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Hanna Poddig muss für Ankett-Aktion zahlen14.000 Euro für Gleisblockade

Im Februar 2008 kettete sich Hanna Poddig an ein Bahngleis, um gegen den Afghanistankrieg zu protestieren. Nach jahrelangem Streit vor Gericht steht nun fest: sie muss zahlen.

Hanna Poddig im Gerichtssaal des Oberlandesgerichtes in Schleswig. Bild: dpa

SCHLESWIG taz | Die Politaktivistin Hanna Poddig muss die Kosten für die Reparatur eines bei einer Blockadeaktion beschädigten Gleises tragen: Das entschied am Freitag das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht. Es wies die Berufung Poddigs gegen ein entsprechendes Urteil des Flensburger Landgerichts zurück.

Mit dem Richterspruch vom Freitag, den die UnterstützerInnen Poddigs mit Protestrufen begleiteten, endet ein Fall, der vor drei Jahren begann. An einem Sonntag um drei Uhr morgens in einer Februarnacht kettete sich die heute 25-jährige Poddig an ein Bahngleis in Nordfriesland (Schleswig-Holstein) nahe einem Bundeswehrdepot, um gegen Waffen- und Materialtransporte für den Afghanistaneinsatz zu protestieren. Die Landes- und die für Bahn zuständige Bundespolizei erschienen, später Experten vom Technischen Hilfswerk, die die Gleise aufschnitten, um Poddig "herausfädeln" zu können, wie der Schleswiger Richter Oliver William sagte.

Im vergangenen Jahr wurde Poddig schon strafrechtlich verurteilt, jeder Prozesstag wurde zu einem Happening, das Poddigs Truppen mit Konfetti, Ballons und Störrufen anführten, worauf die Gerichte mit Wachposten, Durchsuchungen und Raumverweisen antworteten.

Für Terroristenprozesse gesicherter Saal

Nun scheiterte Poddig – in einem gesicherten Saal, der sonst für Terroristenprozesse benutzt wird – in der zweiten Instanz des Zivilverfahrens: Das Gericht stellte fest, dass die Netz AG, ein Tochterunternehmen der Bahn, Anspruch auf Schadensersatz für die Reparatur der Gleise hat. Sie verlangt rund 14.000 Euro - wie viel es wird, muss das Landgericht Flensburg entscheiden, an das der Fall zurückgeht.

Verteidiger Dieter Magsam argumentierte, nicht Poddig, sondern die Bundespolizei habe den Schaden verursacht: Denn die Beamten hatten angeordnet, die Gleise aufsägen zu lassen. Dabei hatte die Landespolizei die Demonstration zuvor nicht aufgelöst. Der Anwalt verwies auf andere Fälle, etwa Castorblockaden, wobei Gleise repariert wurden, ohne dass die Demonstranten zahlen mussten.

Wie privat ist ein Bahndamm?

Vor allem aber ging es um die Frage, wie privat ein Bahndamm ist. Richter William erklärte, bei einer privatrechtlichen Frage hätten "Grundrechte weniger Relevanz". Auch die Demonstrationsfreiheit sah er nicht gefährdet. Sie gebe nicht das Recht, sich auf einem Grundstück gegen den Willen des Besitzers zu versammeln. "Ein Verhalten, das normalerweise nicht gestattet ist, kann durch die Versammlungsfreiheit nicht erlaubt werden", argumentierte er.

"Sie können nicht so tun, als wäre ein Gleis Lieschen Müllers Vorgarten", protestierte Magsam. Die Bahn sei Teil des Gemeinwesens und dürfe nicht rein privatrechtlich behandelt werden. Er warnte, dass dies angesichts von weiteren Privatisierungen auf immer mehr Bereiche der Gesellschaft zutreffen könnte. Gestärkt wird diese Position durch ein Verfassungsgerichtsurteil: Demnach darf in Flughäfen demonstriert werden, da sie öffentlichen Charakter haben.

Poddig kündigte an, dass sie weitere rechtliche Schritte unternehmen wird. Die "Vollzeitaktivistin" erzielte bundesweite Bekanntheit unter dem Spitznamen Container-Hanna: Da sie kein Geld vom Staat beziehen will, ernährte sie sich zeitweise aus Resten, die sie im Müll fand. Im vergangenen Jahr veröffentlichte sie das Buch "Radikal mutig".

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18 Kommentare

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  • PN
    Peter Nuding

    Einfach nur zum erbrechen! Leider wird es in Deutschland nie eine Revolution geben, weil das Betreten des Rasen vor dem Bundestag nicht gestattet ist.

  • IB
    Inge Broer

    @Anamor

     

    Eben!

    Es ist doch wohl völlig unverantwortlich, frühaufstehende Arbeitnehmer, die sich systemkonform verhalten, Recht und Gesetz achten, Eigentumswohung und Neuwagen abzahlen müssen, derart in ihren Freiheitsrechten einzuschränken, nur weil eine verblendete Frau meint, dass Wirtschaftskriege Verbrechen seien.

    Abstrus!

     

    Stellen sie sich nur vor, es würde tausende von der Sorte Poddig geben.

