Hamburger Schulreform: Parteien schließen Schulfrieden
SPD und Linke schließen mit CDU und Grünen ein Bündnis für die sechsjährige Primarschule, über die es im Sommer einen Volksentscheid gibt. Der Friede soll zehn Jahre halten - wie in Bremen.
Wenn es im Sommer in Hamburg zu einer Volksabstimmung über die sechsjährige Primarschule kommt, stehen alle vier in der Hamburger Bürgerschaft vertreten Parteien auf Seite der Reform. Gestern vereinbarte SPD-Landeschef Olaf Scholz mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schulsenatorin Christa Goetsch (Grüne) einen Schulpakt. Auch mit der Linken hat sich Schwarz-Grün geeinigt. "Es kämpft jetzt der Rest der Welt gegen Walter Scheuerl", sagte deren Fraktionschefin Dora Heyenn in Anspielung auf den Sprecher der Anti-Reform-Initiative "Wir wollen lernen".
Die Initiative hatte im vorigen Herbst 184.000 Unterschriften für die Zulassung eines Volksentscheids gesammelt. Um eine solche Kampfabstimmung durch das Volk zu verhindern, hatte Schwarz-Grün versucht, mit "Wir wollen lernen" einen Kompromiss zu schließen, was aber nach sechs Verhandlungsrunden ergebnislos endete.
Ein Knackpunkt der Verhandlungen war die Frage, ob die Reform bis 2012 für alle Kinder verbindlich eingeführt wird. Scheuerl wollte das nicht, Scholz und Heyenn dagegen waren gestern dazu bereit. Der Zeitplan wird etwas entzerrt. Um ein Jahr können Grundschulen die Umwandlung aufschieben, spätestens 2012 aber werden 5. Klassen in Hamburg nicht mehr aufgeteilt. Im Gegenzug gibt es mehr Geld für Schulbücher und kleine Klassen.
Das neue Bündnis erhöht die Erfolgschancen von Schwarz-Grün beim Volksentscheid. Der Sieg ist aber noch keineswegs sicher. Nach einer Stern-Umfrage sind 54 Prozent der Hamburger dafür, nach einer NDR-Umfrage stehen sich Gegner und Befürworter der Reform mit 46 zu 45 Prozent gegenüber.
Olaf Scholz räumte ein, dass seine Partei die Primarschule bisher "sehr kritisch begleitet" habe. In den Verhandlungen sei die Reform jedoch so verändert worden, dass Eltern "sicher sein können, dass ihre Kinder an den Schulen gut aufgehoben sind".
Zu den Zugeständnissen gehört eine Verkleinerung der Klassen von jetzt 25 auf 23 Kinder pro Primarschulklasse, in sozial schwierigen Gebieten sogar auf 19 Kinder. Außerdem wird das von Schwarz-Grün bereits angebotene Elternwahlrecht noch einmal verändert. Alle Kinder, die nach der Primarschule aufs Gymnasium gehen, durchlaufen ein Probejahr, an dessen Ende die Zeugniskonferenz über den Verbleib entscheidet. CDU und Grüne hatte diesen Probestatus zunächst nur für Kinder vorgesehen, die keine Gymnasialempfehlung haben, was eine Gerechtigkeitsdebatte ausgelöst hatte. Die neue Regel sei "verlässlicher und gerechter", befand auch Ole von Beust.
Die Linke sieht das kritisch: "Das bedeutet einen enormen Druck in Klasse 7. Das hätte ich Eltern und Kindern gern erspart", sagt Linke-Chefin Heyenn. Sie setzte durch, dass die Praxis des Elternwahlrechts in einem Sonderausschuss behandelt wird.
Außerdem setzen Linke und SPD gemeinsam die Abschaffung der 2006 unter großen Protesten eingeführten Gebühr für Schulbücher durch. Dies spielte in der politischen Debatte zuletzt kaum eine Rolle, die Abschaffung gehört aber zur Programmatik der Hamburger SPD.
Zusammen kosten kleinere Klassen und Büchergeld die Stadt pro Jahr "20 bis 25 Millionen Euro", wie Schulsenatorin Goetsch vorrechnete. Sie zeigte sich erleichtert über die Einigung, weil sie den Schulen Planungssicherheit ermöglicht.
Auch für die SPD ist die Einigung von Vorteil. Sie war intern in der Schulpolitik zuletzt zerstritten, weil viele Genossen der mutigen Schulsenatorin den Rücken stärken wollten. Mit der Idee eines Schulfriedens der Parteien sieht Scholz seine Partei geeint. Die habe "seit November eine geschlossene Haltung zur Schulfrage".
Wie in Bremen soll die Schulstruktur in Hamburg zehn Jahre lang im Parteienstreit keine Rolle mehr spielen. Allein diese Einigung habe schon einen hohen Wert, sagte von Beust. Der Vertrag soll am 3. März vor einer Sondersitzung der Bürgerschaft unterzeichnet werden.
Die Linke will dort dann für die Gesetzesänderungen stimmen, den Zehn-Jahres-Pakt aber nicht unterstützen. "Die Primarschule braucht jetzt eine gute Startchance", sagte Heyenn. "Wir können aber nicht verhindern, dass in einigen Jahren eine Initiative acht Jahre Primarschule fordert". Auf einen sechs- oder achtjährigen Schulpakt hätte sie sich eingelassen. Doch auch wenn sie in diesem Punkt, der gesondert abgestimmt wird, nicht zustimmt, steht die Vier-Parteien-Koalition gegen Scheuerl.
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