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Handball-WM in KroatienBlamage einer Sportnation

Bei der Handball-WM greifen kroatische Fans in Zadar serbische Anhänger an. Im Bürgermeister der Stadt finden die Nationalisten einen Verbündeten.

Kroatische Hooligans haben schon mehrfach Ärger mit ihren serbischen Rivalen gesucht, wie hier ein einzelner Tennisfan beim Australian Open in Melbourne im Jahr 2007. Bild: dpa

Da hatte sich die kroatische Bevölkerung so gefreut. Vor Wochen schon übertrugen die staatlichen und privaten Medien Interviews und Features über die Mannschaften der Handballweltmeisterschaft. Das große Ereignis ausrichten zu dürfen wurde als Ehre empfunden. Und war auch von internationaler Seite als Auszeichnung für das mit gerade 4,5 Millionen Menschen zählende sportbegeisterte Kroatien gedacht, das in vielen Sportarten, so auch dem Handball, zur Weltspitze gehört. Und nun dies.

Da lässt der Bürgermeister der an der Adriaküste gelegenen Hafenstadt Zadar, Zivko Kolega, die 24 Fahnen der teilnehmenden Nationen abnehmen, weil es Bürgerproteste gegen das Auftauchen der serbischen Fahne gegeben hatte. Eine Bombendrohung im Hotel, wo alle Mannschaften untergebracht sind, stellte sich am Freitagabend zwar als Fehlalarm heraus, ist aber ernst zu nehmen. Und es ist klar, wem diese Drohung gegolten hat: nicht den Deutschen, sondern ihrem Gegner Serbien. (Das Spiel am Samstag endete 35:35.) Und dass ein Auto mit Belgrader Nummer abgefackelt wurde und ein mazedonischer Fan zusammengeschlagen wurde, weil er von den Schlägern vermutlich irrtümlich für einen Serben gehalten wurde, gehört zu den beschämenden Geschehnissen von Zadar. Natürlich gibt es auf vielen Sportplätzen rechtsradikale Randale, man braucht ja nur nach Sachsen zu blicken.

Und man weiß ja seit Langem, dass kroatische Fans nicht immer nur friedlich ihre Sahovnica (die kroatische Flagge) schwenken, sondern öfters auch durch Übergriffe und Schlägereien auffallen. Doch die Ereignisse von Zadar haben eine neue Dimension: Die Flaggen der beteiligten Staaten wegen des Druckes der Bevölkerung abzunehmen ist eine Beleidigung für alle. Und zerstört den Nimbus Kroatiens als Sportnation.

Sicherlich, gerade Zadar hat während des Krieges 1991-95 besonders unter den serbischen Truppen gelitten, die Stadtgrenze bildete die Frontlinie. Doch das ist lange her. Und gerade der Sport soll dazu dienen, zur Verständigung der Völker beizutragen. Dies nicht bewusst gemacht zu haben muss man den kroatischen Politikern vorwerfen. Wie kann ein Bürgermeister so handeln - ohne Rückgrat als Gastgeber. Auch aus Zagreb waren nur leise Stimmen der politischen Führung zu hören. Die Angelegenheit ist in Kroatien offenbar kein Skandal erster Ordnung. Kroatien hat im wahrsten Sinne des Wortes eine Chance verspielt.

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11 Kommentare

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  • P
    Predrag

    @ DADO

     

    Unter der kroatischen "Sahovnica" wurden im 2. Weltkrieg über 1 Million Serben vernichtet und unter derselben "Sahovnica" wüteten kroatische Soldaten in der serbisch bewohnten Krajina, die unmittelbar hinter Zadar beginnt (1995 wurden nahezu alle Serben aus ihren Heimen von dort vertrieben) und trotzdem nutzt ihr die "Sahovnica" auch heute noch und keiner lyncht euch deswegen in Serbien.

     

    Der Autor des Textes hat vollkommen Recht: BLAMAGE!

