Halbjahresbilanz zum Haushalt: Koalition uneins über Finanzlage
Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) warnt davor, von Gewinnen zu sprechen. Für SPD-Fraktionschef Raed Saleh hingegen sind „2 Milliarden übrig“.
Finanzsenator Daniel Wesener von den Grünen sieht die Lage hingegen deutlich anders. In der Pressekonferenz nach der dienstäglichen Senatssitzung warnte er davor, in diesem zwischenzeitlichen Plus im sogenannten „Statusbericht“ bereits Gewinne zu sehen. Dass bislang die Einnahmen um den genannten Milliardenbetrag über den Ausgaben liegen, ist aus seiner Sicht leicht erklärbar: Es liegt vor allem daran, dass das Abgeordnetenhaus den Haushalt für 2022 und 2023 erst Ende Juni beschlossen hat. In den ersten fast sechs Monaten des Jahres gab es somit keinen gültigen Etat.
Vor allem Investitionen stauten sich daher. Wesener verwies unter anderem auf beschlossene, aber noch nicht ausgegebene dreistellige Millionenbeträge für die Flughafengesellschaft und für Umwandlung des früheren Flughafens Tegel in die „Urban Tech Republic“. Auch beim Personal wird absehbar nachgeholt, was im ersten Halbjahr nicht möglich war, nämlich Beförderungen oder Einstellungen. Zudem erwartet Wesener deutlich sinkende Steuereinnahmen. Von nun zu verteilenden Milliardengewinnen kann aus seiner Sicht darum keinen Rede sein – „wenn wir Glück haben, werden wir Jahresende bei einen ausgeglichenen Haushalt erreichen“, sagte der Finanzsenator.
SPD-Fraktionschef Saleh baut seine Forderung, mit dem derzeitigen 2,3-Milliarden-Saldo die Bevölkerung zu entlasten, auf seiner jüngst im taz-Interview geäußerten Einschätzung auf, der Staat sei Inflationsgewinner: Mit jedem teurer gewordenen Produkt nehme er über die Mehrwertsteuer zusätzliches Geld ein. Dem SPD-Politiker zufolge sind das bundesweit 60 Milliarden jährlich. „Diese Mehreinnahmen müssen zum Teil zur Entlastung der Bevölkerung zurück gegeben werden“, forderte Saleh am Dienstag erneut.
Land muss auf Bund warten
Wesener stellte in der Pressekonferenz am Dienstag nicht Hilfen generell in Frage. „Klar ist: Es wird und muss Entlastungen geben“, sagte er. Problem des Landes Berlin und anderer Bundesländer ist bloß, erst Entscheidungen auf Bundesebene abwarten zu müssen. „Das Land kann sich erst im Nachgang ein Bild machen, wo noch Lücken sind“, sagte Wesener. Er nannte keine konkrete Zahl, wie viel die Koalition dafür ausgeben will, zog aber zumindest eine Untergrenze: Die 380-Millionen-Notfall-Rücklage im Landeshaushalt werde vermutlich dazu nicht ausreichen.
Daniel Wesener (Grüne), Finanzsenator
Ob es deshalb nötig ist, dass das Abgeordnetenhaus einen Nachtragshaushalt beschließt, ließ er offen – auch das hängt aus seiner Sicht von Art und Umfang der Hilfen auf Bundesebene ab. Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) hatte vor knapp zwei Wochen bei einer Podiumsdiskussion der Morgenpost einen solchen Nachtrag ins Gespräch gebracht.
Konkreter wurde Wesener mit Blick auf die Empfänger von Hilfsgeldern. „Das Prinzip Gießkanne sollte ausgedient haben“, sagte er, die Unterstützung soll Härtefällen zukommen. Als Beispiel nannte er jene, denen Wohnungsverlust droht, weil sie die steigenden Heizkosten nicht zahlen können.
Der Koalitionsausschuss, in dem am Freitag auch diese widersprüchlichen Einschätzungen von Finanzsenator und SPD-Partei- und Fraktionschef aufeinander treffen werden, ist ein inoffizielles, nicht in der Landesverfassung vorgesehenes Gremium mit enormer Bedeutung. In ihm sitzen die führenden Köpfe der drei Koalitionspartner zusammen und klären grundsätzliche Fragen.
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