: Hartes Urteil für dämonisches Werkzeug Mariens
■ Memminger Schöffengericht verurteilt Chef der Marienkindersekte zu Haftstrafe
Memmingen/Mindelheim (taz) – Vor der Urteilsverkündung hatte der 59jährige Sektenchef der „Marienkinder“, Josef Zanker, mit seinen Anhängern noch demonstrativ gebetet. Trotzdem schnappten am Abend des zweiten Verhandlungstages im Sitzungssaal die Handschellen zu. Der gelernte Maurer wurde abgeführt. Zuvor hörte er betreten den Richterspruch: drei Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung. Sieben Fälle schwerer Körperverletzung konnten dem Angeklagten nachgewiesen werden. Auch der von Zanker schwer mißhandelte einstige Sektenpfarrer Johann Bauer hatte zu Protokoll gegeben, wie massiv er traktiert worden war vom selbsternannten „Werkzeug der Muttergottes“.
Mucksmäuschenstill war es im Gerichtssaal, als eine fünfunddreißigjährige Frau, die zwölf Jahre lang Mitglied in der Sekte war, von der Mißhandlung des alten Pfarrers berichtete. Sie und ihre Mutter seien damals, am Karsamstag 1993, dazwischengegangen, als Zanker den wehrlos am Boden Liegenden gewürgt und mit seinen Absätzen ins Gesicht getreten habe. Ein Bild, sagt sie, das ihr nicht mehr aus dem Kopf gehe. Detailliert schilderte die Zeugin, wie sie selbst und andere Sektenmitglieder immer wieder geprügelt wurden. Vor allem wenn Zanker betrunken war, und das sei sehr häufig der Fall gewesen, habe er sie gezüchtigt. Den Dämon austreiben hieß das im Sektenjargon, und das hätten sich sogar stämmige Mannsbilder gefallen lassen. „Weil der Zanker hypnotische Fähigkeiten hat.“
Zahlreiche Aussteiger hatten auch vor diesem Prozeß immer wieder von den unerträglichen Zuständen in der Mindelheimer „Stadtmühle“ berichtet, von schweren Mißhandlungen und auch von sexuellen Übergriffen. Noch-Anhänger Zankers verstrickten sich vor Gericht in Widersprüche. Doch nach wie vor zählt die stockkonservative Sekte mehr als zweihundert Mitglieder.
Auch gegen die sekteneigene Spedition „AVE“ läuft inzwischen ein Verfahren, weil Sozialabgaben nicht abgeführt wurden. Die Staatsanwaltschaft Memmingen hatte deshalb eine Großrazzia am Speditionsfirmensitz in Bad Wörishofen veranlaßt. Klaus Wittmann
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