  • D
    Dado

    Und zu der Überschrift "Blamage der Sportnation" kann ich Nichts mehr sagen! Zur Info, unter der gleichen Fahne wurde 1993 ebenfall die olimpische Stadt Sarajewo(der Austragungsort der Olympischen Spiele 1984) fast vollständig zerstört! Die allein schon über 3000 ermordete Kinder in Sarajewo dürften nicht mal dir entgangen sein!

  • D
    Dado

    Wenn man 1992-93 in Zadar erlebt hat überrascht es mich dass überhaupt so viel Zürückhaltung seitens der Bevölkerung erstmal zustande kam. Mit genau gleichen Fahnen wurde diese Stadt erbarmungslos terrorisiert! Obwohl ich keine Angehörigen durch den Krieg verloren hab verbinde ich, wie mind. 50000 andere Bewohner von Zadar, tagelange Schutzkeller aufenthalte und jede Menge Granaten. Und man stelle sich dann vor man hat einen Angehörigen oder guten Freund von heute auf morgen verloren und zwar angeführt von diesem Emblem und dieser Fahne wunderts mich nur dass es bei einer Drohung blieb. Diese Fahne mit 4c /4s kann leider egal aus welchem Blickwinkel unter Betrachtung der Tatsachen als Nichts Anderes als reine Provokation verstanden werden! Also beim nächsten Mal erstmal nachdenken, dann nachforschen und erst dann veröffentlichen. :-)

  • M
    Miki

    @hannes du musst woll der neue serbische Propagandaminister sein....serben die da seid jahrhunderten leben.tzzz du hast echt keine ahnung, die serben wurden in Zadar größtenteils dort nach der Vetreibung der Italiener angesiedelt und ausserdem haben die anderen 300000 es überhaupt soweit kommen lassen, als sie anfingen ihre kroatischen Nachbarn zu masakrieren.....

    sorry musste mal klar gestellt werden, bin ansonsten kein nationalist im gegenteil aber dein geschwätz geht gar nicht...man kann es diesen Menschen nicht verübeln, denn mit der serb. Fahne verbinden sie nur Terror und Tod und bis das verschwindet wird es länger dauern. Aber ihr könnt ja nicht wissen wie es ist vor der Haustür Leute sterben zu sehen

  • N
    Normalo

    @christian und hannes

     

    Ihr habt's beide nicht gerafft.

     

    Die serbische Fahne hing da in Zadar, weil Zadar sich erfolgreich um die Ausrichtung von Handball-WM-Spielen beworben hat und eine der sportlich dafür qualifizierten Mannschaften nun mal die aus Serbien ist.

     

    Das hat weder was mit dem grausamen Krieg in Kroatien noch mit den Flüchtlingsströmen nach Serbien zu tun. Beide Nationen existieren heute nebeneinander und spielen gerne und gut Handball. Wer unfähig ist, ein Sportereignis auf diesen simplen Nenner zu bringen, mag zwar seine legitimen historischen Gründe dafür haben. Reif genug, so eine Weltmeisterschaft auszurichten, ist er aber nicht.

     

    Das konsequente Gepfeife großer Teile des kroatischen Publikums, sobald ein Gegner oder ein Bürger einer "ungeliebten" Nation den Ball berührt, ist übrigens eines souveränen, stolzen Gastgebers(!) ähnlich unwürdig. Es wäre schön, wenn diese Kroaten - es sind ja wirklich nicht Alle - sich durch die Verantwortung der WM-Ausrichtung nicht nur gebauchpinselt fühlen würden, sondern sie auch wahr nähmen.

  • Y
    Yuri

    Meine Eltern kommen aus Zadar, ich selber bin der Schweiz geboren.

    Ich denke auch, man soll das Geschehene etwas differenzierter beurteilen..

    Einerseits hat diese Stadt unglaublich gelitten während des Krieges und andererseits zeugt die Handlung des Bürgermeisters von der Intelligenz vieler kroatischer Politiker. Der kapiert doch nicht einmal, wie schädlich so was für das Image des Landes ist..

    Die serbische Fahne hätte oben bleiben müssen, dies ist eine sportliche Veranstalltung und die Stadt sollte sich geehrt fühlen, so ein Event austragen zu dürfen.

