Handball Champions League: Kein Heilsbringer
Martin Schwalb hat den deutschen Meister HSV vor dem Achtelfinale der Champions League reanimiert. Trotzdem siegten die Füchse Berlin im Hinspiel.
BERLIN taz | Man bekam eine kleine Ahnung davon, wie dieser Martin Schwalb das gemeint hatte, als er im Sommer vergangenen Jahres sagte, diesen nervenaufreibenden Job nicht weiter ausüben zu wollen. Damals war der HSV gerade Meister geworden, mit ihm als Trainer.
Nun, neun Monate später, konnte Schwalb einem ein wenig Leid tun, als er da beim Champions-League-Spiel in Berlin in seiner Coaching Zone hin und her ging und her und hin wie ein hospitalisierter Hund in einem Käfig.
Zwischendurch sprang er gar hoch, riss die Arme nach oben, als wolle er selbst den Gegner blocken. Nach der 30:32-Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel bei den Füchsen Berlin zeigte sich der auf die Trainerbank des HSV zurückgekehrte Schwalb erschöpft, aber keineswegs enttäuscht. „Man gratuliert ja normalerweise dem Gegner zum Sieg, und das will ich auch tun“, sagte er, „aber wir wissen alle, dass jetzt eigentlich erst Halbzeit ist.“
Doch selbst bei einem Viertelfinaleinzug bliebe fraglich, ob der HSV eine bisher verkorkste Saison retten kann. In der Bundesliga hinkt man den eigenen Ansprüchen hinterher: Vom Etat her ist der Titelverteidiger der einzige Verein, der mit dem THW Kiel auf Augenhöhe ist, sportlich aber ist man hinter den Zebras, den Füchsen und den Flensburgern derzeit nur vierte Kraft. Die Champions League wird zur letzten Hoffnung.
Nun soll es also noch mal Martin Schwalb richten. Wer sonst, wenn nicht der Erfolgscoach aus den Jahren 2005 bis 2011, der vergangenen Sommer ins Präsidium gewechselt war. „Ich bin kein Heilsbringer. Wichtig ist es jetzt, eine Gemeinsamkeit in die Truppe zu bekommen“, betont der 48-Jährige.
Alle auf Schwab fokussiert
Der zu Beginn der Saison geholte Per Carlén erwies sich als falsche Lösung auf der Trainerbank. Ende 2011 trennte man sich von dem Schweden. Und Jens Häusler, der vom Posten des Assistenztrainers nachgerückt war, ging nach einer 30:36-Niederlage gegen Flensburg einen bemerkenswerten Weg: Er selbst bat Schwalb um Unterstützung.
Die er bekam: Nun, da Schwalb wieder auf der Bank sitzt, ist alles wieder auf seine Person fokussiert. Schwalb steht wie ein Schutzschild vor der Mannschaft. Nach dem Hinspiel freute er sich, dass die Mannschaft „alles in die Waagschale geworfen“ hat, auch nach dem mühevollen 34:30-Sieg gegen Hannover-Burgdorf am Mittwoch war er „stolz auf seine Spieler“ aufgrund der kämpferischen Einstellung.
Die spielerischen Defizite, der Kräfteverschleiß, die zum Teil nachlässige Abwehrarbeit, all das ist ihm bewusst. Wichtiger ist, dass da jetzt einer steht, der die volle Verantwortung übernimmt. Darin ähnelt er ein bisschen dem mit ihm befreundeten BVB-Trainer Jürgen Klopp. Wie jener ist Schwalb auch ein großer Motivator und einer, der ein Team kitten kann. „Ich werde versuchen, ein Stück Gemeinschaft in die Truppe zu bringen“, sagte er.
Konstante Verletztenliste
Das Paintball-Spielen soll eine der ersten teambildenden Maßnahmen gewesen sein. Das Gemeinschaftsgefühl jedenfalls werden sie brauchen, denn bei einer Verletztenliste, die die Saison über konstant lang ist, kann individuelle Klasse immer weniger entscheiden. Zuletzt musste man auf die Leistungsträger Bertrand Gille (Muskelfaserriss), Renato Vugrinec (Innenbandanriss) und Pascal Hens (Bauchmuskelzerrung). Immerhin könnten Hens und Vugrinec am Sonntag wieder im Kader sein.
Berlins Trainer, Dagur Sigurdsson, meinte: „Hamburg lebt immer noch von Schwalbs Handschrift, auch wenn zwischendurch ein anderer Trainer da war.“ Schwalb selbst sagt, nach der Saison ist definitiv Schluss. Es wird seine Aufgabe sein, sich selbst vergessen zu machen und einen Coach zu finden, der ein Gesamtkonzept für die sportliche Entwicklung des HSV mitbringt.
Nach der Absage Talant Dujshebaevs (BM Madrid) ist die Suche zunächst wieder offen. Die nächsten vier Monate aber sitzt Schwalb wieder auf der Bank. Besser: Er geht vor dieser hin und her.
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