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HanfparadeGebt doch alles frei!

Hippies, Punks und Ökos wollen Gras aus ökologischem Anbau, dafür demonstrieren sie auf der Hanfparade. Damit nicht genug: Jungliberale und Grüne setzen sich für legales Koks und Ecstasy ein.

"Freiheit für alle Hanfgefangenen" fordert ein Demonstrant am Samstag auf der Hanfparade. Bild: Franka Bruns/AP

Statt eines Huts trägt er einen ausgehöhlten Kohlkopf, vor seinem Kugelbauch baumelt eine Girlande aus dicken Zwiebeln, Lauch und Kohlrabiknollen. Der etwa 40-jährige Mann demonstriert jedoch nicht für gesunde Ernährung, er setzt sich mit seiner Aufmachung für die Legalisierung eines Rauschgifts ein: "Hanf ist ein Gemüse wie jedes andere auch", sagt der Demonstrant, der sich Picomeonass nennt. Dabei torkelt er mächtig. Benebelt ist er aber nicht vom grünen Wundergras, sondern vom Alkohol. Ausgerechnet.

Der eigensinnige Gemüsevertreter ist einer der rund 1.000 Teilnehmer an der Hanfparade, die am Samstag durch Berlin ziehen. Zu entspannten Reggae-Beats fordern sie "Jugendschutz, Verbraucherschutz und Legalisierung" des grünen Krauts.

Die zwei Demowagen der Parade sind geschmückt mit selbst gebastelten Hanfblättern, Sonnenblumen und grünem Tüll. Eine Nebelmaschine sorgt für den stilechten Dunst. Kurz vor Beginn gegen 13.30 Uhr verteilen die Veranstalter Pappschilder mit Aufschriften wie "Mein Freund der Dealer" an einige Teilnehmer. Althippies mit Batikshirts, ein paar Punks, jugendliche Hiphopper, Ökos und langhaarige Dreadlocksträger haben sich vor den Demowagen versammelt. Einige tragen Kränze aus Plastikhanf im Haar, andere zeigen dicke "Tüten" aus Zeitungspapier.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck steigt als erster Redner auf einen Wagen. Die alte Parole von Hans Christian Ströbele sei immer noch richtig, ruft er: "Gebt das Hanf frei!" Die Menge jubelt. Ein junger Mann mit Afroperücke hält seine riesige Pfeife in die Luft. Nur durch die Legalisierung könne der Konsument geschützt und seine Gesundheit gesichert werden, so Beck.

Mit kifferüblicher Verspätung - so gegen 14 Uhr - setzt sich der qualmende Tross dann gemächlich in Bewegung. Vom Alexanderplatz gehts über die Museumsinsel. Vor der Humboldt-Universität steigt Mischa Hecker auf den Wagen. Er ist Sprecher der "Julis", der Nachwuchsorganisation der FDP. Auch er will, dass die Kriminalisierung von weichen und harten Drogen ein Ende hat, und fordert sogar: "Gebt das Koks frei!" Die Menge ist auch davon begeistert.

Die 24-jährige Demonstrantin Yana aus Israel versteht zwar kein Deutsch, findet aber die Atmosphäre "unglaublich". "In Israel gibt es nur eine Partei, die sich für die Legalisierung von Marihuana einsetzt. Die haben es aber bisher nicht in die Knesset geschafft", sagt sie.

Erstaunlich schnell ist es dann 16 Uhr. Am Checkpoint Charlie spricht sich Julia Seeliger, die im Berliner Landesvorstand der Grünen sitzt, für mehr Transparenz beim Hanfanbau und für ein Recht auf Gelderstattung bei gepanschtem Gras aus: "Wir Ökos wollen Gras mit Biosiegel." Sie geht noch weiter und plädiert für "fair gehandeltes Opium und ökologisch unbedenkliches Ecstasy". Die Demonstranten sind euphorisch; ein süßlicher Geruch liegt in der Luft. Auch Paradegänger Robert aus Potsdam ist für Biogras. "Ökologischer Anbau ist eine gute Variante", findet er und schwenkt seine Fahne, auf der "Free the Weed" steht. Nach Biobananen und fair gehandeltem Kaffee hat der Ökotrend auch die Kifferszene erreicht.

