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Haftantritt nach siebeneinhalb JahrenNeonazi an Deutschland ausgeliefert

Der verurteilte Neonazi Gerhard Ittner sitzt siebeneinhalb Jahre nach seiner Flucht in einem bayerischen Gefängnis. Im April war er gefasst worden.

Bekennender Nazi: Im April 2005 war Ittner vom Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilt worden. Bild: dpa

NÜRNBERG dapd | Der wegen Volksverhetzung und schwerer Verunglimpfung des Staates verurteilte Neonazi Gerhard Ittner ist siebeneinhalb Jahre nach seiner Flucht an Deutschland ausgeliefert worden. Der 54-Jährige wurde am Dienstag den deutschen Behörden übergeben und befindet sich in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt, wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am Mittwoch mitteilte.

Ittner war im April in Portugal gefasst worden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Justizministerin Beate Merk (beide CSU) bezeichneten die Festnahme und Auslieferung des Neonazis als großen Erfolg langjähriger intensiver Fahndung.

Ittner war im April 2005 vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Kurz vor der Verkündung des Urteils hatte er sich allerdings abgesetzt und wurde jahrelang mit internationalem Haftbefehl gesucht. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat Ittner jetzt die bereits rechtskräftig ausgesprochene Strafe zu verbüßen, ohne dass es vorher noch einer erneuten Hautpverhandlung bedarf.

Zwischen 2002 und 2004 hatte der ehemalige DVU-Landtagskandidat zahlreiche Texte mit verunglimpfendem, volksverhetzendem Inhalt ins Internet stellen lassen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm damals neben Volksverhetzung und schwerer Verunglimpfung des Staates auch Beschimpfung von Religionsgemeinschaften sowie Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen vor.

Schlag gegen die rechtsextremistische Szene

Nach der Verlesung der Anklageschrift hatte Ittner sich in einer Erklärung als „Sachwalter des Deutschen Reiches“ bezeichnet, der als Nationalsozialist der Anklage exterritorial gegenüberstehe. Der sogenannte Staatsanwalt sei hingegen Partei des „Besatzungskonstruktes BRD“.

Innenminister Herrmann sagte zur Auslieferung Ittners, jetzt könne sich „dieser rechtsextreme Hetzer und Holocaust-Leugner seiner gerechten Strafe nicht mehr entziehen“. Der Polizei sei mit der Festnahme und Auslieferung des untergetauchten Neonazis ein empfindlicher Schlag gegen die rechtsextremistische Szene gelungen.

Justizministerin Merk begrüßte, dass der 54-Jährige jetzt seine gerechte Strafe absitzen wird. Dies sei ein deutliches Signal auch an die rechtsextreme Szene, dass es in Bayern keinen Platz für Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gebe.

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2 Kommentare

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  • JB
    Jurij Below

    Es ist erstaunlich wie in unserem Lande mit der Meinungsfreihet ungegangen ist. Man spricht pauschal von der "Nazis" und Rechtsextremisten" so zu sagen im Voraus.

     

    UN Charta für Menschenrechte 1948, internationale Abkommen und Konventionen über die Menschenrechte von 1963, 1966, 1985 , 1990, 1992, 1994, 2002, 2004, 2009, sowie nationale Verfassungen in Europa, die sich verpflichten u.a. das Recht auf freie Meinungsäußerung für seine Bürger zu garantieren.

     

    Auch die beiden Länder Portugal und BRD befestigten ultimativ das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ihrer Bürger: Portugal im Art. 13 und Deutschland in Art. 5 und Art. 8 und diese Recht als Teil der Menschenwürde definiert.

     

    Beim Fall Ittner wird aber verschwiegen, dass der Flücht Ittners aus Deutschland war nötig gewesen, denn die Justizbeamten am 20 Juli 2002 in Gotha wegen seiner gewaltlose Rede so behandelt:

     

    "...Unter den geschilderten Mißhandlungen wurde ich zu einem praller Sonne stehenden Polizeibus gebracht. In diesem befand sich eine winzige, hermetisch abgeschlossene und natürlich unerträglich aufgeheizte Minizelle, in welche ich eingesperrt wurde. Man konnte gerade darin sitzen; wegen der Bachoffenhitze war kaum Sauerstoff vorhanden. Mit Absicht und trotz meines inständigen Bittens und Drängens ließ man eine quälend die Belüftung zu Frischluftzufuhr ausgeschaltet. Stattdessen betrieb man nun eine quälend lange Erstickungsfolter gegen mich, bis ich nahe daran war, das Bewußtsein zu verlieren. Zudem war mir durch die vorausgegangene Mißhandlung und die dadurch erlittene Kehlkopfquetschung das Atmen ohnehin schmerzhaft erschwert...

    Mir wurden die Hände mit schmerzhaft einschneidenden Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und ich wurde in einer ebenfalls schmerzhaften Zwangshaltung mit gebeugtem Rücken und nach unten gedrücktem Kopf abgeführt. Vorausgegangen war wie gesagt eine völlig willkürliche, gewalttätige Festnahme ohne Anlaß und vor allem ohne jede Rechtsgrundlage..."

    In Deutschland eigentlich die Folter sind gesetzlich verboten, was ist Alltag in den Länder mit diktatorischen Regime, aber soll die Polizei überhaupt mit den Folter den friedlichen Redner das Volk "schützen"? Ist eine Methode eines Rechtsstates?

     

    Das blieb nicht ohne Folgen:

    "...im Krankenhaus attestierten Verletzungen führte: Prellungen am ganzen Körper, Halswirbelluxutation, und Kehlkopfquetschung. Alles aktenkündigt! Vor allem auch trug ich durch diese polizeiliche Mißhandlung einen schmerzhaften bleibenden Rückenschaden davon, unter dem ich seither zu leiden habe."

     

    So schrieb mir Gerhard Ittner aus Beja in Protugal, wo er April-September 2012 in Auslieferungshaft saß:

    http://www.news4press.com/EIN-BRIEF-AUS-DEM-KNAST_663484.html

     

    Also die Frage wer "Voksverhetzung" treibt, ist damit nicht beantwortet.

     

    Jurij Below, Frankfurt

  • J
    JürgenG

    Die Justizministerin Merk -ja, genau die- sagte also, dies sei ein deutliches Signal auch an die rechtsextreme Szene, dass es in Bayern keinen Platz für Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gebe. Selten so trocken gelacht.