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Haftstrafe von Kreml-Kritiker verringertChodorkowski kommt 2014 frei

Elf statt dreizehn Jahre Knast: Ein Gericht in Moskau hat die Strafe des Ölunternehmers und Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski verringert. Grund ist ein neues Gesetz.

Michail Chodorkowski muss „nur“ noch bis 2014 in Haft bleiben. Bild: dapd

MOSKAU afp/dpa/rtr | Ein russisches Gericht hat die Haftstrafe für den Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski um zwei Jahre verringert. Der Ölunternehmer müsse insgesamt nun noch bis zum Jahr 2014 im Gefängnis bleiben, entschied ein Moskauer Bezirksgericht am Donnerstag laut russischen Nachrichtenagenturen.

Die Strafe wurde dabei von 13 auf elf Jahre Haft reduziert. Eine Haftstrafe für Chodorkowskis früheren Geschäftspartner Platon Lebedew wurde ebenfalls rückwirkend um zwei Jahre verringert.

Ein kürzlich erlassenes neues Gesetz sieht geringere Strafen für Taten vor, für die Chodorkowski und Lebedew verurteilt wurden. Zudem ist eine rückwirkende deutliche Strafminderung möglich. Chodorkowski und Lebedew waren im Jahr 2003 festgenommen worden.

In einem ersten Prozess wurden die Männer wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. In einem umstrittenen zweiten Prozess im Dezember 2010 wurden sie wegen Unterschlagung und Geldwäsche erneut verurteilt und sollten ursprünglich bis zum Jahr 2016 in Haft bleiben.

Menschenrechtler hatten das Verfahren gegen die zwei Männer als Schauprozess kritisiert. Beide werfen der Justiz vor, ihre Strafen wegen Diebstahls in Milliardenhöhe und Geldwäsche seien wegen ihres Konflikts mit Präsident Wladimir Putin besonders hoch ausgefallen.

Kritiker gehen davon aus, dass die russische Führung mit dem Verfahren ihren Einfluss auf das lukrative Öl-Geschäft ausdehnen wollte. Chodorkowski war als Chef des Energie-Konzerns Yukos bis zu seiner Festnahme 2003 einer der mächtigsten Oligarchen Russlands. Die Organisation Amnesty International erkennt die Männer, die seit 2003 in Haft sind, als politische Gefangene an.

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7 Kommentare

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  • B
    Benz

    @Hendrix

    ''es geht hier nicht darum wie Chodorkowski zum Milliardär geworden ist''

    Sie irren, genau darum geht es! Es geht darum, wie es möglich war, aus dem Nichts zu einem fantastischen Milliardenvermögen zu kommen. Es liegt auf der Hand, dass das nicht mit rechten Dingen zuging, was sich denn auch im Gerichtsverfahren herausstellte.

     

    Chodor war Mehrheitsaktionär, wie sie selbst schreiben. Der Aktionär und die Firma sind unterschiedliche Personen. Sie wissen doch, was eine juristische Person ist? Insbesondere darf der Aktionär das Vermögen der Firma nicht in die eigene Tasche stecken. Und dann gibt es da noch die Minderheitsaktionäre- als Chodor den ganzen Gewinn für sich abzweigte, brachte er die Kleinanleger um ihre Gewinnanteile. Das sehen Sie doch?

     

    Dieses Spiel ging so über mehrere Jahre: Jukos verkaufte sein Oel weit unter Marktpreisen an von Chodor kontrollierte Offshorevehikel, schrieb selbst nur Verluste. Die ganzen Gewinne wurden von den Offshorevehikeln eingesteckt.

     

    Jukos hatte keine Gewinne, die Minderheitsaktionäre keine Dividenden, der Staat keine Steuern- Chodor aber wurde steinreich.

  • H
    Hendrix

    Benz, es geht hier nicht darum wie Chodorkowski zum Milliardär geworden ist. Sicher ist da nicht alles sauber gelaufen: Das gilt aber genauso für alle anderen heutigen Oligarchen wie Derepiska, Abramowitsch, usw. Wie auch für Putin. Für alle, die in der russ. Wirtschaft der 90er Jahre gross mitgemischt haben. Das ist aber nicht Inhalt der Anklage wie auch nicht die absurde Mord-Story.

     

    Zur Anklage. Da Chodorkowski Mehrheitsaktionär von Jukos war, läuft die Anklage natürlich darauf hinaus, sich selbst zu bestehlen. Warum hätte er das tun sollen? Jukos war im Höhenflug und schmiedete riesige Allianzen. Absurd auch die Höhe: Angeblich hätten er und Lebedew 350 Millionen Tonnen Öl über Tochtergesellschaften für sich abgezweigt, in dem sie diese als billige Quellflüssigkeit deklariert hätten. 

     

    Die Zahl ist so gigantisch, dass sie jede Vorstellungskraft übersteigt: Sie entspricht der kompletten russ. Ölproduktion eines Jahres! Hier haben selbst die russ. Minister deutlich gemacht, dass dies völlig unmöglich ist. Und: Jukos hätte dann schon finanziell gar nicht existieren können. Auch buchhalterisch absurd: Die Differenz (25 Milliarden Dollar!) zwischen den Unternehmensteilen wäre selbst bei aller schlampigster Buchprüfung aufgefallen. Und Jukos gehörte zu den transparentesten Unternehmen Russlands.

     

    Jetzt dürfen Sie ran, Benz: Wo sind die 350 Mio. Tonnen Erdöl hin, haben Sie die eingesteckt?