Um 17 Uhr erreicht der Krautkonvoi unter wummernder Technomusik vom ersten Wagen und fröhlichem Bob-Marley-Sound vom zweiten Wagen den Zielort Potsdamer Platz. Steffen Geyer, Mitarbeiter im Deutschen Hanf Verband (DHV) und Mitorganisator der Hanfparade, zieht eine positive Bilanz. "Das Jointverbot hat allerdings dazu geführt, dass die Leute zu früh zu viel Alkohol getrunken haben", schränkt er ein. An das Verbot haben sich nicht alle Teilnehmer gehalten. Gegen 23 Personen wurden Strafverfahren eingeleitet, wie die Polizei am Sonntag erklärt. Grund: Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.

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7 Kommentare

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  • AE
    Ario Ebrahimpour Mirzaie

    Liebe TAZ, liebe LeserInnen,

     

    der Artikel über dei 12. Berliner Hanfparade liefert neben vielen wichtigen Informationen leider auch einige Unwahrheiten:

     

    1. lief auf der Hanfparade kein einziger Bob Marley Song, stattdessen geile Musik von ROBOSONIC. Soviel Genauigkeit muss schon sein.

     

    2. lehne ich die im Eingangstext vorgenommene dumpfe Stereotypisierung der TeilnehmerInnen der Hanfparade ab. Ich bin weder "Öko", noch "Hippie", noch bin ich Punk oder irgendein anderes Klischee des (so klingts) nostalgischen "Verlierers der Leistungsgesllschaft". Ich bin ein Mensch aus der Mitte der Gesellschaft, leiste meinen Obulus und bin von heute. Diesen altbackenen Hippie- Muff wähle ich nicht als Identifikationsbasis für mich.

     

    3. lehne ich den Gebrauch des Wortes "Rauschgift" ab. Er widerspricht nicht nur meinem Weltbild sondern ist auch gar nicht opportun in der Szene die TAZ liest. Mal das Ohr näher an die Basis halten, denn die Wortwahl sagt schon viel aus.

     

    4. wo bleibt eine Diskussion um die Polizeipräsenz. Wo bleibt eine Diskussion darüber ob es Sinn macht bei der Hanfparade EINZELNE raus zu ziehen, wo doch jeder weiß dass jeder auf der Parade was zu verbergen hat. Lieber ein dummer "ehrlicher" Kessel als das bloß stellen Einzelner!

     

    Für die Zukunft wünsche ich mir weniger nostalgisches Bla Bla a la "exotische Hanfparade" und viele Querköpfe sondern eine fundierte politisch wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Cannabis- Prohibition und ein reales Abbild der TeilnehmerInnen. Wir waren dieses Jahr zehnmal mehr Menschen als letztes Jahr, das spricht für sich. Und wir waren alle Arten von Menschen, nicht nur Aussteiger, Hippies und Co.

     

    Viele junge Leute von heute wollen nicht mit den Stereotypen von gestern verglichen werden. Unser Anliegen ist von heute. Wir sind Leute von heute.

     

    Für einen neuen politischen Liberalismus!

     

    Mit freundlichen Grüßen,

     

    Ario Ebrahimpour Mirzaie (Mitglied im Bundesvorstand der GRÜNEN JUGEND)

  • AE
    Ario Ebrahimpour Mirzaie

    Liebe Leute von der TAZ, liebe LeserInnen,

     

    der Artikel beinhaltet neben vielen wichtigen Informationen über die - auch von der GRÜNEN JUGEND mitorganisierten - 12. Hanfparade in Berlin auch viele Unwahrheiten. Zunächst einmal wurde nicht ein Mal Bob Marley auf der Hanfparade gespielt. Stattdessen tolle Musik von ROBOSONIC.

     

    Zum zweiten finde ich die bereits im Eingangstext stattfindene Stereotypisierung der Hanfparade- TeilnehmerInnen recht engstirnig und altbacken. Das klingt für mich nach einer Exotisierung meines Lebensstiles der ich in dieser Form nicht zustimmen kann. Ich bin weder Aussteiger noch Alt- Hippie, auch nicht "Öko" oder "Hip-Hopper".

     

    In bin wie alle anderen politisch Aktiven der Hanfparade ein Mensch aus der "Mitte der Gesellschaft". Wir leisten alle auf unsere Art und Weise etwas für die Geselslchaft. Starke Schultern mehr, schwache weniger. Diese Aufzählung spiegelt in meinen Augen nicht das ganze Spektrum der TeilnehmerInnen auf der 12. Berliner Hanfparade ab. Es suggeriert ein - ich möchte niemandem zu Nahe treten - "Hippiebild" welches viele einfach nicht tragen wollen. Wir sind von heute!

