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Haftstrafe für Julian M.Neonazi will jetzt friedlich sein

Für mehr als 3 Jahre muss der Kopf der „Deutschen Jugend Voran“ ins Gefängnis. Die Taten bereut er, seine Gesinnung aber bleibt.

Anwalt Mirko Röder mit seinem Mandanten Julian M Foto: dpa/Christoph Soeder

Berlin taz | Seit Anfang 2024 war Julian M. die zentrale Figur der damals neu gegründeten gewaltbereiten Neonazi-Gruppierung „Deutschen Jugend Voran“ (DJV) Berlin-Brandenburg. Nun muss er, der bereits sechs Monate in Untersuchungshaft saß, für drei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Das Berliner Landgericht verurteilte M. am Mittwoch für vier einzelne Taten, darunter drei gefährliche Körperverletzungen in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und versuchtem schweren Raub sowie einer Bedrohung. Antreten muss er die Haftstrafe aber erst in einigen Wochen.

Die Vorsitzende Richterin benannte zwei der Taten als „rechtsextrem motivierte Gewalttaten“. Im Herbst 2024 hatte M. zunächst aus einer siebenköpfigen Gruppe heraus einen Mann überfallen und mit Gewaltanwendung zur Herausgabe seines Antifa-T-Shirts gezwungen. Später posierten die Neonazis mit der Beute in der Marzahner Kneipe „Zum Zapfhahn“. Der Betroffene, die Richterin bezeichnete ihn als „auf den ersten Blick vulnerables Opfer“, leidet bis heute unter Angstzuständen, seine Aussage vor Gericht musste er unter Tränen unterbrechen.

Eine zweite Attacke traf einen Mann in der S-Bahn nach einem neonazistischen Aufmarsch in Marzahn, den M. angeführt hatte. Auch dieser hatte ein Antifa-Emblem auf seiner Jacke und wurde von M. und weiteren Neonazis mehrfach geschlagen und getreten, auch als er bereits am Boden lag. Die Staatsanwaltschaft sprach in ihrem Plädoyer von „potenzieller Lebensgefahr“ und forderte allein für diese Tat knapp drei Jahre Freiheitsstrafe.

Zwei weitere Straftaten kamen hinzu. Zum einen ein geplanter Übergriff auf einen Bekannten, der mit M.s Ex-Freundin in Streit lag, bei der M. auch mit einer ungeladenen Schreckschusspistole drohte. Bestraft wurde zum anderen auch die Bedrohung einer Frau, die zuvor ebenfalls eine Beziehung mit M. führte, nachdem diese angekündigt hatte, aus der DJV aufzusteigen. Bei dieser Tat war M. erheblich alkoholisiert, aber auch bei den anderen spielte Alkohol-, womöglich auch Kokain-Einfluss eine Rolle.

Nazi ja, aber ohne Straftaten

Nach insgesamt vier Verhandlungstagen bestand kein Zweifel, dass M. die ihm zur Last gelegten Taten begangen hatte. Schon zum Prozessauftakt hatte er diese gestanden und sich im weiteren Verlauf dann auch bei seinen Opfern entschuldigt. Am Mittwoch beteuerte er, solche Straftaten „auf keinen Fall“ wieder zu begehen. Gleichzeitig wollte er sich nicht von seinen Kameraden der DJV distanzieren – etwa ein Dutzend waren zur Unterstützung erschienen. Diese seien schließlich sein soziales Umfeld. Auch sagte M.: „Meine politische Einstellung ist relativ eindeutig klar“, seine „Meinung wird weiter bestehen bleiben“.

Der Neonazi M. kommt aus einem „gutbürgerlichen Elternhaus“, wie sein Anwalt Mirko Röder betonte, der Vater ist Polizist. M. hat einen mittleren Schulabschluss und arbeite nach einer abgebrochenen Ausbildung in einem Sportfachgeschäft. Insgesamt acht Eintragungen ins Bundeszentralregister zeigen indes, dass M. bereits seit seiner Jugend immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz kam. Nun möchte er „wieder festen Boden unter den Füßen“ haben, wie er sagte, einen Job und eine Wohnung.

Die Richterin gab ihm in ihrer Urteilsbegründung mit auf dem Weg, seine „rechtsextreme Einstellung“ zu überdenken, andernfalls werde man sich wohl „wiedersehen“. Dass zumindest die Kameraden nichts von einem künftigen konfliktfreien rechtsextremen Dasein halten, zeigten sie im Anschluss. Ein junger Neonazi griff vor dem Moabiter Gericht einem Kameramann von Spiegel TV in die Kamera und musste von den Umstehenden von weiterer Gewaltanwendung zurückgehalten werden.

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