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„Hart aber fair“ und #vonhierDie Frage nach der Herkunft

Die ARD-Talkshow „Hart aber fair“ fragt, ob Heimat nur für die sei, „die von hier stammen“. Das löst auf Twitter eine kontroverse Debatte aus.

Für die Kolumnistin Ferda Ataman ist die Frage nach der Herkunft eine „verbale Ausbürgerung“ Foto: Florian Gaertner/photothek.net

Berlin taz | Die Ankündigung einer „Hart aber fair“-Sendung hat auf Twitter eine kontroverse Debatte ausgelöst. „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“ lautet der Titel der ARD-Polittalkshow mit Frank Plasberg, die am Montagabend ab 21 Uhr gesendet wird. Im Ankündigungstext heißt es: „Aber für wen ist hier Heimat: für alle, die hier leben, oder nur für die, die von hier stammen?“ Besonders der Sendungstitel wurde in den sozialen Medien scharf kritisiert.

Dieser räume „genau jenen Leuten Platz ein, die Menschen wie mir in Abrede stellen, dass Deutschland meine Heimat ist. Dass sie es ist, darüber gibt es nichts zu diskutieren“, twitterte beispielsweise der Journalist Hasnain Kazim. Die Sprachwissenschaftlerin Lady Bitch Ray fragte, „wer hier genau adressiert wird als ‚Deutsche‘ und wer nicht“, und forderte „Antirassismus-Konzepte für Journalist*innen, jetzt!“. Die Politikerin Jutta Ditfurth fühlte sich sogar an die Neonazi-Parole „Deutschland den Deutschen“ erinnert. „Deutschland ist schon so lange ein Einwanderungsland, dass es bösartig ist, eine solche Frage ernsthaft so zu stellen“, schrieb sie.

Gemeinsam mit einem zeitgleich verbreiteten Ausschnitt aus der RTL-Sendung „Das Supertalent“, in der Juror Dieter Bohlen ein fünfjähriges Mädchen fünf Mal fragt, wo es herkomme, wurde so auf Twitter der Hashtag #vonhier ausgelöst. „Offenbar hat die kleine Melissa, so heißt das Mädchen, ihre Karriere als ‚Deutsch-Asiatin‘ noch nicht angetreten. Das Kind dachte bis zu dieser Begegnung doch tatsächlich, es sei aus Herne und von hier. Leider wird ihr im Laufe ihres Lebens wohl noch öfter klargemacht, dass das nicht so sei“, schreibt die Spiegel-Online-Kolumnistin Ferda Ataman über den „Supertalent“-Ausschnitt.

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„Wir reden über Stämme, Herkünfte und Kulturen, als sei es das Natürlichste der Welt, Menschen in diese Schubladen zu stecken. Wir finden es überhaupt nicht völkisch, wegen äußerlichen Merkmalen auf eine ausländische Herkunft zu schließen, weil es nun mal interessant ist, danach zu fragen“, so Ataman weiter. Die Frage „Woher kommst du?“ sei eine „verbale Ausbürgerung“.

„Warum sind Sie braun?“

Ihre Kolumne teaserte sie auf Twitter mit einem selbst erlebten Dialog an: „Woher kommen Sie?“ „Aus Nürnberg.“ „Aber woher kommt der Name Ferda?“ „Der ist persisch.“ „Dann sind Sie iranisch-stämmig?“ „Nein, meine Eltern kommen aus der Türkei.“ „Schlimm, das mit Erdogan.“ Der Hashtag #vonhier war geboren, zahlreiche Tweets von anderen Nutzern aus Einwandererfamilien folgten und erhielten am Sonntag teilweise Tausende Likes.

Die Psychologin Santina Battaglia nannte solche Gespräche bereits im Jahr 1995 „Herkunftsdialoge“. Die Frage nach der Herkunft transportiere alleine dadurch, dass sie (in der Heimat) häufig gestellt wird, „Ausgrenzungsbotschaften, die zu der Erfahrung, ‚eigentlich‘ woandershin zu gehören, führen“. Dieser Herkunftsdialog kennzeichne sich auch dadurch, dass er mit einer korrekten Antwort (wie beim „Supertalent“ die Antwort „Herne“) nicht beendet sei, sondern weitere Fragen nach der „eigentlichen“ oder „richtigen“ Herkunft gestellt werden, bis die Herkunft der Eltern oder Großeltern preisgegeben werde.

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Dahinter steht offenbar oft die Annahme, dass Nicht-Weiße nicht Deutsch sein könnten. Dies kann sich auch durch die verwunderte Feststellung, dass die angesprochene Person „gut Deutsch sprechen kann“, ausdrücken. In einem Sketch des Internetsenders BBC Three wird dies auf die Spitze getrieben: Nach zahlreichen Fragen in einem Vorstellungsgespräch, woher die Bewerberin komme, fragt der Arbeitgeber schließlich: „Warum sind Sie braun?“

#vonhier im Bundestag

Neben viel Zustimmung zum Hashtag #vonhier und den geteilten Erfahrungen kritisierten viele Nutzer, dass die Herkunftsdialoge von anderen als rassistisch bezeichnet werden und die Möglichkeit eines ernsthaften Interesses ausgeschlossen werde. „Neugier ist menschlich, muss nicht immer böse gemeint sein. In Istanbul, Ankara oder Izmir wird man auch IMMER nach ‚memleket‘, nach echter Heimat, gefragt“, schrieb der WDR-Journalist Tuncay Özdamar‏.

