Hannes Koch über die Zukunft der angeschlagenen SPD: Mehr links, weniger Mitte
Sigmar Gabriel will offenbar nicht Bundeskanzler sein. Dabei haben SPD, Grüne und Linke zusammen 320 Sitze im Bundestag, die Union kommt auf 310. Wenn Gabriel und die SPD wollten, könnten sie sofort in einer rot-rot-grünen Koalition regieren. Möglicherweise ist es dieses Ignorieren der eigenen Gestaltungskraft, das den Verfall der Partei beschleunigt. Nur noch 20 bis 25 Prozent der Wähler vertrauen der Partei, die nächste Niederlage bei der Bundestagswahl 2017 zeichnet sich ab. Die ehemalige Volkspartei scheint auf dem Weg in die Marginalisierung. Was also tun?
Seit dem Godesberger Programm von 1959 ist die SPD eine Partei der linken Mitte. Sie muss ständig die Balance zwischen diesen beiden Positionen neu bestimmen. Das augenblickliche Mischungsverhältnis scheint für die Wähler nicht mehr attraktiv zu sein. Zum Glück wissen Teile der SPD noch, was heute links sein könnte. Sie verlangen, den Abstand zwischen Arm und Reich nicht weiter zu vergrößern. Sie plädieren für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, höhere Erbschaftsteuer und höheren Spitzensteuersatz, eine Kapitalertragssteuer, die den Namen verdient, und energische Maßnahmen gegen Steuerflucht. Gerechtigkeitspolitik angesichts der Globalisierung.
Die Grünen würden beim Regierungswechsel mitmachen, vermutlich auch die Linken. Dort bekämen damit die Reformer die Gelegenheit, sich der Wagenknecht-Fraktion zu entledigen. Die Alternative bestünde darin, dass sich die SPD nach 2017 weitere vier Jahre von der Union totkuscheln ließe.
Eine politische Weisheit lautet: Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Wenn sich jedoch zu viele dort drängeln, wird der Platz zu eng. Diese Schlussfolgerung ziehen manche auch in der Union, die sich – ihrer Herkunft entsprechend – mehr nach Mitte-rechts orientieren könnte. Auch das ist ein Argument, warum die SPD auf ihrem angestammtem Feld moderne, linke Politik machen sollte.
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