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HandballTurnier als Türöffner

Die deutschen Handballerinnen kämpfen bei der Heim-WM nicht nur um Siege auf der Platte. Sie befinden sich in einem mühsamen Gleichstellungsprozess.

Mit aller Wucht: Viola Leuchter gegen die Spanierin Lyndie Tchaptchet Defo Foto: Federico Gambarini/dpa

Aus Dortmund

Frank Heike

Wenn die Weltmeisterschaft ab Dienstag in ihre dritte und entscheidende Phase geht, hat Saskia Lang daran nicht nur monatelang im Hintergrund gefeilt, sondern ist als Frau aus dem Hauptamt eines ihrer Gesichter – es gab kaum eine Podiumsdiskussion ohne die 38-Jährige. „Wir wollen eine Bewegung werden“, sagt sie.

„Hands up for more“ lautet deswegen der Slogan. „Handball ist jetzt Frauensache“, steht auf den Plakaten. Lang, die frühere Nationalspielerin, sitzt seit 2020 als „Managerin Marketing internationale Events“ im Maschinenraum des Deutschen Handballbundes (DHB). Sie ist überzeugt, dass Bundestrainer Markus Gaugischs Team an diesem Dienstag in Dortmund das Halbfinale erreicht (17.15 Uhr, live im ZDF).

Doch ehe aus dem Frauenhandball „mehr“ werden kann, muss er seine Hausaufgabe machen. Lang ärgert sich nämlich: „Wir müssen uns innerhalb der Handballblase unterstützen. Wir müssen unsere Fans zur Frauen-Nationalmannschaft bringen. Ich habe die vergangenen fünf Jahre alle Länderspiele der Männer gesehen. Da triffst du die Bundesliga-Trainer und viele Spieler. Das ist bei Frauenländerspielen nicht so. Aber wie wollen wir neue Leute für unseren Sport begeistern, wenn nicht mal wir Handballerinnen und Handballer für ihn brennen?“

Die Frauen-Liga HBF, die Vereine und der DHB müssen bezogen auf ihr „Produkt“ noch Strecke machen. Lang verspricht, die Vereine auf dem Weg zu mehr Professionalität weiter zu „nerven“: „Ich bin da gern die bad woman. Allein die Schaffung meines Postens beim DHB hat viel verändert und ermöglicht“, sagt sie. „Ich bin hier und kann angerufen werden. Ich bin die Türöffnerin, wenn die Vereine Hilfe wollen.“

Rekordprämien für die Frauen

Der DHB lässt sich diese Weltmesse bei einem Gesamtetat von 13 Millionen rund eine Million Euro kosten – so hoch wird das Minus sein, verriet Präsident Andreas Michelmann. Die Frauen bekommen die gleichen Tagegelder wie die Männer; für den Titel lobte der DHB die Rekordsumme von 425.000 Euro aus. Seit Jüngstem sitzen vier Frauen im elfköpfigen Präsidium. Saskia Lang sagt: „Es ist etwas ins Rollen gekommen, weil Präsident Andreas Michelmann und Vorstand Mark Schober es ernst mit dem Frauenhandball meinen. Sobald wir oben diversere Entscheidungen treffen, werden viele Dinge leichter durchzusetzen und bewusster sein.“

Diese WM soll den Durchbruch bei der Gleichstellung bringen – natürlich mit Hilfe der Hauptdarstellerinnen: „Durch die Kampagne kommt das Thema immer mehr auf“, sagt Kapitänin Antje Döll, „und wir füllen das auch intern mit Leben. Es gibt gerade mit den jungen Spielerinnen heiße Diskussionen zur Chancengleichheit und auch darum, ob wir gendern sollten oder nicht. Ich zum Beispiel gendere eher unbewusst.“ Die Unterstützung durch den Verband sei inzwischen vorbildlich, sagt die 37-Jährige.

Wie viel in Deutschland aber aufzuholen ist, merkt Saskia Lang an der öffentlichen Skepsis, ob es die Spielerinnen nicht überfordere, wenn Themen wie Gehaltslücke, Safe Sport Code und Equal Pay mitverhandelt werden. Das bringt Lang auf: „Es ist doch ein Muss, diese Fragen zu beantworten! Bei den Männern werden sie nicht gestellt, weil sie kein Thema sind, bei uns wird gefragt: Lenken die vom Sport ab?“ Das zeige nur, wie notwendig es sei, den Aufholprozess mit Energie und Mitteln zu verstetigen. Der DHB wolle jedenfalls nicht abweichen von seinem Kurs: „Wir würden uns sonst unglaubwürdig machen. Außerdem haben wir mit der Heim-EM 2032 das nächste große Turnier vor der Tür.“

Einmal warmgeredet, muss sie an die vergangene Heim-WM denken. 2017 gehörte sie zum deutschen Kader. Das Motto damals: „Simply wunderbar“. Die süßliche Note fand sie schrecklich. Das Aus im Achtelfinale auch. Vor acht Jahren war die Botschaft noch simpel – geht raus und spielt Handball. Nun hat sich das gesellschaftliche Klima verändert. Die Zeit scheint reif für ein Turnier, das seinen Hauptakteurinnen einiges abverlangt.

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