    PS: Kroatien kommt dennoch in die EU, da gibt es andere sehr wichtige Gründe dafür. Gerade dieser Vorfall schreit gerade zu nach einer Einbindung des Landes in die Union, denn dann ergibt sich nach und nach eine politische Kultur, in der solche Vollidioten, wie dieser populistische Sheriff, nichts mehr zu sagen haben..

     

    Gruss

  • PM
    Pas Materski

    die entscheidung die flaggen abzunehmen?

    sensationell, keine frage.

    wer braucht die?

  • C
    Christian

    Ich denke, man sollte hier mit der Situation etwas differenzierter umgehen.

    Eins vorweg...Gewalt ist immer inakzeptabel, nur dass ich nicht falsch verstanden werde.

     

    Eins sollte aber nicht vergessen werden:

    Mit dem Aufhängen der serbischen Flagge in Zadar wurden nicht nur gewalttätige Nationalisten provoziert, sondern auch die Gefühle zehntausender friedlicher Menschen verletzt, die während des Krieges Familienmitglieder verloren haben.

     

     

    Ich möchte doch darauf hinweisen, dass diese Tatsache hier weder vom Autor noch von den Kommentatoren kaum bzw. gar nicht erwähnt wird.

     

    Was ich damit sagen will:

    Man sollte sich immer dessen bewusst machen, wie groß die Wunden gerade in Zadar noch sind, bevor man mit lapidaren Kommentaren á la "der Krieg ist lange vorbei", die Entscheidung des Bürgermeisters kritisiert.

     

    Denn wenn Sie Ihren Vater, Ihren Bruder oder sogar Ihr Kind verloren hätten, dann wären für Sie knapp 14 Jahre sicherlich keine lange Zeit.

     

     

    Was die Aussöhnung betrifft:

    Das Aufhängen von Flaggen ist doch nur bloße, für die Aussöhnung unnütze Symbolik.

    Glaubt hier jemand ernsthaft, dass dadurch das Verhältnis der ehemaligen Kriegsgegner auch nur minimal besser würde?

    Ich unterstütze Aussöhnung durch Sport aber diese nicht durch Symbolik, sondern durch Taten.

    Und davon sind Kroaten, Serben, Mazedonier, Montenegriner, ja sogar die so "vorbildlichen" Slowenen Lichtjahre entfernt.

  • J
    Jo.

    Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass Kroatien noch lange nicht reif für einen EU-Beitritt ist und zwar für mindestens 20 bis 30 Jahre.

  • MG
    Michael Grüber

    Meiner Meinung nach sollte eine Sportveranstaltung für ein Land als "Werbung" dienen. Doch was die Kroaten dort machen auch von der politischen Seite, nicht akzeptabel.

    In diesem Zeitungsartikel ist aber alles wunderbar beschrieben Respekt. Jemand der Ahnung hat.

     

    Grüße

  • PM
    Pas Materski

    jawoll

    auch hier sind wie auf dem fussballfeld die die in bestimmten situationen dem gegner an den hals gehen, den schiri belauern und anschreien die normalen und die anderen die mit zweifelhaftem ruf.

    huligan/ismus ist in croatien ein altes wort, und bevor der eingedämmt werden konnte kamen nazis dazu.

    eigentlich eine jugendsünde und tradition, weil jede generation von dort ihre geschichten hat, aber durch ausgrenzenden pop und mixed martial arts und klamotten können sadisten lange fröhnen.

    dazu passt , das eventuell vereinzelte serben ihre freude über die wehende fahne wohl auch nicht verhehlen wollten weil auch auf krawall aus.

    die alten sind auch keine vorbilder, so wenig wie hier otto-normalos welche sein sollten.

    darüber hinaus macht slowenien anti-cro-stimmung, die man sich kaum rational erklären kann. sie haben(in 90gern) mit der ljubljanska-banka erspartes von croaten einbehalten und äussern nun rechtzeitig zum handballevent bedenken über die angebliche tatsache, kroatien hätte sich nie von der NDH(nazi-reg.) distanziert, und verleugnen dabei ihr huligen problem.

    dabei geht es nur um die auslegung des slowenischen meerzugangs.