     

    Wie sollte dann die - demokratisch legitimierte und von fast allen Bundestagsparteien gedeckte - Verteidigung Deutschlands am Hindukush aufrechterhalten werden können?

     

    Wie sollte ein seriöser Staat wie Deutschland dann noch befähigt sein mittels Militär Weltpolitik zu betreiben?

    Was würden unser transatlantischen Partner denken, wenn man Aussenpolitik, gezwungenermaßen, unter dieser "konstruierten hypermoral" der Gutmenschen gestalten müsste?

    Überlegen sie, nur weil irgendwo angeblich Menschenrechte verletzt werden, sollen wir dann den Export von Luxusgütern für die dortigen Eliten einstellen?

    Was durch solch sozialromantisches Handeln hier an Arbeitsplätzen verloren ginge, bedenken Menschen wie Poddig überhaupt nicht.

     

    Ich bin froh, dass der Staat hier so deutlich seine Krallen zeigt, Recht und Ordnung müssen aufrecht erhalten werden.

    Es darf nicht sein, dass erklärte Systemkritiker hier ungestraft Boden gewinnen und ihre gemeingefährliche Weltverbesserer-Ideologie ausbreiten und damit letztlich Wirtschaft und Ansehen diesem freien, demokratischen Landes schaden.

  • IG
    Irv Gutti

    Warum hat sie nicht einfach ganz normal auf der Straße demonstriert, so wie Millionen anderer Menschen auch??? Gibt es da nicht soviel Aufmerksamkeit???

  • TS
    Thomas Shamrock

    Es ist doch so offensichtlich was dieses Urteil bedeutet: Niemand in diesem Land soll sich noch medienwirksam an Demonstrationen beteiligen!

    Heute heißt es 20 Euro zu berappen wenn man sich von der Polizei von den Gleisen oder von der Strasse tragen läßt. Vielleicht dann bald auch noch 40 Euro wenn bei dem Abtransport Tränengas eingesetzt wird und 250 Euro für den Einsatz eines Wasserwerfers.

    Ich weiß nicht woher diese Niederträchtigkeit herkommt und man der Frau vorwerfen muß das sie vielleicht das Geld noch in Talk-Shows oder in einem exklusiv Interview zu verdienen, selbst wenn sie 250 000 Euro damit macht, solange sie sich so einsetzt sehe ich keine Probleme damit. Schändlich ist das Gerichtsurteil und der Umgang mit der Demonstrationsfreiheit in der Politik.

    Wir sollten uns alle mit Macht und Einsatz gegen die Art und Weise auflehnen wie der Atommüll in unsicheren Deponien lagern und langsam das gesamte Grundwasser des Landes und damit jeden Bundesbürger vergiften.

  • G
    Gast

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    Ok, die Dame erhält kein Geld vom Staat. Die Frage muss jedoch erlaubt sein wie es mit der Nutzung der Infrastruktur eben dieses Staates ausschaut. Ist die Dame auf unbefestigten Wegen und Pfaden an den Ort der "Demo" gelangt? Wie verhällt es sich wenn Sie krank ist? Wer bezahlt den die Krankenversicherung? Hat die Dame keine? Wie definiert diese Dame Solidarität? Heuchelei in Reinkultur!

  • M
    Makakenaffe

    Spricht vieles für anonyme Aktionsformen...

  • A
    anamor

    Warum hat sie sich nicht einfach mit einem Schild vor das Verteidigungsministrium gestellt, um gegen den Krieg zu protestieren? Achso, da bekommt man wahrscheinlich keine so guten Artikel in Presse und keine Einladungen in Talkshow, die helfen das aufgeblähte Ego als heldenhafte Kämpferin gegen den Krieg und gegen alles Unrecht der Welt darzustellen.

     

    Bahngleise sind öffentliches Eigentum, auf denen Tausende von Menschen transportiert werden. Eine Blockade oder eine Beschädigung greift massiv in deren Freiheitsrechte ein und gefährdet ihr Leben. Aber Leuten wie Poddig ist das scheinbar egal. Aufgrund einer von ihr und anderen "Aktivisten" konstruierten Hypermoral, glaubt sie über dem Recht und über dem Gesetz zu stehen und nimmt dafür auch Menschenleben in Kauf. Solchen Fanatikern kann man nur mit Geldstrafen begegnen, Argumente sind da wohl zwecklos.

  • A
    Amir

    die Super-Hanna hat leider das Pech, nicht mehr zu der Generation zu gehören, bei der es eine Ehre war, den Staat abzukassieren. Von Müllresten leben ist doch einfach bescheuert, hier gibt´s doch genug. Aber soweit ich das als Anti-Diplom-Volks-Sachverständiger mittlerweile mitgekriegt habe, muß man sowas ja nur bezahlen, falls man´s irgendwann mal verdienen sollte. Und dann geht man einfach zu Ackermann (ist halt das Aushängeschild das man beschissenerweise kennt) und läßt sich erzählen, wie man das verdiente Geld dann ordentlich vor diesem gerechten Staat und seiner arroganten Justiz versteckt.

