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Hannes Koch über die Konjunkturprognose für 2018Luxusdebatte und Luxuspolitik

Wir erleben gerade eine Luxusdebatte. Wirt­schafts­for­scher*innen diskutieren darüber, ob die Lage in Deutschland sehr gut ist oder zu gut. Im zweiten Fall, befürchten manche, könnte der Motor überhitzen. Dann stiegen die Preise plötzlich schnell an. Tatsächlich ist davon aber nichts zu sehen. Die Fakten sind: Die Zahl der Arbeitslosen ist auf vergleichsweise niedrige 2,5 Millionen gesunken, dagegen arbeiten mittlerweile über 44 Millionen Menschen – ein Rekordwert. Vielen Bundesbürger*innen und Firmen geht es so gut wie lange nicht.

Das wäre jetzt mal die Gelegenheit, sich um die wirklichen Probleme zu kümmern. Vermutlich aber wird die neue Bundesregierung scharf daran vorbei zielen. Weil vor allem die Union es will, sinkt demnächst die Einkommensteuer. Sollte es wieder zur großen Koalition kommen, widersetzt die SPD sich dem wohl nicht. Auch die Partner eines Jamaika-Bündnisses hätten dies beschlossen.

An der zunehmenden sozialen Spaltung, die unsere Gesellschaft destabilisiert, ändert das nichts. Wer zum ärmeren Drittel gehört, profitiert davon kaum, denn von niedrigen Einkommen zahlt man sowieso wenig Steuern. Besser wäre es, die Sozialabgaben zu reduzieren, denn die entrichten selbst Beschäftigte mit Minigehältern ab 850 Euro monatlich bereits in voller Höhe. Auch ein niedrigerer Mehrwertsteuersatz auf Nahrungsmittel und den öffentlichen Nahverkehr könnte helfen.

Außerdem ist der Staat an manchen Stellen noch immer unterfinanziert – trotz der guten Lage. Dutzende Städte sind so verschuldet, dass ihnen Geld und Mitarbeiter für eine wirksame Sozialpolitik fehlen. Sie müssten Milliarden investieren, damit sich nicht ganze Stadtteile von der Mehrheitsgesellschaft abkoppeln. Grundsätzlich ist das Geld dafür vorhanden, der Staat erzielt insgesamt stattliche Überschüsse.

Diesen Spielraum jedoch für eine Senkung der Einkommensteuer zu verballern, ist unnötig und falsch. Weil es den meisten Leuten, die davon profitieren, ohnehin gut geht, wäre das reine Luxuspolitik.

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