     

    Drittens finde auch ich die Wortwahl "Rauschgift" für Cannabis recht repressiv angehaucht und gar anachronistisch. Wer redet heutzutage - ausser denen die wohl nicht zu den TAZ- LeserInnen gehören - in diesem Stil meiner Eltern über Gras?

     

    Nunja, bleibt zu hoffen dass ich in Zukunft mal wieder eine wissenschaftliche und vor allem politische Diskussion zum Thema Gras- Prohibition lesen kann. Die extreme Vermehrung der Demo- TeilnehmerInnen im Vergleich zu letztem Jahr spricht eine deutliche Sprache für die schnelle Legalisierung und die Thematisierung des Themas.

     

    Es gab mal eine Zeit da wäre in der TAZ auch noch das überproportionale und vor allem selektive Auftreten der Polizei thematisiert worden. Das Rauspicken und Wegtragen einzelner, friedlicher DemoteilnehmerInnen empfinde ich als sehr viel übleren Akt als einen "ordentlichen" Kessel.

     

    Liebe Grüße, Ario Ebrahimpour Mirzaie (Mitglied im Bundesvorstand der GRÜNEN JUGEND)

  • W
    wetter

    Och, ich kauf mir doch nicht die taz, um nen Artikel voller Klischees zu lesen, die landläufig bekannt und noch nicht mal richtig sind.

     

    Wir sind ja hier nicht bei der Neon!

     

    Schön, dass man sich so stark an dem Klassiker-Spruch "Gebt das Hanf frei!" orientiert - aber als Daheimgebliebener frag ich mich doch: Was ist denn jetzt nun aus den Verfahren gegen die Hanfplanzen auf den letzten Hanfparaden geworden? Gab es dieses Jahr einen weiteren Versuch legalen Nutzhanf zur Schau zu stellen?

     

    Auf diese naheliegenden Fragen gibts keine Antwort.

     

    Aber ganz will ich den Text nicht zerreden; die Forderungen nach mehr bio und öko im Gras hätte man sicher nicht ganz so leicht wie den Rest des Textes durch Fotos ersetzen können.

  • S
    Schroeder

    Hanf braucht endlich eine Lobby.

    Was wären die Alko-pops, der Weissbier-Waldi und der Marlboro-Mann ohne ihre Lobbyisten? Und woher kommt die Alkohol- und Tabaksteuer? Besteuert unser Staat etwa Suchtmittel die seine Bürger abhängig machen? Ein Schelm wer behauptet, es würde sich um "Harte Drogen" handeln.

    Was bleibt ist die Erkenntnis, dass unser Staat sich an der Abhängigkeit seiner Bürger mit der Tabaksteuer bereichert.

    Hinter der Gattung Hanf stecken keine Firmen und Konzerne. Vielleicht hat deshalb noch nie der durchdringende Wunsch in einem Ansatz gefußt, um eine Pflanze aus der Kriminalität und dem Schwarzmarkt herauszuholen. Mit Prohibition ist keinem geholfen. Die Verbote hindern heutzutage niemanden an der Beschaffung, oder informieren über Bestandteile und Wirkungsweisen. Eine kontrollierte Abgabe an mündige Konsumenten die ihre Steuern zahlen wie jeder andere Bürger auch, nicht zuletzt um einen Jugendschutz zu verwirklichen, der auch eingehalten werden kann, muss der Weg sein. Und mal ehrlich, hat schon einmal jemand versucht einem Heranwachsendem zu erklären warum eine Pflanze verboten ist? Es ist legitim zu verbieten, dass man nachts nicht an Hauswände uriniert, oder sich seines Abfalls selbstgerecht entledigt. Wir schützen die Natur, aber verbieten Pflanzen. Lebewesen gehören nicht verboten, sie sind Bestandteil der Natur. Wer wundert sich bei Stasi-Schäuble und Anti-Terror-Gesetzen noch über Zitate wie "Dein Vater Staat schlägt, und vergewaltigt Mutter Natur". Die Politikverdrossenheit lässt grüßen.

    Ganz ehrlich glaube ich derzeit nur an eine Legitimation von Cannabis zu medizinischen Zwecken.

