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Haider beschimpf ORFDreiste Einmischer

Rechtspopulist Jörg Haider beschimpft den ORF im ORF als "Rotfunk" - nur ein Beispiel für die Probleme österreichischer Politiker mit der Pressefreiheit.

Jörg Haider will "dieses rot-schwarz beherrschte Österreich wieder zu einer Demokratie machen". Bild: dpa

Jörg Haider ist wieder da, österreichweit, nicht nur in Kärnten. Der rechtspopulistische Landeshauptmann führt sein Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) als Spitzenkandidat in die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag und will "dieses rot-schwarz beherrschte Österreich wieder zu einer Demokratie machen". Man wird hellhörig, wenn Haider das in einem Interview in der Hauptnachrichtensendung des Österreichischen Rundfunks, der "Zeit im Bild", sagt und gleichzeitig ordentlich auf den ORF als "Rotfunk" schimpft.

Denn zum Wesen einer Demokratie gehört auch Pressefreiheit. Doch wie die FPÖ und das daraus hervorgegangene BZÖ diese während ihrer Regierungsbeteiligung 2000 bis 2006 auslegten, davon zeugt auch eine lange Liste an Interventionen beim öffentlich-rechtlichen ORF, gesammelt von den Redakteurssprechern. Immer wieder sollte die eigene Position stärker als der Nachrichtenlage angemessen präsentiert und politisch für sie geworben werden.

Wenn FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler etwa vor der "Zeit im Bild"-Ausstrahlung erfuhr, dass sein im Parlament gehaltener Redebeitrag nicht gesendet werden sollte, rief er im Studio an. Oder er beschwerte sich gleich beim Generaldirektor, weil der ORF nicht von seiner Präsentation eines neuen FPÖ-Kindergeld-Plakates berichtet hatte. "So etwas hätte es bei ARD und ZDF höchstens einmal gegeben", meint Hannes Haas, Vorstand des Instituts für Publizistik an der Uni Wien. "Jede politische Partei hat den Reflex, kontrollieren zu wollen. Die Frage ist nur: Wie weit lässt man das zu."

Politiker wie Journalisten haben seither dazugelernt. Derart unsubtil gehäuft interveniert heute keiner mehr: Westenthalers peinliches Auftreten gilt unter Politikern mittlerweile als warnendes Beispiel. Zudem ist jener Fernseh-Chefredakteur, der sich selbst als Teil der ÖVP-FPÖ-Wende begriffen hat, seit vergangenem Jahr nicht mehr im Amt. Publizistikprofessor Haas, aber auch ORF-Mitarbeiter beobachten seitdem eine bessere Atmosphäre im Unternehmen, das "Fehlen von Angst" und eine "gewisse Grundstimmung journalistischen Mutes". Ob leitende Redakteure aber Themenvorschläge bringen, von denen sie wissen, dass sie Politiker freuen, das könne man freilich nicht immer wissen, meint Redakteurssprecher Fritz Wendl: "Ich gehe aber davon aus, dass das jetzt kaum vorkommt."

Politische Parteien versuchen dennoch Einfluss zu nehmen - über die Konstruktion des ORF-Stiftungsrats. Denn von den 35 Stiftungsräten, die unter anderem die Direktoren bestellen, die Geschäftsführung überwachen und Programm und Stellenpläne genehmigen, werden 9 von der Bundesregierung ernannt, weitere 6 nach dem Stärkeverhältnis der Parteien im Parlament und jeweils einer kommt von den 9 Landeshauptleuten. Unter den Stiftungsräten befinden sich Helga Rabl-Stadler, die ehemalige stellvertretende ÖVP-Vorsitzende, sowie Karl Krammer, derzeit Wahlkampfberater des SPÖ-Vorsitzenden Werner Feymann und selbst Kandidat für die Nationalratswahl. Das sorgte zuletzt für Unmut, etwa bei den Grünen. "Der Stiftungsrat ist ein lächerliches Gremium", sagt Redakteurssprecher Wendl: "Das kann nicht gescheit funktionieren mit diesem Beschickungsmodus."

Haiders Attacke weist Wendl dennoch zurück. Von "Rotfunk" brauche dieser nicht zu sprechen, auch wenn der derzeitige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz als SPÖ-nah gilt. Schließlich sei dieser auch von BZÖ- und FPÖ-nahen Stiftungsräten gewählt worden. Und immerhin habe das BZÖ auf diese Weise manchen Wunschkandidaten untergebracht.

So sorgen sich ORF-Mitarbeiter trotz Haiders verbaler Angriffe weniger davor, dass im Falle einer BZÖ-Regierungsbeteiligung plumpe Interventionsversuche wieder zunehmen - sondern eher darüber, wie sich die Einflussnahme sämtlicher Parteien über den nach der Wahl neu zusammengesetzten Stiftungsrat auf das Unternehmen auswirken wird. "Der eine oder andere Kollege im Unternehmen wird sofort ein, zwei Etagen höher rutschen", meint ein ORF-Redakteur. "Notfalls wird ein neuer topbezahlter Posten auf Kosten der Gebührenzahler kreiert", sagt ein anderer. Und je nachdem, wie Politiker und Stiftungsräte dem Unternehmen gesinnt sind, kann Druck auch durch den Rotstift ausgeübt werden.

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