: Hamburger Kino-Tips
Jörg Buttgereit schöpft die Themen zu seinen Filmen mitten aus dem Leben. In Nekromantik hat er sich noch nekrophilen Praktiken verschrieben und mit dem Episodenfilm Der Todesking einen Selbstmörder aufgespürt. In seinem vor zwei Jahren fertiggestellten Streifen Schramm ist es nun ein Serienkiller, dem seine Aufmerksamkeit gilt. Mittels vielfacher Rückblenden entsteht ein dichtes Bild eines Killers, das trotz oder gerade wegen des literweise spritzenden Blutes Tabus sichtbar macht. „Ich zeige in Schramm eben, wie ein Mann mit einer Gummipuppe onaniert“, verteidigt sich Buttgereit. „Das tuen doch Tausende, das weiß jeder. Weil ich es aber zeige, sind die Leute entsetzt, hagelt es Vorwürfe.“ Der Soundtrack zum Film stammt von der Berliner Band Mutter. Buttgereit wird seinen Film selbst vorführen und mit einem Videofilm die Arbeit dokumentieren.
23.4., Goldenpudelsclub, 21 Uhr
Die Szene Hamburg-Filmnacht zeigt nach Karmakar in diesem Monat ein Dokument der 80er Jahre in Hamburg. Tscherwonez von Gabor Altorjay, mit Musik von The Wirtschaftswunder gedreht, wird als das filmische Gegenstück zu Joachim Witts „Goldener Reiter“ bezeichnet. Der olle Witt und der Regisseur werden bei der Filmnacht anwesend sein und diesmal auch ins Mikrophon und nicht in den Vorhang sprechen.
22. 4., Alabama, 22.45 Uhr
Die Filmreihe Komm und Sieh, die das Auschwitz-Komitee anläßlich des 50. Jahrestags der Befreiung vom Faschismus veranstaltet (siehe Querschnitt von letzter Woche), wird diese Woche mit fünf Filmen fortgesetzt. Der amerikanische Spielfilm Sobibor von 1985 erzählt vom Widerstand in dem gleichnamigen Konzentrationslager (20.4., 18 Uhr). Die Partisanen von Wilna, der tags darauf zur gleichen Zeit aufgeführt wird, dokumentiert überwiegend mit Interviews den jüdischen Widerstand in den Ghettos. Bereits zehn Jahre nach der Befreiung entstand Nacht und Nebel von Alain Resnais, ein halbstündiger Dokumentarfilm über das System der Konzentrationslager. Die Dokumentation Die Befreiung von Ausschwitz benutzt Originalaufnahmen eines Kameramanns der russischen Armee (beide 25.4., 20 Uhr). Ich war neunzehn hingegen erzählt die Geschichte eines Rotarmisten, der in seine deutsche Heimat zurückkehrt (26.4., 18 Uhr).
Hearts Of Darkness heißt treffend der Dokumentarfilm über die Dreharbeiten zu Coppolas Apocalypse Now nach Motiven aus Joseph Conrads Herz der Finsternis. Und die Geschichten reißen nicht ab. Marlon Brando erzählt in seiner Autobiographie, wie er sich ohne Wissen des Regisseurs mittendrin eine Glatze rasierte und diese, mit einer Vogelspinne gekrönt, vorführte. Dennis Hopper streitet sich bis Heute mit Coppola, wer von den beiden damals bekiffter war. Aber auch die Fakten lesen sich apokalyptisch. Durch den Bürgerkrieg in den Philippinen kommt es zu Versorgungsengpässen, ein Taifun zerstört einen Großteil der Kulisse. Der Hauptdarsteller Martin Sheen erlitt einen Herzinfarkt und Coppola selbst einen Nervenzusammenbruch. Dreharbeiten zu einem Film, die mindestens ebenso mystisch klingen wie der Film selbst.
24. 4., Zeise, 22.30 Uhr
Am Wochenende, 21. bis 23. 4., findet im Metropolis das erste Psycho Delight-Filmfest statt, das dem psychedelischen Film gewidmet ist. Unter anderem werden Milos Formans Joint-Training Taking Off und Antonionis LSD-Trip Zabriskie Point, aber auch Kurzfilme aus dem US-Underground zusammengefaßt, die hierzulande noch nicht zu sehen waren. Die Macher verweisen darauf, daß es ihnen nicht um „eine gedankenlose Verharmlosung dieser mächtigen Substanzen“ geht, sondern, anknüpfend an das Haschischurteil von Lübeck, um die Unterstützung der progressiven Kräfte. Wohl bekomms! vom
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen