piwik no script img

Hamburger Kirche diskutiert über Olympia„‚Dabei sein ist alles‘ entspricht auch unserem Weltbild“

Soll sich Hamburg für Olympia bewerben? Theologisch betrachtet gibt es für beide Seiten gute Argumente, sagt Pröpstin Anja Botta.

Passten schon 2024 in Paris hervorragend zusammen: Olympia und Kirche Foto: Julien Mattia/XinHua/dpa
André Zuschlag

Interview von

André Zuschlag

taz: Frau Botta, wie lässt sich auf einer theologischen Ebene argumentieren, dass sich Hamburg für Olympia bewerben sollte?

Anja Botta: Beim olympischen Gedanken sind wir ganz nah an kirchlichen Werten von der Gleichheit der Menschen, auch von der Würde des Menschen, weil wir uns, theologisch gesprochen, alle als gottgewollte Kreaturen sehen: Gott liebt uns Menschen vorbehaltlos, wie wir sind. Wenn wir uns den olympischen Gedanken „Dabei sein ist alles“ ansehen – da würde ich sagen, dass das auch unserem Weltbild entspricht. Die ganze Welt nimmt daran teil, alle Sport­le­r*in­nen ungeachtet ihres Glaubens, ihres Geschlechtes oder ihrer Identität. Olympia folgt also dem Gedanken der Völkerverständigung, in dem der Sport friedvoll die Menschen verbindet.

taz: Dagegen ließe sich direkt nichttheologisch argumentieren, dass von Olympischen Spielen aus der Frieden bei einem bewaffneten Konflikt bislang noch nicht eingezogen ist …

Botta: Bei allen Olympischen Spielen spielen die Machtverhältnisse in der Welt eine Rolle. Länder können Olympia ausrichten und trotzdem danach einen Krieg führen. Die olympische Idee ist zumindest: So friedlich, wie es hier zugeht, – davon kann die Welt lernen.

taz: Und was spricht, wieder auf der theologischen Ebene, gegen eine Olympia-Bewerbung?

Bild: Joseph R. Heicks
Im Interview: Anja Botta

52, ist Pröpstin im Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein

Botta: Wir sehen ja anhand der Spiele der vergangenen Jahrzehnte, dass es eine Kehrseite gibt. Bei der Ausrichtung spiegeln sich die Machtverhältnisse auch ganz konkret vor Ort wider, die bei uns in der Kirche Fragen aufwerfen: Wie steht es um das Versprechen der Nachhaltigkeit, die wir theologisch ja als Bewahrung der Schöpfung bezeichnen? Haben nur wenige Menschen vor Ort etwas von den Spielen oder kommen sie allen zugute? Wie wird mit den Menschen am Rande der Gesellschaft während der Spiele und auch danach umgegangen?

taz: Wenn es um Ausgrenzung geht: Da könnte wiederum proolympisch, mit den Paralympics argumentiert werden, richtig?

Botta: Genau, da wird Inklusion gelebt. Die grundlegende Frage ist aber: Wird da nur ein schönes Bild für die Dauer der Spiele geschaffen, oder gibt es einen nachhaltigen Nutzen für die Menschen?

taz: Sie sprachen schon die Losung „Dabei sein ist alles“ an. „Schneller, höher, weiter“ ist ja der andere berühmte olympische Ausspruch. Finden Sie sich darin auch wieder?

Botta: Dieser Gedanke lässt sich an vielen Stellen in unserer Gesellschaft finden. Sich mit Erfolg zu profilieren, hat seine Schattenseiten. Durch den ständigen Druck sehen wir viele Menschen, die das psychisch belastet. Damit will ich nicht den sportlichen Leistungsgedanken kritisieren, aber wir müssen auch die Kehrseite benennen.

Diskussion

„Geld, Geist und Gewissen: Brauchen wir Olympia in Hamburg?“ mit Paralympionikin Maya Lindholm, dem Leiter der Hamburger Olympia-Projektgruppe Steffen Rülke, Diakonie-Geschäftsführer Markus Schneider und Pröpstin Anja Botta. Montag, 15.12., 19 Uhr, Haus der Kirche, Max-Zelck-Straße 1, Hamburg-Niendorf. Eintritt frei.

taz: Dass Olympia mittlerweile eine ziemlich durchkommerzialisierte Veranstaltung ist, die hehre Werte für Werbung nutzt, – das müsste doch aus religiöser Perspektive eigentlich für eine Ablehnung sprechen.

Botta: Genau diese Frage müssen wir diskutieren. Steht Olympia heute noch für die ursprünglichen Werte oder ist das nur eine coole Kampagne? Als Kirche wollen wir da kein Dogma setzen, sondern den Raum bieten für genau so eine Diskussion, um Standpunkte auszutauschen und den – gern auch kontroversen – Dialog zu ermöglichen.

Ich habe mal ein Seminar besucht, in dem die Dramaturgie eines Fußballspiels mit der eines Gottesdienstes verglichen wurde. Da gab es keine allzu großen Unterschiede

taz: Weil es auf beiden Seiten gute Argumente gibt?

Botta: Weil wir als Kirche wissen, dass sich erst im Zuhören mancher Standpunkt erschließt.

taz: Immer wieder ist ja zu lesen, Sport – ob nun Olympia oder Fußball – sei die Religion der modernen Gesellschaft. Das muss Sie als Kirchenvertreterin doch ärgern, oder?

Botta: Nein, überhaupt nicht. Es zeigt nur, dass Menschen ein Bedürfnis nach Ritualen haben, die Sicherheit und Orientierung bieten. Auf eine Weise auch nach Spiritualität. Ich habe mal ein Seminar besucht, in dem die Dramaturgie eines Fußballspiels mit der eines Gottesdienstes verglichen wurde. Da gab es keine allzu großen Unterschiede. Ich sehe darin eine Aufgabe für uns als Kirche, dass wir wieder lernen müssen, wie wir ebenso erfolgreich mit unserer Botschaft die Menschen erreichen.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Was zur Hölle hat denn jetzt das Christentum mit Olympia zu tun? Schon der Name der Veranstaltung ist ein klarer Hinweis, dass Zeus und Co. zuständig sind und nicht "Gott".

    Solche internationalen Großveranstaltungen haben noch nie irgendetwas Positives bewirkt. Was soll denn Olympia 1936 gebracht haben?