Handel unterstützt Amputationsverbot: Hühnerschnäbel bleiben dran
Ab dem Jahr 2017 kennzeichnet der Eier-Zertifizierer KAT in ganz Deutschland nur noch Eier von Legehennen mit intaktem Schnabel. Die Geflügelwirtschaft protestiert.
HAMBURG taz | In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern dürfen die Schnäbel von Legehennen ab 2017 nicht mehr gekürzt werden. Auch Schleswig-Holstein plädiert für einen Ausstieg aller Legehennen-Betriebe aus dieser Praxis. Der niedersächsische Erlass hat bald Auswirkungen auf die Eierproduktion in ganz Deutschland und der EU, denn der europaweit agierende Eier-Zertifizierer KAT und der Einzelhandel unterstützen das Verbot.
Bisher wird fast allen Legehennen in der Boden und Freilandhaltung als Küken der Schnabel um einige Millimeter gekürzt, um gegenseitiges Picken und Kannibalismus zu vermeiden. Tierschutzverbände kritisieren das Kürzen der Schnäbel mit einem Laser oder vereinzelt noch mit einem 800 Grad heißen Messer als äußerst schmerzhafte Verstümmelung und Tierquälerei – die Geflügelzüchter sehen jedoch keine Alternative.
Die muss aber schleunigst gefunden werden, denn auch der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen, kurz KAT, wird das Verbot ab 2017 unterstützen. Der Verein ist für den Kennzeichnungsstempel auf dem Ei verantwortlich. Den bekommen nur die Betriebe, die nach KAT-Standards produzieren. Diese Standards liegen teilweise sogar über den EU-Vermarktungsnormen und berücksichtigen Tierschutzaspekte.
Die großen Lebensmittel-Einzelhändler vertreiben fast ausschließlich KAT-zertifizierte Eier. Die Entscheidung des Vereins, das Verbot mitzutragen, hat daher große Auswirkungen auf die Eier-Produktion in ganz Deutschland und sogar in anderen EU-Ländern. „Der jeweils strengste Standard ist Vorgabe für alle teilnehmenden Betriebe“, erläutert KAT-Sprecher Caspar von der Crone.
Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2013 rund 177 Millionen Hühner, Puten, Enten, Gänse, Tauben und andere Vögel gezüchtet.
Die meisten Ställe befinden sich in Niedersachsen. Hier gab es 2013 rund 96,5 Millionen Nutz-Vögel.
In Schleswig Holstein umfassten die Bestände im Jahr 2013 rund 3,2 Millionen Vögel.
Fast allen Hennen in konventioneller Boden und Freilandhaltung wird der Schnabel gekürzt.
Für Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer ist der KAT-Vorstoß die Bestätigung seiner Politik: „Diese Entscheidung ist ein gewaltiger Durchbruch für mehr Tierschutz.“ Zudem sei durch die Einigung mit Supermarktketten wie Rewe, Edeka, Lidl und Aldi sowie KAT ein „wettbewerbsneutraler Ausstieg aus dem Schnabelkürzen erreicht“, sagt Meyer. Alle wichtigen Akteure verzichten ab 2017 auf den Verkauf von Eiern, die Hennen mit gekürztem Schnabel gelegt haben.
Kritik am Zeitpunkt des Verbots äußerte der Geflügelwirtschaftsverband Schleswig-Holstein und Hamburg. „Ein Zeitraum von drei bis vier Jahren für den Ausstieg wäre realistischer“, sagt der Vorsitzende des Landesverbands Hans Peter Goldnick.
Wenn den Legehennen die Schnäbel nicht mehr gekürzt werden, müssen die Geflügelwirte die Haltungsbedingungen verändern, um Kannibalismus zu vermeiden. Bisher sei nicht einmal die genaue Ursache für das Federpicken bekannt, sagt Goldnick, der selbst rund 20.000 Hühner in Boden, Freiland und Biohaltung hält.
„Es kann die Luft sein, die Temperatur, Wasser oder Calciummangel – das Problem tritt immer wieder auf, auch in der Biohaltung“, sagt der Landwirt. Einzig das Verdunkeln der Ställe könne kurzfristig Abhilfe schaffen. „Aber wir wollen nicht ein Tierschutzproblem durch das nächste ersetzen.“
Langfristig hofft Goldnick auf neue Züchtungen von Hühnern mit geringerem Hacktrieb oder einem kürzeren Oberschnabel. Ohne solche Fortschritte sei das Verbot verfrüht. „Den Tieren dient es nicht“, glaubt Goldnick. Und: „Ich halte es für gefährlich, die Experimentierphase in die Betriebe zu verlegen.“
Mahi Klosterhalfen von der „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“, die das Verbot unterstützt, kann verstehen, dass der Zeitplan die Halter unter Druck setzt. „Unmöglich ist es aber nicht, es ist schon viel Wissen vorhanden.“ Ein verbessertes Stallmanagement sei gefragt: „Man muss nicht nur die Schnäbel intakt lassen, sondern auch den Stress für die Tiere reduzieren.“ Sonst käme es zu schweren Verletzungen.
Klosterhalfen schlägt vor, externe Berater hinzuzuziehen. „Die erkennen auch Kleinigkeiten in den Ställen, die Stress für die Hühner und damit das Federpicken auslösen.“
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