  • B
    Benz

    @Inge

    Ich finde es auch ziemlich seltsam, wie bei uns ausländische Verbrecher bejubelt werden, solange sie nur politisch korrekte Aussagen machen. Leider haben wir eine lange Tradition, mit zwielichten Gestalten zusammenzuarbeiten- man erinnere sich nur an das geflügelte Wort über einen mit den USA verbündeten Diktator ''Er ist ein Schweinehund, aber er ist unser Schweinehund.''

     

    @Hendrix

    So so, unschuldig. Dann könnten Sie uns vielleicht etwas näheres über das fantastische Geschäftsmodell erzählen, mit dem man völlig legal innert weniger Jahre zum Mehrfachmilliardär wird? Oder wie man völlig legal einen Oelkonzern weit unter Wert ersteigert? Wie man trotz Milliardenvermögen keinen müden Rubel Steuern zahlt? Und ob der Bürgermeister von Neftejugansk, der von Jukos ehrliche Steuerabrechnungen verlangte, aus reinem Zufall erschossen wurde?

     

    Chodor wurde nicht vorgeworfen, sich selbst, sondern die Jukos AG bestohlen zu haben. Sein Schema war, den gesamten Gewinn von Jukos mittels fiktiver Transaktionen (Verkauf von überteuerten Waren und Dienstleistungen, Beraterverträge usw.) auf von ihm kontrollierte Privatkonten in Steuerparadiesen zu transferieren. Chodor versuchte sich zu verteidigen, das sei legal gewesen, denn er sei ja der Mehrheitsaktionär, es gehöre sowieso alles ihm.

    Aber sie wissen sicher, dass die AG einerseits und die Eigentümer andererseits unterschiedliche Personen sind. Versuchen Sie doch mal, bei einer Firma an der Sie Aktien halten einfach mal reinzuspazieren und ein paar Büromöbel mit nachhause zu nehmen.

    Zweitens gabs da noch die Minderheitsaktionäre, die so um ihre Dividenden geprellt wurden.

     

    Also, jetzt sind Sie am Zug, warum sollte das legal gewesen sein?

  • P
    Peter

    Yellow Cake durch die Wismut, eine verkaufte Landesbank und ein Mappus Codename "Olympia", EnBW mit einem merkwürdigen russischen Uran Deal.

     

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/enbw-affaere-weitet-sich-aus-dubiose-millionen-deals-fuer-russisches-uran-1.1382033

     

    Gibt es Verbindungen zwischen Chodorkowski und der Mappus Clique, EnBW?

  • H
    Hendrix

    Benz, erzählen Sie nicht Ihre übliche Putin-Propaganda. Der Mann sitzt seit 11 Jahren unschuldig im Knast; die Diebe sind es, die in Russland an der Macht sind.

     

    Der Prozess gegen Chodorkowski war juristisch der größte Witz aller Zeiten. In Inhalt und Form. Dem Mann wurde vorgeworfen, sich selbst bestohlen zu haben. Und zwar in derart absurdem Maßstab, dass selbst russ. Minister zugeben mussten, das dies unmöglich sei. Bekannt auch wie eine ehemalige Gerichtssprecherin beschrieben hat, dass der zuständige "Richter" das Strafmaß von oben diktiert bekommen hat. Und in der Tat, Putin selbst als damaliger Regierungschef, hat unter Missachtung aller Rechtsstaatlichkeit öffentlich Gefängnisaufenthalt für seinen Widersacher gefordert ("der Dieb gehört ins Gefängnis"). Die gelenkte russ. Justiz hat sich hier schwerster Vergehen schuldig gemacht und die zuständigen Verbrecher werden zur Rechenschaft gezogen werden.

     

    Im übrigen gibt es keinen Grund zu übereilter Freude: bis 2014 ist noch lange hin, zumal in so seinem unruhigen Land wie RU, und das Regime hat bisher noch jeden Versuch hintertrieben, Chodorkowski freizulassen.

  • B
    Benz

    Schon 13 Jahre für Dutzende zusammengeklaute Milliarden war sehr wenig. Und jetzt wurde das auch noch auf 11 Jährchen reduziert. Vergessen wir nicht: Beim Wirtschaftskriminellen Chodor geht es nicht nur um dessen mafiöses Imperium und seine Milliarden. Es geht auch um die Tausenden von mittels Hungerlöhnen ins Elend gestossenen Angestellen, ausgeplünderte Städte, vernichtete soziale Strukturen, ungeheuren Zynismus und um Dutzende Ermordete, die sich Chodor und seinen Spiessgesellen in den Weg stellten.

  • I
    Inge

    "Chodorkowski war als Chef des Energie-Konzerns Yukos bis zu seiner Festnahme 2003 einer der mächtigsten Oligarchen Russlands. Die Organisation Amnesty International erkennt die Männer, die seit 2003 in Haft sind, als politische Gefangene an."

     

    Es ist schon erstaunlich, immer wieder in der taz zu lesen, das alle Osteuropäer, die innerhalb von 10 Jahren zu Milliardären und mächtigsten Oligarchen in Russland und der Ukraine wurden (Chodorkowski, Timoschenko usw.), politische Gefangene sind.

     

    Auch in Deutschland sind, wie bekannt, eine Reihe Milliardäre und Millionäre vor Gericht gestellt und verurteilt worden in den letzten Jahren.

    Handelt es sich hier auch um politische Gefangene, oder sind Milliardäre nur in der Ex-Sowjetunion politische Gefangene.

     

    Also, taz-Redakteure, setzt Euch bitte genauso für unsere Milliardäre ein!