicht zulässig. „Betroffene, die eine missbräuchliche Erhebung ihrer Daten in sozialen Netzwerken vermuten, können sich jederzeit an mich wenden."

Rein technisch nicht möglich

Die Ausforschung von Erwerbslosen via Facebook, Google & Co. gehöre „nicht zu unserer Praxis und wird auch künftig nicht dazugehören“, sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Fakt ist, dass in den Jobcentern nicht so gehandelt wird.“ Schon rein technisch sei dies nicht möglich, da der Zugang zu sozialen Netzwerken auf Jobcentercomputern gesperrt sei.

Die BA ist an 306 Jobcentern direkt beteiligt, 104 weitere werden von den Kommunen in Eigenregie betrieben. Auch dort hält die BA-Sprecherin solcherlei Nachforschungen für „extrem unwahrscheinlich“.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar hat bislang keine Erkenntnisse darüber, dass Arbeitsagenturen soziale Netzwerke zu Recherchezwecke nutzen. „Wir haben keine Beschwerden in diesem Bereich“, sagte seine Sprecherin. Bei den Landesdatenschutzbeauftragten, die sich regelmäßig austauschen, sei das Problem ebenfalls noch nicht aufgetreten.

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18 Kommentare

 / 
  • FK
    Fran Kee (Pirat)

    > sei es ratsam, als Hartzer vielleicht nicht

    > unbedingt ein Foto vom frisch gekauften Sportwagen

    > zu posten oder als Krankgemeldeter sich auf Fotos

    > markieren zu lassen

     

    Oh, da gibt es noch etwas vieeeel schlimmeres und weitreichenderes, was ich in diesem guten Kommentar leider noch vermisse:

     

    Vor allem sollte man keinen Beziehungsstatus angeben! Sonst konstruiert einem die Ha®tz-4-Behörde eine "Bedarfsgemeinschaft" (www.google.de/search?q=hartz4+bedarfsgemeinschaft), sprich: Stellt die Zahlungen ganz ein. Der wird dann nämlich als nächstes beschnüffelt...

     

    Viele Normalbürger (mit serienmässiger, latenter Hartz-4 Phobie) wissen das gar nicht:

     

    Wer sich als Arie... pardon edler Normalbürger beziehungstechnisch mit dem SPD-gewollten (ungewaschenen, schlecht rasierten,...) Zwangsproletariat abgibt, lebt finanziell sehr gefährlich.

     

    Das gilt übrigens auch für Beziehungen, die lange nach dem Entstehen des Hartz-4 Bedarfs begonnen wurden. Also weit weg von "klassischer Ehe", wo der eine Partner dem anderen halt aushilft. Eigentlich ist das ganze eine kleines Stückchen Apartheid...

     

    Geile Regelung. Man frage gern mal seinen SPD-Abgeordneten (oder auch "Christdemokraten") auf Abgeordnetenwatch dazu...

     

    ...oder auch die -voll mitverantwortlichen- "Grünen"...

  • RB
    Rainer B.

    Ja wenn die Jobcenter nicht mehr schnüffeln dürfen, dann fällt auch noch der letzte Arbeitsbereich weg, in dem sie tatsächlich so etwas wie Grundkompetenz aufweisen können.

     

    Will man die Bude partout nicht dicht machen, sollte man sie vielleicht mal wieder umbenennen. Hier meine Namensvorschläge:

     

    1.) Spy-Agency;

    2.) Stasi 2.0 HotSpot;

    3.) Snoop-Center;

    4.) Workers in the middle;

    5.) Spydermans Cottage;

    6.) Informer House

  • F
    Frage

    @ demokrat

     

    Haben Sie Links von den youtube "Schulungen"?

  • L
    lowandorder

    "…„Soziale Netzwerke sind in aller Regel keine Informationsquellen für Jobcenter“, heißt es in einer Stellungnahme Schaars. Nur „in absoluten Ausnahmefällen“ dürften Jobcenter Daten in sozialen Netzwerken von Hartz-IV- oder Sozialleistungsbeziehern erheben…"

    &

    "…. „Jobcenter-Mitarbeiter dürfen sich aber keinesfalls zur gezielten Recherche in soziale Netzwerke einloggen oder sich gar unter falscher Flagge mit den Betroffenen ‚befreunden’, um so an deren Daten zu gelangen“, so Schaar…"

     

    Tja, früher hieß das mal " Grimms Märchen"

    oder "wer's glaubt, zahlt'n Tahler!"

     

    Einem Teil der Verwaltung, deren bekanntbelegten

    Organisationchaotik zu der bizarren, einmaligen Sonderregelung geführt hatte:

    " bei längerfristig anhanden gekommenen Akten muß

    antragsgemäß entschieden werden!"

