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Hamburger Musikklub in der KriseZwischen Pleite und Prinzipien

Keine Kohle und dann auch noch den Nahostkonflikt auf dem Tisch: Für das Hafenklang lief das vergangene Jahr schlecht. Die Aussicht ist kaum besser.

Hat ein hartes Jahr hinter sich: der Hamburger Club Hafenklang Foto: Frank Schwichtenberg/Wikimedia Commons (CC-BY-SA 4.0)

Hamburg taz | Schlechte Zeiten hat wohl jeder Subkultur-Club schon mal durchgemacht. Kein Geld, unsicheres Mietverhältnis, interner Streit, Kritik und kaum Unterstützung von außen. „Auch bei uns war es nie langweilig, aber das war schon ein besonders komisches Jahr“, sagt Thomas Lengefeld fast lakonisch, als er an einem grauen Dezembernachmittag während der Vorbereitung aufs abendliche Konzert am großen Holztisch Platz nimmt.

Lengefeld gehört zum Betreiber:innen-Team des Hamburger Musikclubs Hafenklang, nur einen Steinwurf von der Elbe entfernt. Erst zeigte sich im Spätsommer, dass seit Corona die Geldsorgen so weit zugenommen hatten, dass eine Insolvenz der Clubs im Raum stand. Dann geriet die dezidiert linke, kollektiv betriebene Konzertlocation auch noch ins Visier von – ebenso dezidiert linken – israel­feindlichen Boykott-Aufrufen. „Vor allem seit dem Herbst haben dann die Konzertabsagen massiv zugenommen“, sagt Lenge­feld.

Es hat ein paar Monate gedauert, bis nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres und dem darauffolgenden Krieg der in Teilen rechtsextremen israelischen Regierung in Palästina wegen des Nahostkonflikts alte Gräben in lokalen linken Bewegungen wieder aufrissen.

Nun werden sie immer tiefer: In Hamburg wird auch die Rote Flora angefeindet. Ihr wird Rassismus vorgeworfen – nur weil sie etwa auf Wandbildern darauf hinwies, dass Jü­d:in­nen zu töten, nicht bedeute, für Freiheit zu kämpfen. Palästinasolidarische Gruppen verstanden das, zu Recht, als Kritik an ihren Positionen. Auch Musik­clubs in anderen Städten sind von Boykott-Aufrufen betroffen.

Bands folgen Boykott-Aufrufen

Im Sommer erreichte der Konflikt das Hafenklang. „Wir hatten mitbekommen, dass wir auf einer Liste von Läden stehen, bei denen Bands nicht mehr spielen sollen“, sagt Lengefeld. Wer die Liste verfasst hat, ist unklar. Die Stoßrichtung ist: Wer dort aufgelistet ist, stehe auf der Seite der israelischen Unterdrückung und müsse boykottiert werden. Der Aufruf zeigte Wirkung: „Innerhalb von zwei Wochen haben acht Bands ihre geplanten Konzerte abgesagt“, sagt Lengefeld. Die Folge für den Club: Tickets mussten zurückerstattet werden, Umsätze blieben aus, die Konzertplanungen waren umsonst. „Das hat uns 12.000 Euro gekostet“, sagt Lengefeld.

Den Vorwurf, dass pro-palästinensische Acts im Hafenklang nicht auftreten dürfen, wies der 60-köpfige Trägerverein des Clubs in einer Mitteilung im Oktober zurück. „Nur in einem einzigen Fall wurde im Planungsprozess entschieden, eine noch nicht bestätigte, geschweige denn öffentlich angekündigte Band aufgrund inhaltlicher Differenzen doch nicht zu buchen.“

Natürlich könnten sich Bands auch Palästina-solidarisch bei Konzerten äußern, nur stehe für den Verein das Existenzrechts Israels nicht zur Debatte. Und: „Einem Act im Vorfeld auf Nachfrage mitzuteilen, dass wir weder Antisemitismus, undifferenzierten Israel-Hass, Nationalflaggen oder Hamas-Propaganda auf unserer Bühne haben wollen, empfinden wir nicht als Zensur.“

Die drohende Insolvenz konnte zwar durch eine Spendensammlung vorerst abgewendet werden. Mehr als 200.000 Euro kamen zusammen. Doch das postpandemische Ausgehverhalten habe sich massiv verändert, sagt Lengefeld. „Allein die Getränkeumsätze liegen ein Drittel unter dem Vor-Corona-Niveau.“ Zugleich seien die Produktionskosten gestiegen, sodass es sich eigentlich betriebswirtschaftlich nicht mehr lohne, kleine Künst­le­r:in­nen zu buchen. Gerade jenen aber will das Hafenklang eine Bühne bieten – und nicht nur bereits etablierten, großen Acts.

Senat erhöht Club-Förderung

Deshalb brauchen Subkulturstätten wie das Hafenklang eine auskömmliche und verlässliche Förderung. „Die Stadt gibt viel Geld zur Förderung großer Events und Stätten aus“, sagt Lengefeld. Die kleinen Clubs mit subkulturellem Anspruch dagegen müssten sich einen kleinen Fördertopf teilen.

Sollte sich daran nichts ändern, könne das Hafenklang nicht mehr lange überstehen. Das Spendenpolster werde in den kommenden Monaten aufgebraucht sein, so Lengefeld. „Wir machen jeden Monat Verlust, aber wir können an keiner Stelle mehr sparen“, sagt er. „Wir sind noch ratlos, wie es weitergeht. Aber wir wollen hierbleiben.“

Etwas Hoffnung gibt es nun: Der Senat hat im Haushalt den Fördertopf für kleine Clubs deutlich vergrößert. „Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung und der Einstieg in eine solide Clubförderung“, sagt Anna ­Lafrentz vom Clubkombinat Hamburg, das die Hamburger Musikclubs vertritt.

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