Halbe Mehrwertsteuer für Schuster: Schweden fördert Reparaturen
Instandsetzung von Kleidung, Schuhen oder Rädern wird gefördert: Die rot-grüne Regierung geht mit geringeren Abgaben gegen Wegwerfkultur vor.
Eine Studie der Hochschule Borås kam zu dem Fazit: „Ohne eigentlich auf Lebensqualität verzichten zu müssen, könnten wir die Abfallmenge auf das Niveau von vor 15 Jahren beschränken.“ Nämlich dann, wenn man beispielsweise ein Elektrogerät nicht gleich wegwerfen würde, weil ein Schalter nicht mehr funktioniert. Oder wenn man sich nicht sofort ein neues Mobiltelefon kauft, weil beim alten das Display zerbrochen ist.
Größeren Anreiz zu Reparaturen will nun Schwedens rot-grüne Regierung schaffen. Ab 1. Januar wird die Mehrwertsteuer für die Instandsetzung von Kleidung, Schuhen oder Fahrrädern halbiert. Und kommt ein Handwerker ins Haus, um einen Kühlschrank oder eine Waschmaschine zu reparieren, kann man die Hälfte der Arbeitskosten von der Steuer absetzen.
Ein Stundenlohn von umgerechnet 50 Euro reduziert sich für den Verbraucher damit in der Praxis auf 25 Euro. Findige Unternehmer haben bereits reagiert: Weil die Steuerersparnis für Lohnkosten nur für Reparaturen vor Ort gilt, bieten sie an, ins Haus zu kommen und dort ein Handydisplay zu wechseln oder ein kaputtes Fahrrad zu reparieren. Laut Finanzbehörde ist das auch legal.
Für das Klima und die Umwelt
Man hoffe, mit der neuen Regelung mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können, meint der grüne Verbraucherminister Per Bolund: etwas gegen die Wegwerfkultur und für das Klima, die Umwelt und einen sparsamen Umgang mit Naturressourcen zu tun und außerdem noch neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen von einer Informationskampagne für die breite Öffentlichkeit und an Schulen begleitet werden, um ein stärkeres Bewusstsein für umweltfreundlichen Konsum zu schaffen. Für die Steuererleichterungen hat die Regierung 750 Millionen schwedische Kronen (76,5 Millionen Euro) eingeplant.
Den Vorschlag für den jetzt verwirklichten „REP-avdrag“ – Steuerabzug für Reparaturkosten – machte bereits vor fünf Jahren der schwedische Naturschutzverband Naturskyddsföreningen. Der auch ein Pfandsystem für Mobiltelefone anregt. Die Begründung: „Unsere Umwelt und das Klima brauchen sowohl traditionelle wie elektronische Schuhmacher.“
Aber gibt es die überhaupt? „Ich habe vor 20 Jahren eine Gymnasialausbildung mit Elektro- und Teleschwerpunkt absolviert, da lernten wir noch, wie man solche Sachen repariert“, erzählt Patrik Rodewald, der jetzt einen TV-Service betreibt, der auch Elektronikreparaturen ausführt: „Die Ausbildung gibt es schon lange nicht mehr. Die meisten, die so etwas jetzt machen, haben sich das selbst beigebracht.“ Es wird also einiges zusammenkommen müssen, um die Wegwerfmentalität wirklich eindämmen zu können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen