Handball Champions League: Ein Hauch von Verschwörung
Mit Kopenhagen etabliert sich eine neue Kraft im europäischen Handball. Klubinhaber Jesper Nielsen hat den Korruptionsskandal um Kiels Erfolg 2010 publik gemacht.
KIEL taz | Er ist der Mann, den es zu stoppen gilt in Köln: Mikkel Hansen, 24, Rechtshänder im Rückraum, der Star von AG Kopenhagen, das erstmals beim Final-Four-Turnier um die Champions League antritt. Seine individuelle Stärke im Duell eins gegen eins wird gerühmt in der Handballszene.
„Unfassbar, welche Würfe der aus dem Handgelenk abfeuern kann, und das unter größtem Druck“, sagt Frank von Behren, der die Champions League für den TV-Sender Eurosport kommentiert. Der Mann mit dem Stirnband hat im Januar schon die Auswahl Dänemarks zum zweiten EM-Titel geführt, auch die dänische Meisterschaft ist gesichert.
Aber das Nonplusultra, sagte Hansen dem Fachorgan Handballwoche, sei doch die Champions League. „Diese Trophäe ist unser höchstes Ziel in dieser Saison und der Sieg wäre das Ein und Alles – für den Verein, für den Klubbesitzer, die Fans, die Sponsoren, die Spieler und natürlich auch für mich.“
Die Konkurrenz allerdings ist mächtig. Zunächst bekommen es die Dänen mit Atlético Madrid zu tun, das – als BM Ciudad Real – seit 2006 diesen Wettbewerb dreimal gewonnen hat. Und im Finale wartet dann mit größter Wahrscheinlichkeit der scheinbar übermächtige THW Kiel, die Angriffsmaschine, die die Bundesliga mit sagenhaften 64:0 Punkten anführt.
Die Teams: In den Halbfinals der Champions League treffen in der Kölner Arena am Samstag die Füchse Berlin auf den THW Kiel (14.45 Uhr, Eurosport) und AG Kopenhagen auf Atletico Madrid. Am Sonntag steigt dann das Finale (17.30 Uhr, Eurosport).
Die Prämien: Für das Erreichen des Endspiels gibt es 45.000 Euro, der Sieger erhält 150.000 Euro. Mit dem Sieg und den Punktprämien aus den Vorrunden kann ein Team über 500.000 Euro in der Champions League verdienen.
Die Historie: Seit 1994 gibt es die Champions League. Siebenmal hat der FC Barcelona den Titel gewonnen. Zweimal ging der Pott nach Deutschland. 2002 gewann Magdeburg, 2010 Kiel, begleitet von Manipulationsvorwürfen.
Mächtige Gegner
Doch auch handballpolitisch könnte AG Kopenhagen es mit mächtigen Gegnern zu tun haben. Das liegt an dem Skandal um vermeintlich verschobene Spiele in der Champions League, den vor allem Jesper Nielsen, der Klubbesitzer von AG Kopenhagen, im März 2009 ans Licht der Öffentlichkeit befördert hatte.
Zur Erinnerung: Nielsen, damals noch Hauptgesellschafter des Bundesligisten Rhein-Neckar-Löwen, hatte den ehemaligen THW-Trainer Noka Serdarusic für den Sommer 2009 verpflichtet – und für seine Demission gesorgt, als Serdarusic den Löwen von Schiedsrichterkorruption im europäischen Handball berichtete.
„Da hat Noka gesagt, dass fast alle Schiedsrichter bestechlich sind, das hat mich überrascht“, berichtete Nielsen im letzten Herbst vor dem Landgericht Kiel, als Serdarusic und Ex-THW-Manager Uwe Schwenker angeklagt waren (und später aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurden – das Verfahren ist derzeit in der Revision).
„Da sollten Unterschiede im Preis sein, es kommt darauf an, ob es ein Viertelfinale, Halbfinale oder Finale ist“, so gab Nielsen den Bericht von Serdarusic wieder. Nun ist es keineswegs so, dass dieser Skandal im europäischen Handball zu einer Katharsis führte. Einige Schiedsrichter wie das deutsche Duo Frank Lemme/Bernd Ulrich wurden von der Europäischen Handball-Föderation (EHF) geopfert.
Enormer Imageschaden
Aber die Funktionäre, welche die Schiedsrichter in fraglichen Fällen angesetzt hatten oder die Ansetzungen durchgehen ließen, sind immer noch im Amt. Und so gibt es noch viele, die Verschwörung wittern, auch bei diesem Final Four. Sollte dem tatsächlich so sein, hätte Kopenhagen ein gravierendes Problem.
Denn Klubbesitzer Nielsen hat dem Image des europäischen Handballs, so jedenfalls ist die Sicht der Funktionäre, enormen Schaden zugefügt. Es liegt auf jeden Fall eine besondere Ironie darin, dass der Kritiker Nielsen nun im Finale der Champions League mit Kopenhagen auf den THW Kiel treffen könnte, jenen Klub also, dessen erster Triumph in der Königsklasse durch seine Aussagen nachträglich arge Schrammen bekam.
Auch dürften die EHF-Funktionäre wenig erbaut darüber gewesen sein, als Nielsen ihnen im Januar im Handball-Magazin eine amateurhafte Vermarktung der Champions League vorwarf. Es könne doch nicht sein, dass Klubs wie der THW Kiel oder Kopenhagen für die Gruppenphase mit zehn Spieltagen im Prinzip noch Geld mitbringen müssten, schimpfte der Mann, der mit Schmuck zu einem Vermögen gekommen ist.
Direkt vor dem Turnier hat Nielsen sich freilich mit derlei Tiraden zurückgehalten. Womöglich, weil er befürchtet, dass solche Äußerungen ein Nachspiel auf dem Handballfeld haben könnten. Andererseits: Die meisten Funktionäre im europäischen Handball verfügen über ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Auch vor diesem Hintergrund sehen viele Beobachter zu Pfingsten mit großem Interesse nach Köln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“