Und weiter: „Unglaublich, wie viele Leute mit Migrationshintergrund hier ganz menschliche Dialoge unter Alltagsrassismus verkaufen wollen.“ Die Publizistin Düzen Tekkal postete einen Herkunftsdialog und schrieb danach: „Und trotzdem mache ich mir nicht ins Hemd deswegen, oder fühle mich weniger deutsch oder gar diskriminiert. Sowas #vonhier“.

Auch Politiker griffen die Debatte auf. Der Grünen-Parlamentarier Özcan Mutlu berichtete von einer Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft im Bundestag. Ein CDU-Kollege habe vom Redepult „Herr Mutlu, Sie und Ihr Präsident Erdogan“ gesagt. „Meine Fraktion ist fassungslos und protestiert. Wenn nicht mal ein MdB kapiert, dass ich #vonhier bin, haben wir viel zu tun!“

Die nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) kritisierte, dass bei den Fragen nach der Herkunft Antworten wie „Köln“ oder „Herne“ nicht einfach akzeptiert werden würden. Die Frage „Woher kommst du?“ empfinde sie zwar nicht als rassistisch, sie finde es allerdings „suspekt, dass man so darauf pocht, sie stellen zu dürfen“.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich werde in Deutschland auch oft gefragt wo ich wegen meines Dialekts herkomme. Wenn ich dann sage ich sei aus Heidelberg, kommt meistens ein "Ach, sie sind Hesse!". Soviel zum Heimatverständnis.



    Aber Spaß beiseite: ich bin wirklich viel gereist bisher in meinem Leben. Der Satz "Where are you from?" ist mir dementsprechend häufig begegnet. Nicht einmal hatte ich das Gefühl es könnte einen rassistischen Unterton haben. Vielmehr dachte ich bisher es handle sich um mehr oder weniger großes Interesse an meiner Person. Vielleicht verrennen wir uns, wenn wir in jedem oft harmlos und vielleicht auch interessiertem Konversationsversuch etwas unadäquates oder gar rassistisches sehen. Ist nicht vielleicht auch der, der überall Schlechtes vermutet derjenige der es im Herzen trägt und es zu unterdrücken versucht? Vielleich, vielleicht auch nicht. Ich halte es mit Shakespeares Hamlet: "For there is nothing either good or bad, but the thinking makes it so."

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    'Heimat' hat leider einen Zwillingsbruder, und der heißt 'Ausgrenzung und Abschottung'. Und der Zwillingsbruder ist das Problem.



    Wer 'Heimat' als sein Nestchen zum leben und schlafen und schuaplattln mag wie der notorische Ausländerfeind Aiwanger, sollte gefälligst dafür sorgen, daß die Leute ihre Finger von Flugtickets in andere Länder lassen.



    Ein bißchen Respekt und Aufrichtigkeit sollte auch für das Eindringen in die Heimat anderer Menschen aufgebracht werden.

  • Da fällt mir der alte Spruch ein -

    Ausländer ist man überall auf der Welt nur in seiner Heimat nicht.

  • Die Bundesrepublik ist eine Rechts-keine Volksgemeinschaft. Das sollte doch wohl reichen.

  • Warum sollte die Frage in Portugal einen anderen "Beigeschmack" haben als in Deutschland?

    Weshalb sollte die Frage nicht auch in Deutschland echtes Interesse bedeuten können?

  • ich lebe seit langem in Portugal. Hier werde ich auch gefragt woher ich komme, aber das hat hier überhaupt keinen "Beigeschmack". Es ist echtes Interesse. In Deutschland ist das immer ein Problem, ob rassistisch oder nur peinlich. Eigentlich vollkommen überflüssig.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Ach Leute,



    es kann so oder so gemeint sein, diese Frage. Allein rassistisch ist die Frage nicht. Es kommt darauf an, wer sie stellt.



    Sitze im Bordrestaurant, unterhalte mich mit einem jungen Mann, der einen sehr schönen Akzent hat. Letzteres sage ich ihm auch. Er strahlt mich an und sagt, er komme aus den Niederlanden und sei wegen der Liebe nunmehr hier, in D.



    Wir trinken einen Café zusammen,



    und er zeigt mit die Bilder seiner Liebsten.



    Nicht alles ist rassistisch und böse gemeint.

  • Leute. Kommt runter. Benutzt ein wenig Taktgefühl.

    Die Frage /kann/ verletzend wirken (warum, das wissen wir alle und hat mit einem Mangel unserer Gesellschaft zu tun, an dem wir hoffentlich arbeiten), /muss/ aber nicht. Also falle ich nicht mit der Tür ins Haus.

    Ich frage ja auch nicht anlasslos eine wildfremde Person, ob sie ein Piercing an den Genitalien trägt. Wenn ich tatsächlich diesbezüglich neugierig sein sollte, dann verkneife ich mir einfach die Frage bis ich mir einigermassen sicher bin, dass ein günstiger Kontext hergestellt ist, so dass die Frage nicht verletzend, verstörend oder bedrohlich ist.

    Wo ist das Problem?

    (P.S: ich bin Ausländer, man sieht es mir aber glücklicherweise nicht an, so das mir das alles erspart geblieben ist).

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Die Sau "Heimat" wird ja schon seit geraumer Zeit durchs Dorf getrieben. Gerade durchs linke. Die Fahne, die Nationalhymne hatten wir auch schon (Özil, Göring-Eckart). Vielleicht wäre es an der Zeit, einen Zahn zuzulegen.

    Wieso den Rechten das "Volk" überlassen? Oder die "Volksgemeinschaft"? Volk ist nichts Schlechtes, Gemeinschaft ist nichts Schlechtes, also?