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Hafturteil für gazete-Reporterin„Das ändert nichts an meiner Arbeit“

Die Journalistin Canan Coşkun wurde in Istanbul zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Von der linken Aktivistin zur Gerichtsreporterin – Canan Coskun Foto: Antonin Weber

Der gestrige Donnerstag war für Canan Coşkun zunächst ein Tag wie jeder andere: Am Morgen fuhr sie mit dem Bus vom Istanbuler Stadtteil Gazi zum Gericht in Çağlayan, wie schon am Tag zuvor, als sie als Zeugin im Prozess gegen den Journalisten Ali Demirhan geladen war. Nur dass sie an diesem Donnerstag selbst angeklagt war. Das Urteil kam prompt und lautete: 2 Jahre und drei Monate. Begründung: Die Reporterin der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet hat „mit dem Kampf gegen den Terror beauftragte Personen zur Zielscheibe gemacht“.

Im September 2017 berichtete sie über eine Ermittlung gegen Anwälte, die der Mitgliedschaft in der als linksterroristisch eingestuften Organisation DHKP-C bezichtigt wurden. In ihrem Bericht ließ sie auch den Namen einer Zeugin fallen. Regierungstreue Publikationen wie der Star hatten ebenfalls von dem Fall berichtet und auch besagten Namen genannt, belangt wurden sie jedoch nicht. Coşkun selbst vermutet, dass gegen ihren Arbeitgeber Cumhuriyet vorgegangen werden soll.

Gerichtsreporterin war nicht der Plan

Canan Coşkun wurde 1987 in Istanbul geboren und lebt seitdem fast ununterbrochen in Gazi. Ein Sadtteil der dafür bekannt ist, dass dort besonders viele Aleviten und linke Aktivisten leben. Bevor sie im Jahr 2012 bei Cumhuriyet anheuerte, studierte sie in Eskişehir Fotografie und arbeitete für Greenpeace. „Bei Cumhuriyet habe ich das journalistische Handwerk gelernt“, wie sie selbst sagt.

Während der Proteste im Gezi-Park 2013 berichtete sie von vor Ort, wurde infolge der Verhaftungen aber mehr und mehr zur Gerichtsreporterin: „Das war überhaupt nicht der Plan. Aber unvermittelt war ich vier Tage die Woche am Gericht.“

Vom jetzigen Abgeordneten Ahmit Şik bis hin zu Şenol Buran, der in der Kantine arbeitete – bei Cumhuriyet gibt es kaum noch jemanden, der nicht schon irgendeine Gefängnisstrafe abgesessen hat. Die Anwälte der Zeitung gehen von bis zu 100 gegen das Blatt und seine Mitarbeiter laufende Verfahren aus.

Berichte über korrupte Richter und Staatsanwälte

Das Urteil gegen Coşkun ist noch nicht rechtskräftig. Coşkun wird sich davon nicht beirren lassen: „Das war weder der erste noch wird es der letzte Schuldspruch gegen Journalisten gewesen sein. An meiner täglichen Arbeit ändert das nichts.“

Im Januar 2016 wurde sie zu einer Geldstrafe von 2.250 Euro verurteilt, weil sie über mutmaßlich korrupte Richter und Staatsanwälte berichtet hatte, deren Unbefangenheit durch Schattenwirtschaft und den unverhältnismäßig günstigen Kauf von Luxus­apartments in Zweifel gezogen werden konnte. Weitere Recherchen brachten ihr zehn Monate Gefängnis ein; eine Strafe, die bislang ausgesetzt blieb.

Coşkun sieht es mit Humor: Im Gefängnis könne sie wenigstens Geld sparen. Aber sie sagt auch: „Es geht nicht nur darum, Nachrichten zu machen. Es geht um Recht und Gerechtigkeit. Das wird dringend gebraucht.“

Übersetzung: René Hamann

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