Hansi Flick vor Partie gegen FC Bayern: Der Ex-Freund kommt zu Besuch
Hansi Flick meistert den komplizierten Trainerjob bei Barça mit seinem Harmoniebedürfnis und Pragmatismus bravourös. Nun kommt der FC Bayern.
Hansi Flick machte sich noch ein letztes Mal nützlich für seine Mannschaft. Mit dem FC Sevilla war gerade ein weiterer Gegner souverän besiegt, jetzt galt es die Spieler für ein Gruppenfoto zu versammeln, um die Rückkehr von Mittelfeldantreiber Gavi nach fast einem Jahr Auszeit wegen eines Kreuzbandrisses zu feiern. Sogar die Verletzten beorderte Flick von der Tribüne hinunter, bis sich alle um den Wiederkehrer geschart hatten. Der FC Barcelona im Herbst 2024: eine glückliche Familie.
So mag es Flick, der ehemalige Trainer des FC Bayern und der deutschen Nationalelf, ein bekennend harmoniebedürftiger Mensch. Bemerkenswert bringt er Dinge in Barcelona in Einklang. Aus einem notorisch geschwätzigen und komplizierten Klub dringen keine Misstöne. Die Mannschaft siegt einfach, neunmal in zehn Ligaspielen, zuletzt 5:1 gegen Sevilla.
Niemand in Europa hat in dieser Saison bisher so viele Tore geschossen wie Barça, 39, es folgen die Bayern mit 38. Heute treffen beide Mannschaften im Olympiastadion der katalanischen Metropole aufeinander. Hohe Verteidigungslinie – Barça hat seine Gegner bereits 75 Mal ins Abseits gestellt, auch das Europarekord – und immer das gegnerische Tor im Visier: Es könnte ein denkwürdiger Shootout werden.
Es ist aber natürlich auch ein spezielles Wiedersehen. Im Fußball vergeht die Zeit manchmal sehr schnell. Aber es ist tatsächlich erst vier Jahre her, dass Flick den FC Bayern zum Champions-League-Sieg führte, unter anderem durch ein historisches 8:2 gegen Barcelona. Und es ist gerade mal ein gutes Jahr her, dass er nach einer komplett verunglückten Amtszeit als Nationaltrainer entlassen wurde. Manuel Neuer, Thomas Müller, Joshua Kimmich, den einst von ihm aus der Bayern-Jugend in die erste Elf beförderten Jamal Musiala: Etliche Spieler wird er heute wiedersehen.
Elogen über den FC Barcelona
Im Vorfeld wurden fleißig Elogen ausgetauscht. „Sehr besonders“ sei es, „gegen Hansi zu spielen“, erklärte Kimmich. Bayerns Ex-CEO Karl-Heinz Rummenigge erklärte, er habe es damals „sehr bedauert“, dass Flick wegen interner Streitigkeiten (unter anderem mit dem damaligen Sportdirektor Hasan Salihamidžić) schon nach anderthalb Jahren wieder ging. Als Nationaltrainer sei er dann „ein Opfer des damals total instabilen DFB“ geworden, so Rummenigge zum Kicker. Flick selbst gab sich am Dienstag etwas nüchterner. Eine „wunderschöne Zeit“ habe er in München gehabt, aber er sei ein Mensch, der nur in der Gegenwart lebe. „Jetzt gibt es ein neues Kapitel“, und für das reservierte er die meisten Elogen. „Grandios“ sei Barça: „Jeder Tag macht Spaß.“
Wenn man so will, steht es in Flicks Trainerkarriere nach den Erfolgen mit Bayern und dem Scheitern mit der Nationalelf unentschieden 1:1. Auf der dritten und vielleicht letzten großen Station des immerhin schon 59-Jährigen würde sich die Partie dann entscheiden und diese Woche würde mit dem Bayernspiel und dem am Samstag folgenden Clásico beim Erzrivalen Real Madrid ein wichtiger Wegweiser gesetzt. Aber so überhöht würde er selbst das natürlich nie ausdrücken.
Zu Flicks größten Stärken gehört es, das aufgeregte Fußballgeschäft entdramatisieren zu können. Im persönlichen Umgang zeigt er sich charismatisch und einfühlsam, so stärkt er Spielern den Rücken. Nach außen wiederum sagt er nur das Nötigste und vermeidet so jegliche Polemiken. Dass er bisher weder Katalanisch noch Spanisch spricht, kommt ihm so gesehen sogar zugute. Von Vereinsseite wiederum lässt man ihn in Ruhe arbeiten. Um die Botschafterrolle kümmert sich Präsident Joan Laporta, dem Emotionen und Pathos aus jeder Pore kommen. An Flick schätzt der Anwalt besonders, dass er im Gegensatz zu Vorgänger Xavi „keine Ausreden sucht“.
Tatsächlich folgt Flick dem Grundsatz, sich nur mit Dingen zu beschäftigen, die er kontrollieren kann. Also nicht über Schiedsrichter, eine teils unheimliche Verletztenserie oder Barças Schulden und ergo Transferengpässe zu klagen. Sondern das Glas halbvoll zu sehen, immer neue Spieler aus der Jugendakademie La Masia einzubauen, das Ausnahmetalent des 17-jährigen Lamine Yamal zu potenzieren, den 36-jährigen Robert Lewandowski (16 Saisontore) wieder zu der effizienten Tormaschine zu machen, die er bei den Bayern war. Flick kam mit positivem Denken nach Barcelona, hat den Klub damit infiziert. Die Erfolge verstärken diese Dynamik. „Es ist gut, das Selbstvertrauen zu spüren“, erklärte er nach dem Sieg in Sevilla: „Sind wir erst mal vollständig, wird das ein unglaubliches Team sein.“
Fürs Erste fehlen Langzeitverletzte wie Torwart Marc-André ter Stegen (Patellasehnenriss) oder Abwehrchef Roland Araújo. Gavi, Frenkie de Jong oder Dani Olmo sind gerade erst in den Kader zurückgekehrt. Doch nach Jahren des Verfalls geht Barça mit restaurierter Zuversicht in das Duell mit den Bayern. Die letzten fünf Spiele gegen die Münchner hat man bei einer Tordifferenz von 2:19 allesamt verloren. Hansi Flick kann vor diesem Hintergrund fast nur gewinnen.
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