■ Hamburgs SchülerInnen auf der Straße: Die 168 Stunden der längsten Demo der Welt. Teil 5: Die anderen
Was für ein Sonntagsspaziergang! Die Familie ist begeistert. „Papa, was machen die da?“ fragt der Sohn, der auf Vatis Schultern um die Außenalster reitet. „Die demonstrieren für ihre Lehrer“, erklärt beflissen die Mutter, während ihr Boxer versucht, einen der Stöcke zu apportieren, an denen das Protestplakat befestigt ist. Zwei Geherinnen drücken sich an der Seite vorbei; auf einer Bank am Ufer kneift ein Mann von der Sonne geblendet die Augen zu, um das „Schulen in Not“-Schild besser lesen zu können. Die Rekorddemonstration der Hamburger Jugendlichen ist Thema Nummer eins bei den SpaziergängerInnen. „Prima“ finden sie die Idee, „klasse“ oder „gigantisch“. Das gelangweilte „Nich' schlecht“ eines Anglers wird da zum vernichtenden Urteil.
Nach heute sieben Tagen Protest sind die HamburgerInnen das Aufbegehren der Jugendlichen nicht leid. Im Gegenteil: Sie sind jeden Tag mehr geworden, die UnterstützerInnen der Aktion – die Kuchenbäcker, Geldspender, Lobeshymnen-Sänger, Kaffeebringer, Blumenüberreicher und Frühstücksmacher. Der Jugendbeauftragte der Hamburger Polizei, Derk Langenkamp, hat die Demo-Zentrale an der Moorweide mit Brötchen im Gepäck besucht; die Tankstelle nebenan stellt kostenlos Strom zur Verfügung. Zwei Bäckereien schenkten Krapfen und Brezeln, und Uta Köhne, Sprecherin von Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD), brachte Pralinen.
Ein Jogger, dem die SchülerInnen an der Alster ein FLugblatt hinhalten, stopft den Zettel gar in die hauteng anliegende – und taschenlose – Laufhose. Für die letzte Staffel der Demonstration – Start: heute morgen um sechs – haben sich unter anderem DGB-Chef Erhard Pumm, der DAG-Vorsitzende Uwe Grund, Lehrer und ElternvertreterInnen angesagt.
Danach ist der Protest vorbei. Schade, findet eine alte Frau. „Dann hätte man denen doch schön noch mal Plätzchen bringen können.“ Nur eine Joggerin, die jeden Tag um die Alster rennt, ist dankbar, daß der 750 Kilometer lange Staffellauf mit Schild zu Ende ist: „Immer mußte ich die Flugblätter ablehnen – ich kam mir richtig gemein vor.“ Judith Weber
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