     

    Herr Schaar möchte angesichts dessen glauben machen:

    "… in aller Regel…in absoluten Ausnahmefällen…keineswegs…

    usw usf…"!?

     

    Ja wie? wer solche Sprache bemüht, will lügen, betrügen

    und hinter's Licht führen.

    Wer gibt denn bei klarem Verstand und angesichts der aktenkundigen

    Unregelmäßigkeit - ohne Not - für so einen Riesenladen,

    noch dazu mit den immer wieder belegten Verwerfungen

    eine doch erkennbar gar nicht zu haltende Erklärung ab?

     

    Als die Polizei noch nichtdigital überwachte und fotografierte,

    erklärte ein Schar von fortzubildenden Referendaren den

    Staatsschützern mal,

    man dürfe wahllos aus Demos geschossene

    erstellte Einzelbilder nicht " vorsorglich und länger aufheben"

    und wer denn garantiere, daß nach diesem Erkenntnisgewinn

    selbige (Massen!!) vernichtet würden!?

    "Ja, äh, ja, - da müsse man einen Antrag stellen

    und sich dann, öh, schon auf sie verlassen."

    So geht das.

     

    Kurz - was geht, machen die auch.

    Einfach mal Ex-Jobcenterin

    Inge Hannemann fragen.

    Danke.

  • RA
    renitentia agiti

    @Ernst Lehmann:

    Steuerbetrüger in den Knast, so wie in USA, finde ich gut, denn hier muss die Verhältnismäßigkeit Beachtung finden!

     

    Die "Harzer" hingegen können von den Almosen nicht Menschenwürdig leben!

     

    Regelsatz heist: kein/e/n Tabak, Alkohol, Auto, Ferien, Kino, Theater, Haustier, Reinigung, Blumen, Waschmaschine, Kühlschrank, Möbel, kein Geburtstag mit Freunden…

     

    Ich fordere ein bedingungsloses Grundeinkommen auf Kosten der "Bourgeoisie"!

    "Hartz" ist Demütigung, Erniedrigung, Bevormundung, Entmündigung!

     

    Der Mensch ist ein Mensch, weil er ein Mensch ist und kein Bettler!

  • HL
    Heike Lindenborn

    Haben die auch zu Hause Zugangsverbot?

  • H
    Holger

    Wer alles von sich preisgibt kann (aber muss)sich nicht wundern.

  • K
    kalman2de

    Das Schnüffeln in sozialen Netzwerken ?

    Machen die Behörden doch schon seit Jahren!

    Jeder Sozialaktivist kann ein Liedchen davon singen.

     

    Was aber der feine Unterschied ist: Diejenigen, die sich gegen Behördenschickanen zu wehren wissen, legen regelmäßig Beschwerde ein, wenn eine Behörde aufgrund von Schnüffelei, die NICHT erlaubt ist, illegalerweise sanktioniert.

     

    Und genau um diese Frage geht es: Sind die gewonnenen Erkenntnisse gerichtsfest?

     

    Sie sind es offenbar NICHT!

     

    Aber wie in allen Hartz IV Angelegenheiten werden das letzen Endes wieder die Gerichte entscheiden.

     

    Und DAS kann mal wieder dauern ;-)

  • C
    Cometh

    Das ist in der Tat ungerecht, denn das Abgreifen von Sozialleistungen und sonstigen staatlichen Leistungen ist ja nicht illegal. Peer macht es uns vor.

     

    Außerdem: NSU, Parteispendenaffaire, Flick, Steuerbetrüger, Blondi - noch Fragen?

     

    Hätten wir das bedingungslose Grundeinkommen, müssten die Leute nicht tricksen, was Menschenrechtswidrig ist. Hier werden Leute in die Beschaffungskriminalität abgedrängt, das ist der Skandal.

     

    Trotzdem bleiben die Leute friedlich. Das verdient Respekt und keine Kontrollen.

     

    Das ist eine Linke Argumentation. Mich wundert schon, dass das hier nicht häufiger kommt.

  • IN
    Ihr Name hmhm

    wenn die angestellten keinen zugang zu facebook etc. pp. haben., dann doch deshalb, damit sie nicht stundenlang facebooken anstatt zu arbeiten, insofern ist das ne kontrolle der dort arbeitenden.

     

    inwiefern aus solchen angaben sperren etc. pp. verhängt werden, nun in kleineren kommunen kennt man sich eben, im einzelfall würde es mich schon mal interessieren, was dort evtl. öffentlich gepostet wurde, siehe auch die webfail-seite, sofern dies keine fakes sind, da macht einer blau und gibt damit noch auf fb an und hat den chef geaddet....

