Hannover Anfeindungen und Ausgrenzungen in Schulen und Ausbildungsstätten : Eine Schule stellt sich dem Problem: Wo fängt Rassismus an?
von Malaika Rivuzumwami
Dienstagnachmittag an der „Berufsbildenden Schule 2“ in Hannover: taz.meinland ist auf Einladung der Schüler*innen zu Besuch. „Rassistische Äußerungen höre ich in meinem Betrieb oft“, erzählt Kai Wellhausen, angehender Fleischer. „Wenn ich dann frage: ‚Hast du schlechte Erfahrungen mit Ausländern gemacht?‘, ist die Antwort meistens: ‚Nö, ich mag die einfach nicht‘“. Die Zustimmung seiner Mitschüler*innen zeigt, dass nicht nur er solche Erfahrungen gemacht hat. Um sich dem Thema zu stellen, ist die Schule seit 2015 Teil des deutschlandweiten Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“.
Mit dem Blick auf ihr Smartphone und einem eher gelangweilten Gesichtsausdruck betreten die Schüler*innen den Raum. Offenbar wünschen sich viele die Pausenglocke eher herbei als eine Tageszeitung aus Berlin, die mit ihnen das Thema Rassismus diskutieren will. Vor allem die Schülerinnen im Raum scheuen sich zu Beginn der Veranstaltung am runden Tisch Platz zu nehmen. Doch schnell zeigt sich, gerade die zwei jungen Frauen, die noch zur Runde dazu stoßen, können sich gegen die Platzhirsche behaupten.
Allerdings nicht nur sie, denn die Themen „offene Gesellschaft“ und „Rassismus“ sorgen für ordentlich Gesprächsstoff. Ein Leben miteinander, nicht aneinander vorbei, die Menschen wahrnehmen und akzeptieren – das sei ihnen allen wichtig. Über die Umsetzung dessen, ist man sich im Raum jedoch nicht ganz einig. Besonders die Flüchtlingskrise, die Umbrüche in Europa und die AfD sorgen für Streitgespräche.
Viele sind der Meinung, dass die AfD gezielt auf Personen zugehe, die im Allgemeinen unzufrieden seien. Gerade deshalb müsse die Politik diese Unzufriedenheit im Land in den Griff bekommen. Gleichzeitig wird deutlich: Die Auszubildenden sind auch unzufrieden. „Einerseits versteh’ ich AfD-Wähler. Wenn Leute herkommen und Scheiße bauen, werde ich sauer! Aber, nur weil eine Pflaume faul ist, sind nicht alle faul.“ Emrah Ulus ist selbst als Kind mit seinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Die Stimmung im Land gegen Immigranten empfindet er mittlerweile als „asozial“.
„Die Medien“ würden genau diese Stimmung unterstützen, finden die meisten. Einige Schüler*innen geben jedoch auch zu, sich nicht wirklich für Politik zu interessieren. Ihre Informationen beziehen sie aus Überschriften und sozialen Netzwerken. Fake News kursieren auch auf dem Pausenhof.
„Wenn ich durch die Stadt laufe und Flüchtlinge sehe, die ein iPhone 6 haben, dann wundere ich mich“, gibt ein Schüler aus dem Publikum zu. Die Schüler*innen genießen mit ihren Berufswünschen in der Gesellschaft oft nicht viel Ansehen. Fleischer*innen oder Bäcker*innen stehen auch innerhalb der Jugendgruppen nicht für besondere Coolness. Wenig Wertschätzung, schlechte Bezahlung. Da bleibt Neid auf Randgruppen oft nicht aus. Auf die Frage, was sie denn zur Gesellschaft beitragen würden, antwortet einer der Berufsschüler: „Ich? Dass ich kein Intensivstraftäter mehr bin.“
Die „Nafri“-Debatte
Aber wo fängt Rassismus eigentlich an? Während der Veranstaltung sorgt die sogenannte „Nafri“-Debatte für Streit. Für die einen ist der Begriff „Nafri“ eine unmögliche Aussage und der Beweis, dass Politik und Medien den Hass in Deutschland schüren. Eine andere Schülerin wirft dagegen ein: „Aber wir kürzen doch alles ab. Das stört sonst auch niemanden!“
Mit dem Läuten der Schulglocke ist die Diskussion beendet. Das Thema hat zwar viele zum Sprechen gebracht, doch das Klingeln, das Freiheit verspricht, ist zumindest heute lauter als der Wunsch nach einer längeren politischen Debatte. Dennoch: taz.meinland will im Sommer wiederkommen – ob wir dürfen, überlegt sich die Lehrer*innenschaft noch.
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