Halbfinale DFB-Pokal: „Neinnein, nicht mit Dante“
Mit einem 4:2-Sieg über Mönchengladbach hat Bayern München das Finale des DFB-Pokals erreicht. Erst im Elfmeterschießen setzte sich der Rekordmeister durch.
MÖNCHENGLADBACH taz | Die wievielte Teilnahme in einem DFB- Pokalendspiel mag das eigentlich für Uli Hoeneß sein, seit 1970 ununterbrochen in Diensten der Münchner und somit ewigster aller ewiger Bayern-Sieger? „Oh, ich weiß es gar nicht“, sagte der gut gelaunte Präsident nach dem Drama. Und damit er nicht als erfolgsroutiniert oder gar unersättlich wirken möge: „Ist aber auch ganz egal. Pokalfinale ist immer schön.“
Das nächste am 12. Mai dürfte dem Spötter in Uli Hoeneß besonders gefallen. Denn nach 120 torlosen Minuten hatte der im Spiel überragende Borussenbrasilianer Dante Bonfim Costa Santos, der ab der nächsten Saison mutmaßlich (noch nicht bestätigt) für München spielen wird, den vorentscheidenden Elfmeter über den Torwinkel geschlenzt. Damit ebnete er dem FC Nimmersatt den Weg nach Berlin und refinanzierte gleich seine eigene festgeschriebene Ablöse von 4,7 Millionen fast zur Hälfte. Ein Halbfinalsieg wird vom DFB allein mit 2,0 Millionen belohnt.
Dante bescherte einem leidenschaftlichen Spiel auf Augenhöhe und höchstem Niveau die große Pointe. Das Wortspiel Dantes Inferno lag genauso nahe wie die Erinnerung an Lohar Matthäus 1984. Der hatte damals im Finale einen Elfmeter auch übers Tor des FC Bayern geschossen, als letzte Handlung für die Borussia, bevor er nach München wechselte.
Von Matthäus (derzeit urlaubend auf Job- und/oder Frauensuche in Dubai) waren an seinem 51. Geburtstag keine Worte überliefert, wohl aber vom unglücklichen Dante: „Fußball ist ein schwieriger Beruf“, sagte er zerknirscht, „schwierig wie das ganze Leben auch.“
Bor. Mönchengladbach - Bayern München 2:4 i.E. (0:0)
Bor. Mönchengladbach: ter Stegen - Jantschke, Stranzl (62. Brouwers), Dante, Daems - Neustädter, Nordtveit - Wendt (62. Herrmann), Arango - Reus, Hanke (75. de Camargo)
Bayern München: Neuer - Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba - Luiz Gustavo, Kroos - Robben, Müller (105. Petersen), Ribéry - Gomez (100. Olic)
Elfmeterschießen: 0:1 Alaba, 1:1 Daems, 1:2 Ribéry, 2:2 Herrmann, 2:3 Lahm, Dante verschossen, 2:4 Kroos, Nordtveit gehalten
Gelbe Karten: Jantschke / Kroos, Robben
Und: „Meine Seele tut sehr weh.“ Hoeneß wusste es nachher besser: „Ich hätte Dante wegen der Diskussionen um seinen Wechsel nicht schießen lassen.“ Und weil er so gut gelaunt war, schob Hoeneß noch nach: Elfmeter zu schießen sei immer besonders schwer, wenn man besonders ausgepowert ist. Was die Borussen tatsächlich waren - „wir liefen zum Ende auf den Felgen“, so Manager Max Eberl. Hoeneß: „Da hast du keine Nerven mehr im Duell mit dem Torhüter. Ich kenne das ja selbst, aus Belgrad 1976.“
Favre sprintet bis zum Mittelkreis
Lucien Favre, Gladbachs Coach, war noch während des Elfmeterschießens beim Stand von 1:1, - illegal, bis ihn ein eiliger Offizieller wegholte - zum Mittelkreis zu seinen Spielern gesprintet und hatte aufgeregt mit Dante geredet. Nachher relativierte er emsig: „Neinnein, nicht mit Dante. Mit den anderen. Es ging um ein Detail. Aber was, das bleibt unter uns.“ Sichtbar stolz war der Schweizer auf 52 Prozent eigenen Ballbesitz in der 1. Halbzeit – das sei „doch nicht schlecht“ gegen „die Nationalmannschaft plüss Robben und Ribery“.
Der Wert war Ausdruck klugen Gladbacher Spiels: Früh attackieren, mit eiskaltem Gemüt das Tor sichern und mit technisch auffällig versierten Akteuren selbst den Ball mit Tempo zirkulieren lassen, dass zeitweilig der FC Barcelona gestaunt hätte (und es auf dem Platz der hölzerne Mario Gomez sicher neidvoll tat).
120 Minuten hatte Borussia kein Tor zugelassen gegen die zuletzt so torgierige rote Walze aus München und selbst einige Riesengelegenheiten gehabt wie Marco Reus frei vor Manuel Neuer nach 85 Minuten.
Große Tempohatz
Es war eines der lautesten Fußballspiele der letzten Jahre, hitzig, prickelnd giftig, hoch emotionalisiert und zumindest 90 Minuten eine große Tempohatz. Tausendfache Entsetzensschreie ließen schon nach banalem Fehlpass den Borussen-Park erzittern, zehntausendfache gellende Pfiffe setzte es bei jedem Ballkontakt von Arjen Robben, höhnische Kollektiv-Schreie, wenn ein Münchner den Ball in der Not auf die Tribünen drosch, Jubelschreie, wenn es einer der eigenen Tat. Jubelsalven gab es, wenn dieser Tony Jantschke mal wieder Frank Ribery den Ball abluchste.
Zum eigenen Hauptakteur jubelten die Münchner Manuel Neuer hoch, „den Matchwinner heute“, so Trainer Jupp Heynckes. Beide Niederlagen gegen Gladbach in der Liga hatte ihr Torwart mit Patzern eingeleitet. Gladbachs Fankurve hatte ihn schon beim Warmschießen donnernd begrüßt „Die Nr. 1 im Tor haben wir.“
Marc ter Stegen fischte tatsächlich mehr aus den Ecken, aber den einen glücklich abgeblockten Elfmeter, den hatte Neuer (den zudem letzten gegen Nordtveit). Kollege Thomas Müller bescheinigte ihm deshalb, „den Gladbach-Fluch eindrucksvoll überwunden“ zu haben.
Neuers Egokratzer
Das war bayerntypisch eine Nummer zu groß, zeigt aber, wie sehr die Fehler an Neuers Ego gekratzt haben müssen. Einigermaßen exklusivmeinte Uli Hoeneß, der Fight hätte „eigentlich den Chancen nach 6:2 für uns ausgehen müssen“. Da möchte man dem deutschen (und womöglich weltweiten) Rekordhalter Hoeneß zu seiner Erfolgsvita mit Fakten gratulieren: Es wird seine 14. Finalteilnahme sein.
Elf Mal hat er gewonnen (einmal als Spieler, neun Mal als Manager, ein Mal als Präsident). Nur Bayer Uerdingen 1985 bei der Berlin-Premiere und Werder Bremen 1999 schafften, wovon Borussia Dortmund jetzt träumt. Die spielen immerhin ohne jeden Dante.
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