Hafenwirtschaft: Hoppla, ein Boom!
Wegen akuten Personalmangels und vieler Export-Neuwagen, ging am Bremerhavener Autoterminal ein paar Tage nichts. Jetzt entspannt sich die Lage
Die Hafenumschlagsfirma BLG schlittert von Krise zu Krise: Erst gab es wegen der Wirtschaftsflaute zu wenig Aufträge, jetzt zieht das Autoexportgeschäft wieder an - und ein gutes halbes Dutzend Transportschiffe wartet seit Tagen darauf, beladen zu werden. Der Boom kam zu plötzlich für den Logistikriesen, er hatte schlicht zu wenig Arbeitskräfte im Reservoir. Das stellt der Gesamthafenbetriebsverein (GHBV), die Leiharbeitsfirma der Hafenunternehmen. Dort waren im vergangenen Jahr im Angesicht der Krise 1.100 Angestellte entlassen worden.
Zunächst suchte die BLG aber eiligst per Telefon-Hotline Aushilfen, um die Autos auf die Schiffe zu schaffen. 500 haben sich laut BLG gemeldet, von denen jetzt die vielversprechendsten eingeladen und die Besten eingestellt werden. Auto fahren müssen sie können und sehr präzise einparken, drei Tage Schulung sind notwendig, damit das unfallfrei vonstatten geht.
BLG-Sprecher Hartmut Schwerdtfeger sagt, sein Unternehmen habe sich wie immer auf das verlassen, was die Autohersteller an zu transportierenden Neuwagen angekündigt hätten. Hätten die mehr avisiert, hätte man sich früher auf den höheren Arbeitskräftebedarf einstellen können. Keiner habe ahnen können, dass in den USA und in Asien wieder vermehrt deutsche Autos gekauft werden. Eine Gefahr für den Autoverladestandort Bremerhaven will Schwerdtfeger nicht sehen, auch wenn in Medien von in der Reedereiszene kursierenden E-Mails die Rede war, die vor Bremerhaven geradezu warnten: Aus der Logistikkette vom Hersteller bis zum Verladehafen lasse sich nicht mal eben so ein Glied herauslösen, sagt er. Nur wenn das Problem auf Dauer bestehe, müsse man sich Sorgen machen.
Daran, dass es jetzt schnell gelöst wird, sollen nun aber auch ehemalige Mitarbeiter des GHBV mitwirken. Bis zu 150 sollen streng nach Sozialplan wieder eingestellt werden, spätestens ab kommender Woche Donnerstag werden die ersten von ihnen wieder ihren alten Job machen.
Der GHBV-Betriebsratsvorsitzende in Bremerhaven, Peter Frohn, zürnte gestern, dass die Rückabwicklung der Kündigungen hätte schneller gehen müssen. Bereits vor sechs Wochen hätte man damit anfangen sollen, dann wäre es erst gar nicht zu dem Engpass gekommen. Er meint, dass die BLG durchaus auch so vorausschauend hätte planen können: "Die Schiffe, die die Autos aufnehmen, sind ja nicht plötzlich als U-Boote aufgetaucht", sagt er, außerdem sei schon länger bekannt gewesen, dass etwa Daimler wieder Leute eingestellt habe. Die Rückabwicklung der Kündigungen ist wegen der jüngeren Geschichte des GHBV einigermaßen kompliziert: Weil einige der gekündigten Mitarbeiter gegen den Arbeitsplatzverlust geklagt hätten, würden Gespräche zur Wiedereinstellung über ihre Anwälte laufen - der Umweg kostet Zeit.
Vorwürfe des Komitees "Wir sind der GHB" und der Linkspartei, die Kündigungen im großen Stil seinen falsch gewesen, wies Frohn gestern erneut zurück: "Hätten wir das angesichts der Lage nicht gemacht, hätten wir den Laden komplett schließen müssen." Auch die Umstellung auf Zeitarbeit wäre aufgrund hoher laufender Kosten untauglich gewesen.
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