Harte Worte ukrainischer Botschafter: Nicht so richtig diplomatisch
Schon Andrij Melnyk äußerte sich als ukrainischer Botschafter rüde. Sein Nachfolger Oleksiy Makejew greift nun via „X“ die „Berliner Zeitung“ an.

B otschafter, so dachte man (und frau vielleicht auch), dass sind qua Amt diplomatisch auftretende Leute. Menschen, die in den Hauptstädten anderer Länder die politische Temperatur nehmen und im Kern versuchen, ihre jeweilige Heimat so gut wie möglich darzustellen. Das führt schon mal dazu, dass sich Botschafter möglichst zurückhaltend verhalten, um nicht groß aufzufallen. Eine erwähnenswerte Ausnahme bildete vor zwei Jahrzehnten ein Schweizer Botschafter, der mit einem früheren US-Model verheiratet und medienwirksam auf Partys unterwegs war.
Im Falle der Ukraine ist das deutlich anders. Als Russland sein Heimatland überfiel, leitete ein Mann die Botschaft in der Albrechtstraße in Mitte, der sich so gar nicht diplomatisch im klassischen Sinne äußerte. Andriy Melnyk, damals präsent in vielen Talkshows, bezeichnete beispielsweise Olaf Scholz, den Kanzler seines Gastlands, als „beleidigte Leberwurst“.
Kurz vor seiner Abberufung zurück nach Kiew im Herbst 2022 bilanzierte Melnyk, seine heftige Kritik sei nötig gewesen: „Ohne das hätte, glaube ich, die deutsche Gesellschaft, auch die deutsche Öffentlichkeit, vielleicht den Ernst der Stunde nicht ganz begriffen.“
Sein Nachfolger Oleksij Makejew, seit Oktober 2022 im Amt, schien da diplomatischer – weil unauffälliger. Bis jetzt. Denn nun erschienen unter seinem Namen im Kurznachrichtendienst X mehrere Attacken gegen die Berliner Zeitung: Die stuft Makejew als prorussisch ein. „Ist @berlinerzeitung das neue Radio Moskau?“, heißt es etwa. Zudem sei die Zeitung „zu einem Arbeitgeber für ehemalige Mitarbeiter russischer Staatsmedien geworden“. Schließlich empfiehlt Makeiew für den Umgang mit der „Berliner Volksrepublik (sic!) Zeitung“ Folgendes: „Einfach nicht lesen und kein Interview geben.“
Zeitung weist Vorwürfe zurück
Die Zeitung mag das erwartbarerweise nicht auf sich sitzen lassen, weist die Vorwürfe zurück und erwartet, „dass der ukrainische Botschafter die Pressefreiheit in einer europäischen Demokratie respektiert“. Man zeigt sich umso mehr überrascht, „weil die Berliner Zeitung seit Langem ein sehr gutes professionelles Verhältnis zu der ukrainischen Botschaft unterhält.
Was das Ganze etwas undurchsichtiger macht: Die Berliner Zeitung legt dabei nahe, dass ihr von Makejew zur Rechtfertigung zitierter Konkurrent Tagesspiegel verwickelt sein könnte – jüngst hatte sich ein Artikel des Blattes mit angeblicher wirtschaftlicher Schwäche des Tagesspiegel beschäftigt. „Ist das ein Hintergrund für die Attacke?“, frage die Berliner Zeitung.Das Konkurrenzmedium unterstelle ihr seit einiger Zeit, „wie ein russisches U-Boot zu agieren“.
Noch skurriler mutet an, dass ausgerechnet Makejew-Vorgänger Melnyk seinen Nachfolger maßregelt: Dessen Angriffe seien ein „absolutes No-Go“. Dabei äußerte sich Melnyk, nun Botschafter in Brasilien, selbst jüngst erneut höchst undiplomatisch. Nachdem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, von einem „Einfrieren“ des Kriegs gesprochen hatte, schrieb Melnyk über ihn bei X: „Dieser Typ war und bleibt der widerlichste deutsche Politiker. Für immer und ewig.“ Da ist einem doch irgendwie ein Botschafter wie der erwähnte Schweizer sympathischer. Als der Berlin 2002 verließ, schrieb der Spiegel: „Hauptstadt-Society trauert um ihren Paradiesvogel!“
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