Hamburger SPD bedauert Ausstieg aus Jade-Weser-Port: Hamburg will wieder mitspielen
Hamburgs SPD ist plötzlich für Hafenkooperation. Es sei falsch gewesen, aus der Planung für den Jade-Weser-Port auszusteigen, sagt Ingo Egloff - weil dadurch ein Faustpfand für die Elbvertiefung fehle.
BREMEN taz | In Hannover wurde am Donnerstag intensiv die Hamburger Lokalausgabe der Welt gelesen. Hamburg will sich möglicherweise am Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port beteiligen? Nun doch, nach Jahren der kontroversen Debatte? Der frühere wirtschaftspolitische Sprecher der Hamburger SPD-Fraktion und zukünftige Bundestagsabgeordnete Ingo Egloff wird in dem Blatt so zitiert.
Umweltminister Jörg Bode (FDP) hat es gelesen. "Ein schönes Denkmodell", sagt er. Auf jeden Fall ein "positives Zeichen". Wenn Hamburg ein Interesse an stärkerer Zusammenarbeit in Fragen der Hafenpolitik habe, dann sei das auf jeden Fall gut.
Was den Tiefwasserhafen konkret angeht, der nach dem Terminkalender des Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) am 11. September eröffnet werden soll, dann sind aus niedersächsischer Sicht zwei Dinge klar: Niedersachsen und Bremen haben das gesamte Risiko getragen, das macht die Anteile teuer. Und zweitens "ist und bleibt der Hafen auf niedersächsischem Grund und Boden", so Bode.
Als einziger deutscher Tiefwasserhafen soll der Jade-Weser-Port tideunabhängig von den Containerriesen der nächsten Generation mit Tiefgängen bis zu 16,50 Metern angelaufen werden können.
Ursprünglich ein Dreiländer-Projekt, stieg Hamburg nach dem CDU-Wahlsieg im Jahr 2001 aus.
Niedersachsen und Bremen realisieren nun gemeinsam den 950 Millionen Euro teuren Bau.
Krimi-Stoff lieferten die Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Manager der Realisierungsgesellschaft.
Wegen der Wirtschaftskrise verschoben die künftigen Betreiber Eurogate und die dänische Reederei Maersk den Betriebsbeginn auf August 2012.
Im Klartext: Niedersachsen hält 50,1 Prozent an der Jade-Weser-Port-Hafengesellschaft, und wer da auch nur ein Prozent herauskaufen wollte, müsste sehr viel Geld in die Hand nehmen. Es ist nicht ersichtlich, warum Hamburg das nicht lieber in den eigenen Hafen investieren sollte.
"Ich habe immer gesagt, dass es ein Fehler war, aus dem Projekt auszusteigen", erklärt Egloff seine Position. Dass man jetzt nachträglich einsteigen solle, hat er nicht gesagt. Egloff hält die Sorge, Wilhelmshaven könnte zu Lasten Hamburgs funktionieren, für unbegründet.
Die dortige Kapazität von 2,7 Millionen Standardcontainer-Einheiten in der ersten Ausbaustufe sind ein Viertel dessen, was Hamburg vor der Krise real hatte. Und die Kapazitäten des Hamburger Hafens ließen sich noch verdoppeln.
Eine langfristig angelegte gemeinsame Hafenpolitik hätte im Moment andere Vorteile: "Wenn wir da einen Fuß in der Tür hätten, könnten wir Niedersachsen deutlich machen: Wenn ihr meint, ihr könntet die Elbvertiefung verhindern oder verzögern, dann treten wir da auch auf die Bremse."
Niedersachsen, so der Sozialdemokrat, habe "keine Berechtigung mehr, die Elbvertiefung zu blockieren", die Argumente seien allesamt "vorgeschoben". Offenbar gehe es darum, dem Jade-Weser-Port "bessere Startchancen zu geben" und die Zustimmung "über die niedersächsische Kommunalwahl hinauszuschieben".
Anstatt sich gegenseitig zu blockieren, sollten die norddeutschen Länder aber zusammenarbeiten, nur dann hätten sie im Ringen um knappe Infrastrukturmittel eine Chance gegenüber bundespolitischen Schwergewichten wie Bayern oder NRW.
Dem designierten neuen Wirtschaftssenator Frank Horch, bis vor Kurzem Handelskammer-Präses, fährt Egloff damit nicht offen in die Parade. Insbesondere die Hamburger Handelskammer war es, die über Jahre eine Beteiligung an dem Projekt Tiefwasserhafen abgelehnt hat, nachdem Niedersachsen sich gegen den Standort Cuxhaven entschieden hatte.
So hält Bremen nicht nur einen Anteil von 49,9 Prozent an der Entwicklungsgesellschaft, sondern konnte mit Eurogate auch den bremischen Favoriten für den Hafenbetrieb durchsetzen. Rein theoretisch könnte Hamburg direkt beim Tiefwasserhafen einsteigen, indem es Bremen Anteile abkauft - die niedersächsische Mehrheit bliebe erhalten.
Bremen hat sich für seine 49,9 Prozent mit rund 40 Millionen Euro an der "terminalnahen Infrastruktur" beteiligt, die Schaffung der Gewerbeflächen im Hinterland hat Niedersachsen allein bezahlt.
Obwohl das Bundesland Bremen überschuldet ist, gäbe es aus bremischer Sicht kaum einen Grund, für eine kleine zweistellige Millionen-Summe seinen Einfluss auf den Jade-Weser-Port zu verkaufen. Im Dreieck Hamburg-Niedersachsen-Bremen würde immer die Gefahr drohen, dass die beiden größeren Partner ihren Interessenausgleich wichtiger finden als die bremischen Belange.
Egloff macht keinen Hehl daraus, dass er Hafenpolitik ideologiefrei betrachtet: "Wenn es Hamburg dient, dann machen wir es." Will sagen: Wenn nicht, dann nicht.
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