     

    ansonsten nervt das ganze natürlich..

    war doch vor kurzem berichte über den fall, dass jemand im urlaub bzw. krankenschein-urlaub ein kind rettete, das in der zeitung war, der chef davon erfuhr und und und

    die frage, die sich mir stellt, ist inwiefern diese kontrollen wirklich geld sparen, ähnlich wie bei widersprüchen wg. 20 euro, die letztendlich an verwaltungsaufwand jede menge geld mehr kosten und noch die 20 euro.

     

    oder werden die mitarbeiter schon angehalten privat auf fb zu schauen, ob sie was seltsames finden?

     

    vor allem, muss man demjenigen noch nachweisen, dass das eben kein fake-eintrag war, kann ja jeder kommen...

  • Y
    yes_we_jam

    Private Profile dicht machen - und gut ist. Das ist immer und überall zu empfehlen, nicht nur Leuten die Verbotenes tun, sondern auch um andere nicht auf dumme Gedanken zu bringen. Wer seine Urlaubsphotos in Abwesenheit auf FB postet, braucht sich nicht zu wundern, wenn bei Rückkehr die Hütte leergeräumt ist.

    Dessen ungeachtet: Eine Riesenschweinerei, vergleichbar mit dem Hinterherschiccken von Privatdetektiven. Ein sogenannter Verdacht ist immer zu konstruieren, der bereits ist systemimmanent.

  • O
    ostendfaxpost

    Wer Hartz IV bezieht, der sollte sich darüber klar sein, ob erlaubt oder nicht, dein Sachbearbeiter kann dir im www hinterherschnüffeln, so wie jeder der einen Rechner bedienen kann. Nur wenn er eine Sperre wegen unerlaubter Abwesenheit verhängen will, etwa weil auf deinen Blog ein Bild aus Paris zu sehen ist, dann könnte er in Erklärungsnot kommen. Vorausgesetzt du machst Stunk und das ist es ja. Zu viele haben bereits resigniert und sagen ja und amen, egal welche Zumutungen sich die Arge noch einfallen lässt.

    Nur ab und an rastet mal jemand aus. Nur dann wird es öffentlich.

  • D
    DerDemokrator

    Kein Jobcentermitarbeiter ist nur Jobcentermitarbeiter. Was er in der Freizeit macht steht auf einem anderen Blatt und genau da werden die Spielregeln von Facebook und Co. zur Falle, denn "Anonymität" bei der Anmeldung kann zu Konsequenzen führen. Ich bin deshalb schon mehrfach bei YouTube "geschult worden".

     

    Ciao

    DerDemokrator

     

    P.S. Auch manche Special-Interest-Foren gehen zur Realname-Anmeldung über. Dabei mißbrauchen viele dieser Betreiber solche TopAdressen für den Datenmißbrauch in Form von Adresshandel. Ich kenne eine Menge solcher namhaften Unternehmen.

  • RA
    renitentia agiti

    @Ernst Lehmann:

     

    Steuerbetrüger in den Knast, so wie in USA, finde ich gut, denn hier muss die Verhältnismäßigkeit Beachtung finden!

     

    Die "Harzer" hingegen können von den Almosen nicht Menschenwürdig leben!

     

    Regelsatz heist: kein/e/n Tabak, Alkohol, Auto, Ferien, Kino, Theater, Haustier, Reinigung, Blumen, Waschmaschine, Kühlschrank, Möbel, kein Geburtstag mit Freunden…

     

    Ich fordere ein bedingungsloses Grundeinkommen auf Kosten der "Bourgeoisie"! "Hartz" ist Demütigung, Erniedrigung, Bevormundung, Entmündigung!

     

    Der Mensch ist ein Mensch, weil er ein Mensch ist und kein Bettler!

  • EL
    @Ernst Lehmann

    Dass Sie das Hinterherschnüffeln bei Arbeitslosen und prekär beschäftigten Menschen mit Verfolgen von Sozialbetrügern gleichsetzen zeigt wie gefährlich solche Maßnahmen sind.

  • C
    consequenz

    Aus eigener Erfahrung und einem Vorfall im Freundeskreis, weiß ich leider, daß das Jobcenter bereits Facebook Profile auswertet und auf Grund dortiger Angaben auch schon Sperren verhängt.

  • EL
    Ernst Lehmann

    Wenn Sozialämter öffentlich zugängliche Informationen verwerten, um Sozialbetrüger zu verfolgen, dass ist das illegal.

    Aber wenn Finanzbehörden illegal beschaffte CD's aufkaufen, um Steuerbetrüger zu verfolgen, dann soll das legal sein?

    Da passt doch etwas nicht zusammen...

  • N
    Neo

    George Orwell hat in seinem Roman 1984 geschrieben 1948

    genau vor solchen Zuständen gewarnt.

     

    Neo