  • P
    petronius

    lieber frank schulz:

     

    "der Staat", der dich angeblich "so langam mal sonstwas kann" - das sind auch du und ich. zumindest aus meinen steuergeldern (ob du welche erwirtschaftests und zahlst, weiß ich nicht - fr. poddig jedenfalls wohl nicht) wird nämlich fr. poddigs vorliebe für kreatives bonding bezahlt. und das seh ich eigentlich nicht ein, begrüße daher, daß sie ihr privatvergnügen auch privat finanzieren darf

     

    wie wir alle sonst ja auch

     

    nur weil man sich aus containern ernährt, gibt einem das nicht das recht, allen anderen ungestraft vor den koffer zu scheißen

  • PW
    Peter Walter

    Ich finde das Urteil korrekt.

    Wenn ich schon protestiere, müßte mir das Geld doch egal sein.

  • H
    Hatschepuh

    Repression von allen Seiten seitens es Staats. Man erinnere immer wieder daran, dass bis heute kein haltbarer Beleg oder Grund, sondern nur verwaschene Videos ohne Beweiskraft und unter Folter u.a. erpresste Geständnisse, für den Überfall des Nordatlantischen Terrorbündnisses (wers nicht glaubt lese GLADIO auf Wikipedia nach) NATO vorliegen. Gegen diesen illegalen Angriffskrieg des Westens zu demonstrieren verdient Respekt. Aber man sieht wieder, dass Legalität nichts mit Recht zu tun hat!!! Wir brauchen dennoch mehr zivilen Ungehorsam gegen den konservativ-rechten Moloch unseres Landes angesichts eines durch ebendiesen immer repressiver werdenden Staatsapparates und seiner Repressionsvollstrecker in grün und blau. eingeben

  • H
    Hatschepuuuuuh

    Repression von allen Seiten seitens es Staats. Man erinnere immer wieder daran, dass bis heute kein haltbarer Beleg oder Grund, sondern nur verwaschene Videos ohne Beweiskraft und unter Folter u.a. erpresste Geständnisse, für den Überfall des Nordatlantischen Terrorbündnisses (wers nicht glaubt lese GLADIO auf Wikipedia nach) NATO vorliegen. Gegen diesen illegalen Angriffskrieg des Westens zu demonstrieren verdient Respekt. Wir brauchen mehr zivilen Ungehorsam angesichts eines immer repressiver werdenden Staatsapparates und seiner Repressionsvollstrecker in grün und blau.

  • V
    vic

    Das muss man sich mal vorstellen. Da kriegt jemand den Hintern vom Sofa und demonstriert gegen Krieg, also für Frieden. Und wird vom kriegführenden Staat dafür bestraft.

    Was für ein Land ist das, was für eine Welt.

  • P
    pablo

    da das BVerfG sich auf eine verhandlung freut in der es darum geht ob wann und wie ein "privatgrundstück" von der versammlungsfreiheit ausgeschlossen ist würde ich es begrüßen wenn hier weitere höhere instanzen darüber entscheiden müssten. desweitern ist die bahn und damit auch ihre tochtergesellschaften mehrheitlich im staatsbesitz und daher gilt hier lt. BVerfG urteil auch die versammlungsfreiheit. m.E. ein urteil das gegen das urteil der BVerfG verstößt. auch die argumentation des anwalts ist schlüßig, bei castor transporten wird also anderes recht angewendet als bei protesten gegen krieg. fazit: nicht alle sind vor dem gesetzt gleich.

  • B
    bahnfahrerin

    @rico: das urteil besagt aber nicht, dass jetzt überall demonstiert werden darf, wo staat eigentümer des unternehmens ist. im urteil ist z.b. nicht die rede davon, dass auf der landebahn des flughafens demonstriert werden dürfe. sondern in bestimmten öffentlichen bereichen des flughafens...

    auch wenn es schön wäre und das anketten schön um gegen (afghanistan)krieg, rüstungsscheiße oder ähnliches zu demonstrieren. aber mit dem bverfg urteil kommt man da so einfach net dran.

  • P
    pizzaidf

    danke, taz - mal eine gute nachricht. plausible urteilsbegründung, absolut nachvollziehbar. ich glaube ohnehin, dass man politischer gewalt am ehesten zivilrechtlich in den griff kriegt.

  • R
    rico

    Die Argumentation Gleise sind privater Grund könnte nach einem Urteil des BVerfG nochmal hinterfragt werden: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg11-018.html

     

    Hier ging es um Versammlungsfreiheit auf dem Frankfurter Flughafen, einer privaten Firma im Besitz der öffentlichen Hand. Das trifft auf die DB auch zu.

  • FS
    Frank Schulz

    Starke Frau! Respekt! Wie armselig erscheinen gegen so viel Mut doch die feinen, guten, auschließlich rechtsstaatlich handelnden Konzerne, die ihre Gelderchen eintreiben müssen, die durch solche Terror-Aktionen verloren gingen. Ja, so siehts aus in unserem Land - Lügner und Betrüger sind und bleiben Minister, aufrechte und aktive Menschen müssen zahlen. So langam kann mich der Staat mal sonstwas.