    Die Tatsache das Rostocker-Forscher mit Cannabinoiden gegen Krebszellen die ein oder andere neue Entdeckung gemacht haben hat sich noch nicht sonderlich herumgesprochen. Nicht zuletzt als "Bio"-Medikament gegen eine Vielzahl von unangenehmen Symptomen bei schwerwiegenden Krankheiten substituiert Hanf bereits heute so manches Präparat aus der Schulmedizin.

    In diesem Sinne. Back to Nature!

  • TP
    Theo Pütz

    Der Artikel ist meiner Meinung nach an zwei stellen zu kritisieren.

    1. Die Hanfparade ist entgegengesetzt zu ihrem Behauptung, pünktlich um 14.00 Uhr losgezogen. Daher ist ihre Hinweis auf die "kifferübliche Verspätung" nicht nur falsch, sondern zeigt auf, dass selbst eine Zeitung wie die Taz anscheinend kein interesse daran hat sachlich zu berichten.

    2. Dies wir ebenfalls deutlich an der Begrifflichkeit "Rauschgift", obwohl Cannabis die Substanz mit der geringsten Giftigkeit ist. Pro Jahr sterben sicherlich mehr Menschen durch eine Überdosis Wasser (ertrunken), als durch Cannabis.

    Daher finde ich es mehr als erscheckend, dass selbst die so liberale Zeitung wie die Taz, es nicht sein lassen kann ein falsches Bild von Cannabis, bzw. von deren NutzerInnen zu verbreiten.

  • H
    Holger

    Was nützen zwölf Hanfparaden, wenn die, welche im Land das sagen haben den Merkbefreiungsschein in der Tasche mit sich herumtragen. Solange sowohl echte wie auch als Sozialdemokraten verkleidete Konservative den Festen Glauben an die "Mörderdroge Marihuana" mit sich herumtragen und NICHT LERNEN WOLLEN weils offensichtlich am zum lernen nötigen Schmalz unterm Hut fehlt oder die Pharmaindustrie zu mächtig ist, ändert sich definitiv nichts! Schade nur, daß dadurch weiterhin harmlose Kiffer von ihren Dealern mit Blei vergiftet werden können, schade nur daß man deshalb weiterhin Unmengen Bäume für die Papierherstellung abholzen muß und daß Schwerkranke weiterhin mit den in der Endkonsequenz tödlichen Chemiewaffen der habgierigen Pharmakonzerne vergiftet werden...

     

    Wenn man dann noch bedenkt daß Hanf meines Wissens wesentlich weniger schädlich als legaler Alkohol ist - und das sowohl Medizinisch als auch Gesellschaftlich - man könnte glatt an eine Verschwörung denken.

     

    Und überhaupt, was soll diese Bevormundung durch den Gesetzgeber? Gesetze sollten nicht dazu da sein, die Bevölkerung zu gängeln und immer weiter in ihrer Freiheit einzuschränken. Bei Hanf (Der oft gebräuchliche Begriff Marihuana wurde gezielt in den 1930er Jahren von den damals recht rassistischen US-Behörden benutzt die man ja heute bei uns so verehrt, um Hanf negativ zu belegen und damit gesellschaftsunfähig zu machen, man sollte dieses schlecht belegte Bäh-Wort bitte immer meiden!) - also beim Thema Hanf wird aber genau das getan! Unsere verschiedenen Bundesregierungen bewiesen in der Vergangenheit immer wieder totale Inkompetenz auf diesem Gebiet. Da werden absolute Abstinenzler ohne Erfahrung und ohne den Schimmer einer Ahnung von der Realität als Drogenbeauftragte eingesetzt. Mich würde es sehr wundern, wenn sich das je änderte. Wenn wir den Hanf befreien wollen, werden wir, das Volk, wohl deutlich werden müssen. Was auch immer das am Ende heissen mag, Gewalt wirds wohl nicht bedeuten. Wer Hanf kennt ist eben nicht gewalttätig und will wohl u.a. auch deshalb definitiv nicht als deutscher Lakaie von Mr. Bush nach Afghanistan in den Krieg ziehen...

  • 3G
    372 (Profil gelöscht)

    "kifferübliche Verspätung" - stimmt nicht ganz, geplant war es, ab 13 Uhr die Auftaktkundgebung zu starten und gegen 14 Uhr loszugehen.

     

    Ansonsten netter Artikel, die taz ist ein Lichtblick in der Hanfparade-Berichterstattung.

     

    Meine Hanfparade-Fotos hier: http://flickr.com/photos/modernezeiten/sets/72157606517573561/