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Hamburger Schreibaby-AmbulanzBeratungsstelle muss schließen

Die Hamburger Schreibaby-Ambulanz kann sich nicht mehr finanzieren. Streitpunkt mit der Sozialbehörde waren unter anderem die Beratungshonorare des Vereins.

Kann an die Substanz gehen: Für Eltern von Schreibabys gibt es Beratungsstellen Foto: dpa

HAMBURG taz | Ein Baby kann bis zu 120 Dezibel laut schreien. Damit ist es zwar 45 Dezibel leiser als ein Raketenstart, aber lauter als eine Kreissäge – die schafft nur 95 Dezibel.

Jedes siebte Neugeborene gilt als „Schreibaby“: Ein Kind, das jeden Tag über Wochen hinweg mehrere Stunden schreit. Normalerweise endet das Schreien nach drei Monaten – wenn die Eltern bis dahin nicht die Nerven verloren haben.

Für junge Eltern, die nicht wissen, warum ihr Kind immer weiter brüllt, kann die Verzweiflung in Wut und Gewaltfantasien umschlagen. Schüttelt ein Elternteil das Baby, das den eigenen Kopf noch nicht stützen kann, kann dies zu lebensgefährlichen Hirnblutungen führen. In Deutschland sterben etwa 400 Kinder im Jahr, weil sie geschüttelt wurden.

In Hamburg bot bisher die Schreibaby-Ambulanz (SBA) verunsicherten Eltern von Schreibabies eine Anlaufstelle. Die Angebote umfassten Beratungsgespräche, Videoanalysen oder spezielle Körperarbeit.

Doch nun, nach fast mehr als zehn Jahren, schließt der Verein am 31. August die Praxis in Barmbek. Das Geld fehlt. Eine Therapiestunde in der Schreibaby-Ambulanz kostet 60 Euro. Damit alle Eltern Zugang zu dem Angebot haben, lag der minimale Eigenkostenanteil bei 10 Euro pro Stunde. Der Rest wurde nach einer finanziellen Selbsteinschätzung der Familien aus dem Spendentopf aufgefüllt. Doch zum Ende jedes Jahres wurde das Geld knapp.

Es ist schwierig, für das von der Sozialbehörde angesetzte Honorar qualifizierte Kräfte zu erreichen

Maike Kollmeyer, Verein „Von Anfang an“

Schon 2017 stellte die SBA einen Antrag an die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI). Die forderte, dass die Beratung kostenfrei ausschließlich an sozial schwache Familien gegeben werde. Das wollten die Mitarbeiter*innen der SBA nicht. „Wir sind eine Anlaufstelle für alle Hamburger“, sagt Monika Wiborny, eine der Mitarbeiter*innen der SBA. Dieses Jahr wurde ein weiterer Antrag abgelehnt.

Eine der Begründungen der BASFI: Man könne den Berater*innen der SBA nicht mehr als maximal 40 Euro pro Stunde zahlen, da das „Besserstellungsverbot“ gebiete, dass Zuwendungsempfänger nicht mehr als Angestellte im öffentlichen Dienst für die gleiche Arbeit erhalten dürfen.

Die SBA sagt, dass in den Zweigstellen in Berlin und Stormarn der geforderte Satz von 60 Euro pro Beratungsstunde gezahlt werde. Die BASFI habe jedoch ihre Arbeit als die einer Erzieherin klassifiziert. Wiborny ist ausgebildete Heilerzieherin, Sozial- und Körpertherapeutin. Erzieherin ist sie nicht. Sie forderte eine Klassifizierung als Sozialpädagogin für sich und ihre Kolleg*innen.

Des Weiteren sagt die Sozialbehörde, die SBA könne nicht nachweisen, inwieweit die Praxis nur für die Schreibaby-Ambulanz verwendet würde und in welcher Höhe Mietkosten übernommen werden müssten. Die SBA erwidert, würde die Praxis Kurse angeboten, würden sie dies verpflichtend nachweisen.

Der Hamburger Senat will aber auch nicht auf die Leistungen der SBA verzichten. In einer kürzlich veröffentlichten Ausschreibung sucht die BASFI nach einem neuen Träger, der mit möglichst hohem Eigenkapital die Aufgaben der SBA fortführt.

Je früher die Hilfe kommt, desto besser

In Hamburg gibt es noch andere Angebote für Eltern schreiender Babys. Der Verein „Von Anfang an“ unterstützt Eltern im Umgang mit ihren Neugeborenen. Die freie Beratungsstelle wird von verschiedenen Stiftungen und durch Spenden finanziert, erhält jedoch auch Geld von der BASFI für die Bezahlung ihrer Berater*innen. „Es ist schwierig für das von der BASFI angesetzte Honorar, qualifizierte Kräfte zu erreichen“, sagt Mitarbeiterin Maike Kollmeyer.

Als alternative Anlaufstelle empfiehlt die BASFI auch das Kinderschutzzentrum Hamburg. Doch obwohl alle Schreibabys betreuende Stellen eine ähnliche Beratung bieten und zudem an eine Schweigepflicht gebunden sind, tun sich junge Familien oft schwerer, den Kinderschutz statt einer freien Beratungsstelle um Hilfe zu bitten.

Das Gefühl, als Mutter oder Vater zu versagen, wiege schwer. Deshalb sollten Hilfsangebote möglichst niedrigschwellig sein, findet Kollmeyer. „Von Anfang an“ sucht den Kontakt zu den Eltern schon, bevor es Probleme gibt, sagt sie, beispielsweise durch Elternschulen. Je früher Eltern Hilfe erhalten, desto besser sei es für die Familien.

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